Hallo Nadine,
das ist eine noch halbwegs zahme Differenz, da gibt’s noch ganz andere Kalkulationsabweichungen.
Grundsätzlich gilt: der Antiquar, der den Preis festlegt, siedelt diesen natürlich irgendwo oberhalb seiner Unkosten (Einkaufspreis + Unkostenzuschlag) an. Andererseits wird er keinen Preis festlegen, den er nicht erzielen zu können glaubt, denn die letzte und entscheidende Rechtfertigung für einen Preis heißt natürlich: jemand bezahlt ihn (das ist der Punkt, wo Hannes’ Beitrag relevant wird…).
Kriterien für die Festlegung eines Preises bei alten Büchern können sein:
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Einkaufspreis des Buches, Anzahl vorhandener Exemplare
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Alter und Zustand des Werkes
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Qualität der Aufmachung (Einband, Bindung, …)
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Besonderheiten (Erstauflage, Signatur, …)
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Häufigkeit des Werkes (Auflagenhöhe)
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Bekanntheit des Autors, des Verlages, der Buchreihe
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Häufigkeit der Verkaufsangebote bei anderen Antiquariaten
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Nachfrage nach dem Thema des Werkes (insbesondere bei der dem Antiquar bekannten eigenen Kundschaft: ein Fachbuch mag in einem entsprechend spezialisierten Antiquariat teurer sein als das gleiche Buch in einem völlig anders ausgerichteten Antiquariat, bei dem dieses Fachbuch in der Ecke für „Unsortiert & Sonstiges“ steht).
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Wie schnell möchte er das Buch loswerden? (Ein Antiquar, der sehr bestrebt ist, sein Lager zu verkleinern, kalkuliert ein neu eingetroffenes Buch dann sicherlich anders, als er das zu einem Zeitpunkt täte, zu dem er genug Platz und anderen Umsatz hat, um sich sagen zu können „Was soll’s, liegt’s eben noch ein Jahr länger hier“.)
Es gibt sicher noch anderes, aber das dürfte wohl das Wichtigste gewesen sein.
Insgesamt gibt es natürlich bestimmte Kriterien, die jeder bewanderte Antiquar ungefähr gleich einstufen wird (seltene Erstauflage, Autorensignatur, Goldprägung, gesuchtes Thema, etc.), aber letzten Endes hängt alles sehr von der persönlichen Beurteilungskompetenz des Antiquars ab, und die kann auch schonmal völlig aussetzen, z.B. weil ein Antiquar einen alten DB-Fahrplan nunmal partout für ein Sammlerstück hält. Wenn er dann tatsächlich einen findet, der ihm das Ding für teuer Geld abnimmt, hat es sich für ihn schon wieder gelohnt.
Wenn Du also ein Buch zu extrem verschiedenen Preisen angeboten findest, bedeutet das keineswegs, dass das teurere Buch in jedem Fall das besser erhaltene ist. Vergleiche ganz genau die Zustandsbeschreibungen, denn ab und an finden sich dort versteckte Hinweise, die für Dich vielleicht klare k.o.-Kriterien sind: dilettantisch geflickter Einband, ausgelöste Bilder, starke Bearbeitungsspuren o.ä.; ansonsten hängt Deine Kaufentscheidung eben schlicht von der Frage ab: will ich’s zu dem Preis haben, völlig egal, ob ein Typ namens Goethe schon Kram reingekritzelt hat…
By the way: genau diese Ungewissheit, nicht vielleicht doch einen vom Antiquar völlig unterbewerteten Schatz zu entdecken, treibt seit Jahren nicht nur mich immer in die hintersten Ecken und an die untersten und obersten Fächer der abgelegensten Regale …
Beste Grüße,
Pengoblin