Postmoderne und Relativismus

Hi.

Dass Elimelech gestern im Board ´Religionswissenschaften´ eine sehr eigenwillige Variante des postmodernen Ideals eines Werte- und Wahrheitsrelativismus präsentierte, hat mich dazu angeregt, ein auf Eis gelegtes Threadprojekt über „Postmoderne - Pro und Contra“ wiederzubeleben.  

Was ist Postmoderne? Dieser Begriff bezeichnet, wie schon angedeutet, seit den 1970ern eine Geistesströmung, die in Distanz zu den bis dahin als modern erachteten Werten und Wahrheitsansprüchen geht, also zu den Idealen der Moderne, d.h. der Aufklärung und der ihr folgenden Epochen bis zur Mitte des 20. Jh., welche z.B. sind:

(1) die Überwindung des theologischen Denkens, das Wahrheitsansprüche auf institutionelle Autorität und auf „Offenbarung“ gründet, zugunsten empirischer Methoden, die objektiv nachprüfbare Befunde gestatten, oder kurz: Vernunft statt Glaube. 

(2) die Festlegung eines universellen Menschenrechtskanons nach rationalen statt nach theologischen Kriterien 

(3) der „Diskurs“ als ein Medium, in dem Wahrheitsansprüche nach rationalen Argumentationsverfahren öffentlich diskutiert und abgewägt werden. Ein Wahrheitsanspruch, der sich der öffentlichen Debatte entzieht, weil er nicht nachprüfbare „Offenbarungswahrheiten“ zugrunde legt, gilt als irrational und antimodern. 

Postmodern denken heißt dagegen, Wahrheitsansprüchen auch dann nicht zu widersprechen, wenn sie mit der eigenen Auffassung von Wahrheit nicht übereinstimmen. In diesem Sinne sind z.B. Islam-Apologeten postmodern und Islam-Kritiker modern. 

Erstere gestehen dieser „Religion“ den Anspruch auf die verkündeten angeblichen Wahrheiten zu, auch wenn sie von dieser Wahrheit selbst nicht überzeugt sind. Sie tolerieren diese Wahrheitsansprüche sogar, wenn diese sich zu den moralisch-ethischen Normen der eigenen westlichen Wertegemeinschaft in diametralem Gegensatz befinden (z.B. persönliche Unfreiheit vs. persönliche Freiheit). Ihr Grundsatz lautet: Meine Werte und Wahrheitsansprüche stehen nicht über den Werten und Wahrheitsansprüchen anderer Gruppen. 

Letztere, die Kritiker, halten an den Idealen der Moderne fest und behaupten eine Hierarchie von Werten und Wahrheitsansprüchen. Ich selbst gehöre, wie hier jeder weiß, dazu. 

An diesem Punkt lässt sich bereits eine Schwäche des postmodernen Prinzips des Nivellierens, des Gleichmachens, erkennen: Es wird gleichgemacht, was gar nicht gleich ist. Beispiel Islam: Diese „Religion“ behauptet ja, im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein, steht damit also in extremem Gegensatz zum Ideal des Werte-Relativismus. Der Postmoderne toleriert, was er inhaltlich gar nicht tolerieren dürfte, da es seinem Ideal widerspricht.  

Ein weiterer innerer Widerspruch des postmodernen Relativismus ist der sog. „performative Selbstwiderspruch“: Der Postmoderne behauptet, keine Wahrheit als absolut anzuerkennen, insistiert aber auf der absoluten Wahrheit seines Ideals. Hätte dieses Ideal für ihn keine absolute Geltung, wie könnte er ihm dann systematisch anhängen?  

Der Postmoderne, der Relativist, ist also, wie an zwei Beispielen gezeigt, unvermeidlich in einem logischen Selbstwiderspruch gefangen: Er sagt „hüh“ und „hott“ zugleich. 

Der verdienstvolle Inspirator dieses Threads, Elimelech, hat gestern auf diesen Widerspruch allerdings noch eins drauf gesetzt: Er behauptet nicht nur, dass die monotheistischen Religionen über ein (so wörtlich) „Wissen“ verfügen, sondern sogar, dass ein solches „Wissen“ auch dann als Wissen anzuerkennen ist (bzw. anerkannt werden muss), wenn man dieses „Wissen“ für falsch hält. 

Kollege Elimelech entkoppelt den Wahrheitsanspruch also vollständig vom Wissen: Dieses ist im Fall der monotheistischen Religionen nicht ein Bewusstsein von Fakten (= der einzig vernünftige Wissensbegriff ), sondern besteht aus nicht diskutierbaren und nicht nachprüfbaren Ideen eines Kollektivsubjekts, d.h. einer religiösen Gruppe. Man darf, so E., zwar an der Wahrheit dieses „Wissens“ zweifeln, man muss es aber trotzdem als „Wissen“ anerkennen.  

Seine Auffassung hält unser Wissensexperte für wahrhaft modern und für die ultima ratio. Wer an ihr Zweifel übt, ist „unwissend“.

Viel weiter zurück in die Vergangenheit kann meines Erachtens der post-moderne Denkmodus nicht mehr fallen: Hier ist er endgültig auf das prä-moderne, also vor-aufklärerische Niveau gesunken.

Wie denken nun die Leser über den Widerstreit von Moderne und Postmoderne?

Gibt es eine Hierarchie von Wahrheitsansprüchen aufgrund einer Hierarchie der Wahrheitsfindungsmethoden (Wissenschaft vs. Glaube)?

Haben auf der Ebene der Werte die Menschenrechte eine universelle, also absolute Geltung oder stehen sie auf der selben Ebene wie die Werte religiöser Gruppen, z.B. der drei monotheistischen Religionen? 

Chan

Einwurf
Hallo,

Gibt es eine Hierarchie von Wahrheitsansprüchen aufgrund einer
Hierarchie der Wahrheitsfindungsmethoden
(Wissenschaft vs.
Glaube)?

"eines der wichtigsten Probleme des philosophischen und des wissenschaftlichen Denkens kommt in den folgenden Formulierungen zum Ausdruck: Wie lassen sich unsere Auffassungen begründen? Wie läßt sich nachweisen, daß sie gültig sind? Wie kann man Gewißheit darüber erlangen, ob oder daß sie wahr sind? Hinter derartigen Fragen verbirgt sich die Suche nach einem archimedischen Punkt der Erkenntnis, nach einem sicheren Fundament, von dem aus sich alle wahren Auffassungen als wahr und unter Umständen auch alle falschen als falsch erweisen lassen […] Nun führt dieses Begründungsprinzip aber zu einer bestimmten Schwierigkeit […], die im folgenden Trilemma zutage tritt, das ich ‚Münchhausen-Trilemma‘ genannt habe […] Man kann nämlich offenbar nur wählen zwischen:

  1. einem infiniten Regreß, der sich aber als nicht durchführbar erweist,
  2. einem logischen Zirkel, der ebenfalls zu keiner Begründung führen kann, und
  3. einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der sich zwar durchführen läßt, aber eine Suspendierung des Prinzips bedeuten würde, deren Willkür schwerlich bestritten werden kann" (Albert, H. (1971). Kritizismus und Naturalismus. Die Überwindung des klassischen Rationalitätsmodells und das Überbrückungsproblem.).

Die Lösung des von Hans Albert hier angesprochenen Problems ist die im Untertitel seines Aufsatzes genannte Überwindung des Rationalitätsmodells, wie es auch im Glauben an den Primat der Vernunft in der Moderne favorisiert wird, durch seine Aufgabe und die Anwendung eines rationalen Kritizismus mit konsequentem Fallibilismus. Insofern ist dieser Lösungsansatz postmodern.

Beste Grüße

Oliver

Gibt es eine Hierarchie von Wahrheitsansprüchen aufgrund einer
Hierarchie der Wahrheitsfindungsmethoden
(Wissenschaft vs.
Glaube)?

Keine transzendentale Hierarchie, sehr wohl diskursimmanente Hierarchien.

Haben auf der Ebene der Werte die Menschenrechte eine
universelle, also absolute Geltung oder stehen sie auf der
selben Ebene wie die Werte religiöser Gruppen, z.B. der drei
monotheistischen Religionen? 

Nein.
Nein.

Die Zweimaligkeit der Verneinung zeigt, dass diese oder-Verknüpfung wenig sinnvoll ist, weil die normalerweise nach dem Muster Ja-Nein (exklusives Oder) oder Ja-Ja (inklusives Oder) funktioniert.

Ein weiterer innerer Widerspruch des postmodernen Relativismus ist der sog.
„performative Selbstwiderspruch“: Der Postmoderne behauptet, keine Wahrheit als
absolut anzuerkennen, insistiert aber auf der absoluten Wahrheit seines Ideals

Erstens ist das nicht nur der Selbstwiderspruch des „postmodernen“ R., sondern der eines jeglichen ontologischen R.s.

Zweitens trifft dieser Vorwurf einem „Naiven Relativismus“ in der Tat mitten ins Herz, aber auch nur dem.

Gruß
F.

Erneuerung der Philosophie

Dieser Begriff bezeichnet, wie schon
angedeutet, seit den 1970ern eine Geistesströmung, die in
Distanz zu den bis dahin als modern erachteten Werten und
Wahrheitsansprüchen geht, also zu den Idealen der Moderne,
d.h. der Aufklärung und der ihr folgenden Epochen bis zur
Mitte des 20. Jh., welche z.B. sind:

Zuerst war es sicher so zum Teil, weil es ja immer um Werte geht, in der Kontrastierung zu vorherigen. Das ist also bei sämtlichen wissenschaftlichen „Paradigmen“ der Fall, nach Thomas Kuhn. Aber wie z. B. die Auseinandersetzung zwischen Habermas und Foucault zeigt, ist diese Kontrastierung nur episodenhaft. Ich denke es ist eine Nachfolgeerklärung und kein Widerspruch. Foucault hat in der Habermas-Diskurs-Debatte, den Vorwurf von Habermas, gegen die Moderne zu sein, stets zurückgewiesen. Nur als ein typisches Beispiel zweier besonders populärer Gegenwartsphilosophen, ganz zu schweigen von anderen.

Im Übrigen sehe ich die Moderne und Postmoderne als geschichtliche Fortsetzung, weil, das ist meine Begründung, die Postmoderne nicht nur pluralistisch als bloße Ad-Hoc-Idee entstanden ist, sondern es ist auch eine Realität der medialen Globalisierung a´la McLuhan, dass wir heute nicht mehr in einer „geschlossenen Gesellschaft“ leben (Islam als Gegenbeispiel) wie noch zum Teil in der klassischen Industriegesellschaft, in der der Mensch in seiner Lebenswirklichkeit noch ein ganz anderer war als heute in der Zeit einer globalen Mediengesellschaft. Hegels Idee, die Philosophie hätte die (geschichtliche) Aufgabe, ihre Zeit in Gedanken zu fassen, sollte man begrüßen, wie auch seine Idee, dass die Weltgeschichte die Fortsetzung im Bewusstsein der Freiheit wäre. Freiheit in plural-er Kreativität. So in etwa plädiert auch der amerikanische Philosoph Hilary Putnam in seinem Buch „Für eine Erneuerung der Philosophie“, obwohl Putnam kein typischer Vertreter ist der Postmoderne.
Penso

die Anwendung eines rationalen Kritizismus mit
konsequentem Fallibilismus. Insofern ist dieser Lösungsansatz
postmodern.

Das ist Wissenschaftstheorie. Und ist damit nur ein kleiner Teil sowohl der gesamten Wissenschaft als auch nur ein kleiner Teil der gesamten Philosophie. Rationalität aber weiter, offener, realistischer gedacht, zum Beispiel darauf bezogen, wie Hegel die Aufgabe der Philosophie definiert, nämlich dass sie ihre Zeit in Gedanken zu fassen hätte, ist die Tatsache einer real existierenden Mediengesellschaft. Postmodern in diesem Sinne hieße dann, was „nach“ der klassischen Industriegesellschaft an technischer und sozialer Rationalität entstanden ist, im Sinne einer praktisch verwirklichten Rationalität nach Weber Max.

Und da jeder ernst zunehmende Wissenschaftler auf Kommunikation angewiesen ist (ich bin eigentlich kein Kantianer, aber was Kant in seinem Aufsatz in einer Publikumszeitschrift seiner Zeit publizierte, mit dem Titel „Was ist Aufklärung?“ zeigt ihn als in meinen Augen absoluten Medienstar, denn im Gegensatz zu seinen drei „Kritiken“ benützt Kant hier eine Sprache, die so modern und postmodern bleiben wird für alle Zeit, das ist einfach eine ganz klare Sprache, von der jeder Mensch bis heute und in alle Zukunft lernen kann, worum es Kant ging) sonst würde er ja in der Öffentlichkeit niemals von anderen Menschen wahr-genommen. Dies gilt von Thales über Platon bis hin zu heutigen Philosophen, als moderne Medienprofis.

Das Primat der Postmoderne ist nach meiner Auffassung aber längst nicht mehr der „linguistc turn“, sondern vielmehr der „medial turn“, der sehr viel umfassender ist in einer global vernetzen Medienwelt als die einst solange vorherrschende Schriftkultur, nach Gutenberg, der mit seiner Erfindung der beweglichen Lettern den Anfang schuf zu einer globalen Mediengesellschaft. Der Buchdruck wurde zum ersten globalen Massenmedium überhaupt.

In der global vernetzten Mediengesellschaft dominieren immer mehr „Grafik“, Ich meine damit, dass immer mehr Technik mit Emotionen verkauft wird. Man schaue sich nur mal genau im TV die Werbung von Autos an, wo schöne Frauen viel mehr Gewicht erhalten als nur ausschließlich technische Daten. Oder die Werbung für andere technische Produkte, wie Handys, Computer, Digitalkameras etc. Hierbei geht es um ein Phänomen als „Rationalität der Gefühle“ - vgl. hierzu das Buch des Philosophen Ronald de Sousa, emeritierter Professor der Universität Toronto oder das Buch der Philosophin Sabine Döhring, Professor an der Universität Tübingen, als Beispiele.

Immer mehr Bilder und immer mehr Videos und immer mehr Filme überschwemmen den Globus. Allein auf YouTube werden täglich unzählige Videos kommuniziert, auch über Philosophie. Aber das ist nur ein winzig kleiner Teil aller Medieninhalte, die sich explosionsartig ausbreiten und in jeder Sekunde praktisch die ganze Welt verändern. Wissenschaft - und noch dazu nur Philosophie - und innerhalb dieser wiederum nur die Wissenschaftstheorie (z. B. nach Albert), ist da ein nur winzig kleiner Teil in den globalen Medien.

Nicht umsonst haben fortschrittlich denkende Philosophen ein großes Interesse für den Film (Sartre, Deleuze, Foucault etc.), weil der Film „das“ moderne Medium des 21. Jahrhunderts ist. Deshalb gehen die Menschen heute weniger als früher in die Kirche und schauen statt dessen lieber Fernsehen. So gut wie alle Menschen, bis in den finstersten Busch hinein, sind von bewegten Bildern fasziniert. Und Hollywood verbreitet amerikanische Kulturpolitik weltweit. Während im alten Europa die kollektiven Werte a´la Habermas & Co. zelebriert werden, kann man jeden Tag dagegen im TV den Einzelkämpfer als amerikanischen Helden dem Volk in die Birne pressen. Und dagegen verteidigen Habermas & Co. den Konsens als Ideal. Wie unrealistisch ist das denn??? Hat denn Herr Professor Hasenscharte je wirklich in die Welt geblickt, WAS??? Trotzdem ist es ein bleibendes Verdienst von Habermas, dass er die Kommunikation als Grundlage jeder höher entwickelten Gesellschaft erkannte, was auch den Erkenntnissen von Luhmann entspricht. Auch in Luhmanns Systemtheorie geht es um Kommunikation.

Noch was zur Frage des UP, ob es in der Postmodernen keine Hierarchie des Wissens mehr gäbe. Meiner Ansicht hat es eine Hierarchie des Wissens immer gegeben und es wird sie immer geben, solange es Menschen auf diesem sonderbaren Planeten gibt, das ist die Lebenswirklichkeit.
Penso

PS: Geniale Argumentation
Für mich gehören Wissen und Wahrheit zusammen. Hinweis auf den Metapher im Brett der Religionswissenschaft, Titel „Wahrheit und Wahrheit“. Obwohl ich Kritiker war, ist der Post einer der besten Wahrheitsargumente ever. Man lese - am besten mehrmals - diese geniale Argumentation.
Penso

Hallo,

zum einen bezieht sich das Argument von Albert nicht nur auf Wissenschaftstheorie, zum anderen halte ich von dem von Dir genannten Autor und seinen Thesen überhaupt nichts.

Beste Grüße

Oliver

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zum einen bezieht sich das Argument von Albert nicht nur auf
Wissenschaftstheorie

Als ein bekannter Vertreter des Kritischen Rationalismus in der Nachfolge von Karl Popper beschränkt sich sein Denken natürlich nicht nur auf Wissenschaftstheorie. Das war ja auch bei Popper nicht der Fall. Hans Albert ist wie Jürgen Habermas zudem Soziologe, so dass seine Philosophie selbstverständlich auch politische Philosophie ist bzw. Sozialphilosophie mitgestaltet.

zum anderen halte ich von dem von Dir
genannten Autor und seinen Thesen überhaupt nichts.

Die Thesen von Metapher, die er im Brett der Religionswissenschaft vertritt, muss man nicht gut heißen (tue ich auch nicht), aber Respekt vor jedem Andersdenkenden ist erstens ein politisch verbürgtes Grundrecht bezogen auf die Menschenwürde, und zweitens ist Respekt die erste von 12 Kommunikationsregeln nach Popper und seinem von ihm begründeten Kritischen Rationalismus.

Gerade habe ich im TV den Boxkampf von Vladimir Klitschko im Madison Square Garden in New York angesehen. Das Publikum wolle einen KO, Klitschko gewann den Kampf über 12 Runden, aber ohne KO, obwohl er ihn vorher großspurig angekündigt hatte, und das gegen einen als schwach eingeschätzten Gegner, wo man glaubte, der steht nicht lange. Für mich ist dieser Sport ein Spiel, es ist eine Kunstform mit harten Bandagen. Die Gegner prügeln nicht nur wie Wilde aufeinander ein, sondern üben jahrelang ihren „Stil“. Und sie zeigen trotz unbarmherziger Schläge voreinander Respekt. Eben als Kunst. Leider wird die Kunst ABER von viele Philosophen total ignoriert, wenn sie nur im Turm hocken, wie graue Mäuse im finsteren Keller, wo entgegen ihres Mythos kein Elfenbein ist, sondern nur ihr dünnes Pfeifen „wie die Welt sein sollte“ am Lebensstrom der Wirklichkeit scheitert, ja scheitern muss.

Im Übrigen kannst du sehen, dass in dem erwähnten Post „Wahrheit und Wahrheit“ von Metapher, der 12 Jahre lang die Moderation dieses Brettes führte, als promovierter Philosoph, er in seinem Wahrheitskonzept von Usern wegen seiner Thesen auch kritisiert wird. Es ist aber eine Missachtung der Kunst (Kommunikationskunst) diesen profilierten Philosophen mit seinem exzellenten Fachwissen zu diskreditieren (von ihm „halte ich überhaupt nichts“).
Penso

Hallo,

aber Respekt vor jedem Andersdenkenden ist
erstens ein politisch verbürgtes Grundrecht bezogen auf die
Menschenwürde, und zweitens ist Respekt die erste von 12
Kommunikationsregeln nach Popper und seinem von ihm
begründeten Kritischen Rationalismus.

ich würde die Kirche im Dorf lassen. Wenn Du schon die Grundrechte zitierst, dann läßt es die ebenfalls als Grundrecht verbriefte Meinungsfreiheit zu, von jemandem und seinen / ihren Thesen mehr oder weniger halten zu dürfen. Es mag Dir nicht gefallen, daß ich eine andere Meinung als Du habe, gegen die Menschenwürde verstößt dies jedoch nicht.

Was Popper anbelangt und die von Dir genannten Hegel und Habermas, fällt mir dazu das ein:

„Karl R. Popper, einer der wenigen Philosophen, die klar denken und schreiben konnten, betont in seinem Artikel „Gegen die großen Worte“, dass „das grausame Spiel, Einfaches kompliziert und Triviales schwierig auszudrücken“ von vielen Geisteswissenschaftlern als ihre „legitime Aufgabe“ betrachtet wird. Sie haben nichts anderes gelernt, als Menschen „in einem Meer von Worten“ zu ertränken.“

http://ef-magazin.de/2010/08/02/2404-hochstapelei-da…

Ja, ich weiß, Du bist anderer Meinung.

Beste Grüße

Oliver

Nein gar nicht…

Ja, ich weiß, Du bist anderer Meinung.

ich stimme zu.
Penso

Und wo?
Hi.

Für mich gehören Wissen und Wahrheit zusammen.

Ist doch klar. Alles andere wäre Begriffsanarchie.

Hinweis auf den
Metapher im Brett der Religionswissenschaft, Titel „Wahrheit
und Wahrheit“. Obwohl ich Kritiker war, ist der Post einer der
besten Wahrheitsargumente ever. Man lese - am besten mehrmals

  • diese geniale Argumentation.

Welchen Post meinst du? Ich habe erst heute wieder ins www geschaut und ihn im Relibrett vielleicht übersehen. Wo also steckt er? Dann können wir gerne über den angeblichen Geniestreich reden.

Chan

Hallo,

Welchen Post meinst du? Ich habe erst heute wieder ins www
geschaut und ihn im Relibrett vielleicht übersehen. Wo also
steckt er? Dann können wir gerne über den angeblichen
Geniestreich reden.

hier z.B.

/t/bibel-vs-charles-darwin/3654644/48

Das Gleiche hier

http://www.wer-weiss-was.de/religionswissenschaft/zu…

Der naturwissenschaftliche, historische, aussagenlogische Wahrheitsbegriff habe nichts mit dem Wahrheitsbegriff von Mythen, Religionen usw. zu tun, Kategorienverwechslung usw., rein religionsimmanenter Wahrheitsbegriff, unterliegt nicht dem Beweis- oder Widerlegungskriterium usw.

Da haben wir dann gleich Gründe, warum ich nichts davon halte: Mit solchen Argumentationen kann man jede Behauptung gegen jegliche Kritik immunisieren. Es ist halt irgendwie immer 'was anderes, was in sich immanent, und wenn man das mit etwas vergleicht, wenn es nicht übereinstimmt, widerspricht, dann kann man das gar nicht vergleichen, Kategorienverwechslung, andere Kriterien, unterliegt dem nicht usw., falsches Verständnis und das hast Du noch nicht gehört. Diese Immunisierungstaktik wiederholt sich ad infinitum.

Du hattest damals auch einen Artikel mit dem Titel ontologischer Wahrheitsbegriff geschrieben.

Beste Grüße

Oliver

Freistoß
Hi.

Sorry für die Verzögerung, ich habe am Wochenende konzentriert an ein paar Trance-Songs gearbeitet.

Zu deinem Hinweis auf den Fallibilismus:

… Hinter derartigen Fragen verbirgt sich die
Suche nach einem archimedischen Punkt der Erkenntnis, nach
einem sicheren Fundament, von dem aus sich alle wahren
Auffassungen als wahr und unter Umständen auch alle falschen
als falsch erweisen lassen […] Nun führt dieses
Begründungsprinzip aber zu einer bestimmten Schwierigkeit
[…], die im folgenden Trilemma zutage tritt, das ich
‚Münchhausen-Trilemma‘ genannt habe […]

Erstens funktioniert diese Strategie nicht bei evidenzbasierten Wissensbehauptungen: Die Aussage, dass die Erde um die Sonne kreist, braucht nicht in einem infiniten Regress begründet werden. Für diese Aussage sprechen eine Anzahl von Beobachtungen, u.a. die im 19. Jh. entdeckte Fixsternparallaxe. Ein Fallibilist kann zwar aus Prinzip alle entsprechenden Beobachtungen und Schlussfolgerungen in Frage stellen, dürfte damit aber nur von fallibistischen Dogmatikern ernst genommen werden.

Ein gern genanntes Beispiel für einen infiniten Regress ist die Begründung der Aussage „Goethe war nie in New York“. Nun ist das aber eine Behauptung des Nichtseins eines Ereignisses. Solche Behauptungen sind, sofern sie zumindest nicht der Logik widersprechen, tatsächlich unbeweisbar. Wahrheitsaussagen sind aber in der Regel positive, d.h. existenzbehauptende Aussagen, siehe obiges Beispiel. Solche Aussagen müssen sich am Anspruch der Nachprüfbarkeit messen lasssen. Das gilt auch für Aussagen über nicht objektivierbare Ereignisse, also Ereignisse im subjektiven Erleben einer Person, die in einer Wahrheitsaussage aber generalisiert wird, z.B. „Jeder Mensch erlebt während des Schlafs mindestens einen Traum“. Das ist objektiv unbeweisbar, da man in die Köpfe anderer Menschen nicht reinschauen kann; Messbefunde über REM-Aktivitäten sind zwar ein Indiz, aber kein Beweis für einen Traum. Und doch wird keiner, der bei Verstand ist, daran zweifeln, dass nicht nur er, sondern auch andere Menschen träumen (können).

Dass gilt übrigens auch für mystische Erfahrungen. Ich bin keiner, der nur objektivierbare Events als wahr anerkennt. Mystische Erfahrungen sind geistige Zustände, die sich ebenso wenig wie Träume „aufzeichnen“ und Dritten gegenüber präsentieren lassen. Sie sind aber, wie die Träume, kommunizierbar und können von Personen mit gleichen Erfahrungen bestätigt werden, vor allem was den inneren Gehalt der Erfahrung betrifft.

Die monotheistischen Religionen wiederum basieren auf Behauptungen (in den vermeintlichen „Heiligen Büchern“), deren Aussageninhalt weder objektivierbar ist und als subjektive Erfahrung zwischen Personen kommuniziert werden kann, sondern reine Objekte des „Glaubens“ sind. Im Unterschied zu den Wahrheitsaussagen der Naturwissenschaft und der mystischen Wissenschaft werden die Aussagen der Mono-Religionen aber autoritär kommunziert, d.h. durch repressive Sozialisation sowie, in der historischen Phase ihrer Entstehung bzw. Ausbreitung, durch Gewalt (bei Christentum und Islam).

Ein Gegenargument nannte ich schon im UP: der performative Selbstwiderspruch. Der Fallibilist bezweifelt jede Wahrheitsbehauptung, nur nicht die eigene. Das Prinzip „Es gibt keine Letztbegründung“ wird von ihm nicht in Frage gestellt, was der prinzipiell skeptischen, also fallibilistischen Methode widerspricht. Wie kann ein Fallibilist wissen, dass es keine Letztbegründung gibt? Hat er jeden angeblich infiniten Regress wirklich infinit zurückverfolgt? Da das nicht geht, kann er auch nicht beweisen, dass eine bestimmte Begründung eine infinite Kette nach sich zieht. Er behauptet es einfach nur.

+++

Die Frage eines Werteabsolutismus (modern, meine Position) vs. Werterelativismus (Postmoderne) hast du nicht berührt.

Chan

Immunisierung?
Danke für den Hinweis, ich sehe mir das an und gehe ggfs. darauf ein; das kann aber etwas dauern, weil ich anderweitig (z.Zt. künstlerisch) ausgelastet bin.

Der naturwissenschaftliche, historische, aussagenlogische
Wahrheitsbegriff habe nichts mit dem Wahrheitsbegriff von
Mythen, Religionen usw. zu tun, Kategorienverwechslung usw.,
rein religionsimmanenter Wahrheitsbegriff, unterliegt nicht
dem Beweis- oder Widerlegungskriterium usw.

Ähnliches habe ich selbst oft genug in diesem Forum gesagt (auch in meiner aktuellen Antwort an aiwendil, die ich schrieb, bevor ich deinen jetzigen Artikel las), allerdings nur in Bezug auf mystische Erkenntnis, aber nicht auf monotheistische Religion. Das ist ein Riesenunterschied.

Und warum? Weil es in diesen Religionen um nichtempirische Aussagen geht, die als absolut wahr behauptet und dem Individuum in der Regel per Sozialisation autoritär aufoktroyiert werden (religiöse Erziehung), es also potentiell für seine gesamte Lebenszeit psychologisch und intellektuell prägen. Vernünftigerweise wird man an ein solches, repressiv perpetuiertes Aussagensystem eine Begründungsforderung stellen müssen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass diese Aussagensysteme in Zeiten (Antike und Mittelalter) entstanden, als es noch keine rationalen Geltungsansprüche an Aussagen gab. In unserer durch rationale Ansprüche geprägten Epoche aber dürfen sich diese Systeme den an sie angelegten Rationalitätskriterien nicht entziehen, indem sie z.B. darauf pochen, in eine - wie du meinst - andere „Kategorie“ zu gehören, die außerhalb rationaler Begründungsansprüche steht. Stimmte deine Argumentation, dann gehörte auch die nationalsozialistische Ideologie in eine „andere Kategorie“ und dürfte nicht rational kritisiert werden.

Da haben wir dann gleich Gründe, warum ich nichts davon halte:
Mit solchen Argumentationen kann man jede Behauptung gegen
jegliche Kritik immunisieren. Es ist halt irgendwie immer 'was
anderes, was in sich immanent, und wenn man das mit etwas
vergleicht, wenn es nicht übereinstimmt, widerspricht, dann
kann man das gar nicht vergleichen, Kategorienverwechslung
andere Kriterien, unterliegt dem nicht usw., falsches
Verständnis und das hast Du noch nicht gehört. Diese
Immunisierungstaktik wiederholt sich ad infinitum.

Die Einschätzung, was ich „noch nicht gehört habe“, wirst du schon mir überlassen müssen; mit solchen Unterstellungen machst du den gleichen Fehler mir gegenüber wie Elimelech.

Wenn du sagst:

Mit solchen Argumentationen kann man jede Behauptung gegen
jegliche Kritik immunisieren.

dann beschreibst du doch genau die Strategie, die von Postmodernen und, auf einem deutlich weniger reflektierten Niveau, von Elimelech betrieben wird. Durch die Aussage „Es gibt keine absolute (oder objektive) Wahrheit“ wird der Geltungsanspruch von Buchreligionen gegen rationale Begründungsansprüche immunisiert. Warum also unterstellst du mir hier, eine Immunisierung anzustreben? Es geht mir doch genau um das Gegenteil.

Du hattest damals auch einen Artikel mit dem Titel
ontologischer Wahrheitsbegriff geschrieben.

Dein Nick ist mir neu, aber du scheinst hier schon länger aktiv zu sein. CJW bist du natürlich nicht, denn der war (zu Recht) das Gegenteil eines Metapher-Fans, aber wer dann?

Chan

Hallo,

ich denke, daß Du mein Posting in vielerlei Hinsicht mißverstanden hast. Du scheinst auch nicht bemerkt zu haben, wem Du antwortest, und Du hast nicht verstanden, was ich mit „und hast Du noch nicht gehört“ (mit dem „Du“ warst nicht Du angesprochen, sonst ich habe die Argumentation karikiert).

Im übrigen werde ich mich nicht an eurem „Good user - bad user“-Spiel beteiligen.

Beste Grüße

Oliver

Hallo,

die Argumente, die Du gegen den kritischen Rationalismus bringst, sind mir alle bekannt, mir sind aber auch die Gegenargumente bekannt. Da ich hier nicht über den kritischen Rationalismus diskutieren, sondern Dich darauf hinweisen wollte, daß mir Dein von Dir in der Moderne verortetes Rationalitätsverständnis (Deine „Hierarchie von Wahrheitsansprüchen aufgrund einer Hierarchie der Wahrheitsfindungsmethoden - Wissenschaft vs. Glaube“) überholt zu sein scheint.

Beste Grüße

Oliver

Hi.

Gibt es eine Hierarchie von Wahrheitsansprüchen aufgrund einer
Hierarchie der Wahrheitsfindungsmethoden
(Wissenschaft vs.
Glaube)?

Keine transzendentale Hierarchie, sehr wohl diskursimmanente
Hierarchien.

Ich beziehe das mal auf den von mir angesprochenen Gegensatz Wissenschaft vs. Glaube (monotheistische Religion). Falls das anders gemeint ist, bitte ich um Hinweis.

Angenommen also, du behauptest, es gäbe einen monotheistisch-religiösen Diskurs. Ich sage, es gibt diesen nicht, jedenfalls nicht als offener Diskurs, im Gegenteil, die Kerninhalte dieser Religionen gelten intern als dogmatisch und unangreifbar und werden intrafamiliär (und früher auch machtpolitisch) autoritär, also repressiv sozialisiert.

Genau genommen ist der monotheistische „Diskurs“ also kein Diskurs. Von seinem Wesen her ist er das Gegenteil eines Diskurses, nicht nur wegen seiner autoritären Perpetuierung, sondern auch weil er sich auf „Offenbarungen“ stützt - im Judentum die ersten 4 mosaischen Bücher als „an Moses vermitteltes Wort Gottes“, im Christentum die angebliche Lehre des angeblichen Jesus und im Islam die „Offenbarungen“ des Mohammed.

Die Zweimaligkeit der Verneinung zeigt, dass diese
oder-Verknüpfung wenig sinnvoll ist, weil die normalerweise
nach dem Muster Ja-Nein (exklusives Oder) oder Ja-Ja
(inklusives Oder) funktioniert.

Etwas konkreter bitte.

Ein weiterer innerer Widerspruch des postmodernen Relativismus ist der sog.
„performative Selbstwiderspruch“: Der Postmoderne behauptet, keine Wahrheit als
absolut anzuerkennen, insistiert aber auf der absoluten Wahrheit seines Ideals

Erstens ist das nicht nur der Selbstwiderspruch des
„postmodernen“ R., sondern der eines jeglichen ontologischen
R.s.

Stimmt, aber es geht hier nun mal um die Postmoderne.

Zweitens trifft dieser Vorwurf einem „Naiven Relativismus“ in
der Tat mitten ins Herz, aber auch nur dem.

Der Vorwurf des „performativen Selbstwiderspruchs“ ging seitens von Apel (der Begriffsschöpfer) und Habermas an die Adresse von Popper und Albert.

chan

Verlängerung

… sondern Dich darauf hinweisen
wollte, daß mir Dein von Dir in der Moderne verortetes
Rationalitätsverständnis (Deine „Hierarchie von
Wahrheitsansprüchen aufgrund einer Hierarchie der
Wahrheitsfindungsmethoden - Wissenschaft vs. Glaube“) überholt
zu sein scheint.

Scheint - aber nicht ist. Ken Wilbers Erkenntnistheorie repräsentiert den neuesten Stand der Dinge. Ihr gegenüber sind alle relativistischen Ansätze veraltet bzw. „überholt“ und können als Symptom postmoderner Orientierungslosigkeit gelten.

Chan

Erdbebensyntax

ich denke, daß Du mein Posting in vielerlei Hinsicht
mißverstanden hast.

Du hast dich stellenweise sehr enigmatisch ausgedrückt, z.B. so:

Es ist halt irgendwie immer 'was anderes, was in sich immanent, und wenn man das mit etwas vergleicht, wenn es nicht übereinstimmt, widerspricht, dann kann man das gar nicht vergleichen, Kategorienverwechslung, andere Kriterien, unterliegt dem nicht usw., falsches Verständnis und das hast Du noch nicht gehört.

Das liest sich wie während eines Erdbebens der Stärke 6,8 geschrieben, alles wackelt.

Du scheinst auch nicht bemerkt zu haben,
wem Du antwortest,

Da hast du Recht, ich hatte Penso im Blick, sorry, das berührt aber nicht meine Argumente.

und Du hast nicht verstanden, was ich mit
„und hast Du noch nicht gehört“ (mit dem „Du“ warst nicht Du
angesprochen, sonst ich habe die Argumentation karikiert).

Wie gesagt: Das ist Teil einer chaotischen Satzbildung, aus der keiner schlau werden kann.

Chan

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Du hast dich stellenweise sehr enigmatisch ausgedrückt, z.B.
so:

Es ist halt irgendwie immer 'was anderes, was in sich immanent, und wenn man das mit etwas vergleicht, wenn es nicht übereinstimmt, widerspricht, dann kann man das gar nicht vergleichen, Kategorienverwechslung, andere Kriterien, unterliegt dem nicht usw., falsches Verständnis und das hast Du noch nicht gehört.

Das war eine karikaturhafte Kurzzusammenfassung aus Versatzstücken der Argumentation, die ich verlinkt habe. Diese Versatzstücke findest Du in den verlinkten Postings, wenn Du Dir die Mühe gemacht hättest, sie zu lesen.

Da hast du Recht, ich hatte Penso im Blick, sorry, das berührt
aber nicht meine Argumente.

Doch, weil es zeigt, wie oberflächlich Du liest.

Wie gesagt: Das ist Teil einer chaotischen Satzbildung, aus
der keiner schlau werden kann.

Weil ich weder Zeit noch Lust habe, Dir und anderen auf diese Art und Weise „argumentierenden“ Usern jeden, ja wirklich jeden Satz erklären zu müssen.