Praktikum für 'Nasse' - üblich in Germany?

hallo ich möchte gerne wissen,

ob
es mittlerweile allgemeine Praxis geworden ist, das „studierende“ Personen, die also mehr als 10 Jahre Schule gemacht haben und weiterhin geschult werden wollen… während dieser Zeit Praktika nachweisen müssen… und dabei ihre Leistungen für UMSONST darbieten.
Wenn ja bitte welche arbeiten führen sie aus und wie lautet das Ausbildungs(Studium)-Ziel?

„studierende“ Personen, die also mehr als 10 Jahre Schule
gemacht haben und weiterhin geschult werden wollen…

…dieser Zeit Praktika nachweisen müssen… und dabei ihre
Leistungen für UMSONST darbieten.

Hallo Dirk,

meinst Du mit „studierende“ Personen ganz normale Studenten an einer Uni oder FH?

Es gibt durchaus Firmen, die Praktikumsplätze zur Verfügung stellen, aber dem Studenten keine Vergütung bieten. Andere Firmen bezahlen etwas, obwohl der Bezahlung nur Aufwand, aber keine verwertbare Leistung gegenüber steht.

…"…Leistungen für umsonst" darbieten…
Welche Leistung? Bedenke bitte, daß etliche Studenten Abitur haben, aber sonst rein nichts. Mancher Student sieht zum ersten Mal im Leben einen Betrieb von innen. Da kann von erbrachter Leistung keine Rede sein und das Erbringen von Leistung ist dabei auch nicht unbedingt der Zweck der Übung. Der Einblick in verschiedene betriebliche Bereiche steht im Vordergrund und ansonsten sind teuer bezahlte Mitarbeiter des Betriebes vorwiegend damit beschäftigt, den Praktikanten vor sich selbst zu schützen.

Es gibt während des Studiums abzuleistende Praktika, die z. B. bei angehenden Ingenieuren aus jeweils 4 Wochen Metallbearbeitung, Kunststoffbearbeitung, Gießerei, Konstruktion usw. in verschiedenen Betrieben bestehen. Dabei geht es um den Einblick und allenfalls um das Erlernen sehr elementarer Fertigkeiten, aber auch um verschiedene Aspekte des Arbeitsschutzes und das Kennenlernen unterschiedlich organisierter Arbeitsabläufe. Für die Betriebe entstehen Kosten und Personalbindung. Sie machen es dennoch als Vorsorge für den eigenen Nachwuchs. Wird etwas bezahlt, ist das als soziales Engagement des Betriebes zu verstehen, weil man weiß, daß der Student von irgendetwas leben muß.

In einigen Ausbildungsgängen ist ein komplettes Praktikum-Semester in einem einzigen Betrieb üblich. Dort soll der Student nach Möglichkeit zwar unter Anleitung, aber dennoch weitgehend eigenständig eine abgeschlossene Aufgabe bearbeiten. Dabei ist eine Bezahlung üblich, aber nicht zwingend.

Wie immer kommt es auch darauf an, wie sich der Student bei der Bewerbung um einen Praktikumsplatz „verkauft“. Etliche Studenten verfügen zudem über eine gewerbliche Berufsausbildung und bringen damit verwertbare Fertigkeiten mit.

Schließlich spielen auch Angebot und Nachfrage eine Rolle. In einigen Betrieben sind Praktikumsplätze begehrt und in einigen Gegenden muß man lange suchen, weil es nur wenige in Frage kommende Betriebe gibt. Bei einigen Berufsgruppen werden Praktikanten regelrecht von Betrieben umworben. Wenn die Chemie stimmt, könnte der Praktikant von heute der fest angestellte Ingenieur von morgen sein. Dabei ist die Bezahlung für den Praktikanten wohl weniger Lohn für erbrachte Arbeitsleistung, sondern eine gute Erinnerung für das spätere Anstellungsverhältnis.

Gruß
Wolfgang

Meinen Dank für deine sehr sehr ausführliche Darstellung Wolfgang. Gestatte mir einige Anmerkungen:

gehe ich richtig der annahme,das du, wie ich, aus der sicht eines Einstellenden beobachtest?

Gehe ich richtig der annahme, das das was heute Studierender nennte und ein praktika absolviert - damals die dringend benötigte UND erfolgreich absolvierte Praktische Lehrausbildung - darstellt?

Ich muß jedoch auch leider feststellen, das viele Arbeiten, die früher Gelernte machten, heute kostenlose Praktikanten machen, ja es reißt entsetzlich tief ein, das ausschliesslich die Firmen wirklich anspruchsvolle Arbeiten, für die eigentlich Berufe ausgebildet worden sind (!!!), von Ungelernten (Praktikanten/Ohne Haftung) erledigt werden… wogegen die Gelernten auf der Straße liegen… Ganz nebenbei geht natürlich - selbstredend - die Qualität der Sache an sich verloren.

Mit den Studierenden meine ich jene TFH und UNI.

Für die Betriebe entstehen
Kosten und Personalbindung. Sie machen es dennoch als Vorsorge
für den eigenen Nachwuchs. Wird etwas bezahlt, ist das als
soziales Engagement des Betriebes zu verstehen, weil man weiß,
daß der Student von irgendetwas leben muß.

Bezahlung = soziales Engagement

Naja ich weiß nicht. Viele Studenten verfügen über Spezialwissen. Einigen Unternehmen erscheint es oft zu teuer einen Spezialisten einzustellen. Da kommen die Studenten gerade recht, und sind nichts anderes als billige Arbeitskräfte (die allerdings wichtige Berufserfahrung sammeln können). Über mangelnde Praxiserfahrung wird da gerne hinweggesehen.
Die Studenten werden dort z.T. in Projekte miteingebunden. Nicht selten wird diesen Studenten angeboten ihr Praktikum um ein paar Monate zu verlängern. Dies wird dann damit versüßt, dass die Unternehmen diesen Leuten dann ab sofort ein sehr sehr hohes Gehalt zahlen. Da kann man schon schwach werden.
Klar bei 0815-Mittelstandsbetrieben, die schon seit dreißig das gleiche machen und keinen Anlaß zu Innovationen sehen, wird sowas nicht gezahlt. Dafür gehts diesen Betrieben meistens langfristig auch nicht besonders gut. (dafür wird dann zu unrecht der Regierung der schwarze Peter zugeschoben)
Innovative Unternehmen sehen Praktikanten dagegen als Know-How-Träger, die neue Ideen mitbringen. Ein Praktikum ist außerdem eine wunderbare Möglichkeit für die Unternehmen zukünftige Mitarbeiter zu rekrutieren. Das dem Unternehmen nur Kosten entstehen halte ich für Schwachsinn. Dem heutigen Aufwand stehen zumindestens zukünftige Erträge gegenüber. Hochqualifizierte Praktikanten einzustellen stellt für mich deshalb eine Investition in die Zukunft dar. Und um die Besten zu bekommen muss man schonmal etwas tiefer in Tasche („Portokasse“) greifen.

Einige Leute verstehen hier unter Praktikum wohl noch so etwas wie Kaffeekochen oder Papierkorbleeren. Diese Praktikumsplätze wird es sicher noch geben. Doch diese Art von Praktikum nützt weder dem Unternehmen noch dem Studenten.

MfG
Stephan

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Hallo!

Zunächst möchte ich auf Deine direkte Frage eingehen:

1.) nein, es ist nicht üblich, für ein Praktikum nichts zu bezahlen.

2.) wer ein ordenltiches Einstiegsgehalt nach dem Studium wünscht, sollte dafür auch etwas bieten können. Was soll man in der Firma mit einem Uni-Absolventen anfangen, der absolut keine Ahnung vom betrieblichen Alltag (auch die ganz kleinen Dinge können wichtig sein) hat, aber 50.000 Euro und einen Firmen-BMW fordert…? Ein Praktikum ist also sehr empfehlenswert, wenn ich die Wahl zwischen zwei Bewerbern habe, einer mit einem 1er Abschluß und ohne Praktikum, der andere mit einem 3er und mit Praktikum, hat instinktiv der letztere die besseren Chancen.

Des weiteren halte ich persönlich es für eine absolute Unverfrorenheit seitens einzelner Unternehmen, Praktikantenplätze ohne Bezahlung anzubieten. Jeder Gewerkschaftkommunist kann pro Jahr nach 3% mehr Geld schreien, die hochqualifizierten Nachwuchskräfte jedoch werden behandelt wie Dreck. Das kann nicht sein und ich empfehle, solcher Praxis nicht vorschub zu leisten und das Praktikum woanders abzuleisten. Gerade Studenten können mit 300 Euro pro MKonat schon einiges anfangen, weshalb also nicht wenigstens ein bisschen was bezahlen? Wir beispielsweise erwarten von unseren Praktikanten vollen Einsatz, sie bekommen qualifizierte Aufgaben und erhalten dafür ca. 600 Euro.
Nur leider sind wir momentan schon besetzt.

Grüße,

Mathias

Hallo Stefan,

es gibt für Praktika bezüglich Ablauf und Bezahlung keine festen Regeln.

Aber:

Viele Studenten verfügen über Spezialwissen.

.
.

Innovative Unternehmen sehen Praktikanten dagegen als
Know-How-Träger…

Ein Gymnasiast, von mir aus auch mit einer abgeschlossenen Lehre und dem elementaren Wissen des Grundstudiums, verfügt i. d. R. über kein Know-how. Das erarbeitet er sich - vielleicht - in ersten Ansätzen während seiner Diplomarbeit oder Dissertation. Natürlich gibt es Ausnahmen, insbesondere bei Studierenden mit einschlägiger Berufserfahrung.

Ansonsten gehört es zu den Zielen eines Praktikums, dem Studenten eine Vorstellung der Anwendbarkeit seiner erlernten Grundlagen zu vermitteln. Die Erwartungshaltung, der Praktikant könne besonderes Wissen in den Betrieb einbringen, geht in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle an der Realität vorbei. Solche Erwartung überfordert regelmäßig sogar die fertig ausgebildeten Hochschulabsolventen. Das gilt für Betriebe aller Größenordnungen, wieder mit den stets möglichen Ausnahmen.

Gruß
Wolfgang

Hallo Dirk,

gehe ich richtig der annahme,das du, wie ich, aus der sicht
eines Einstellenden beobachtest?

Gehe ich richtig der annahme, das das was heute Studierender
nennte und ein praktika absolviert - damals die dringend
benötigte UND erfolgreich absolvierte Praktische
Lehrausbildung - darstellt?

ja, ich schrieb aus der Sicht des Einstellenden. Aber nicht nur, denn schließlich war ich früher selbst Student.
Im übrigen kann und soll das Praktikum keine Lehre ersetzen. Vielmehr fehlt dem durchschnittlichen Studierenden nach Abitur und ein paar Semestern Grundstudium der Praxisbezug. Diesen Bezug soll das Praktikum herstellen. Es nicht das Ziel wie bei einer Lehre, dem Azubi Fertigkeiten zu vermitteln, von denen er fortan seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.

Ich muß jedoch auch leider feststellen, das viele Arbeiten,
die früher Gelernte machten, heute kostenlose Praktikanten
machen…

Es ist nicht zu vermeiden, daß Beteiligte das System mißverstehen.

Gruß
Wolfgang

hallo

ich möchte gerne wissen,
ob
es mittlerweile allgemeine Praxis geworden ist, das
„studierende“ Personen, die also mehr als 10 Jahre Schule
gemacht haben und weiterhin geschult werden wollen… während
dieser Zeit Praktika nachweisen müssen… und dabei ihre
Leistungen für UMSONST darbieten.
Wenn ja bitte welche arbeiten führen sie aus und wie lautet
das Ausbildungs(Studium)-Ziel?

Die Praxis hängt meiner Erfahrung nach von dem Studienfach ab:
Magisterstudenten (Kunstwissenschaft, Geschichgte etc.) kennen bezahlte Praktika nur vom Hörensagen. Manchmal ist das Gästezimmer (=Logis) kostenlos, aber sonst…
Ing.'s und Naturwissenschaftler haben meist bis zum Vordiplom schlechte Karten im Bezug auf Bezahlung, danach kommt man meiner Erfahrung nach mit +/- 0 raus (Fahrtkosten, Miete, sonst. Extraaufwand = Praktikumsvergütung). Etwas lukrativer sind sog. Werkstudentenverträge. Bei grossen Firmen scheinen die in den Tarifverträgen geregelt zu sein. Der Stundenlohn entspricht etwa der einer gelernten Sekretärin.

Tschuess Marco.