Hallöchen,
Warum führen die deutschen Reiseveranstalter gerade jetzt den
Kerosinzuschlag bei Flugreisen ein?
Das hat zwei Gründe: Erstens braucht es dafür eine Akzeptanz beim Kunden. Steigt der Ölpreis heute, wird man morgen kaum die Spritpreise erhöhen können. Erst wenn der steigende Preis hinreichend oft durch die Medien vermittelt wurde, ist das möglich.
Zweitens ist der Reisemarkt nicht so strukturiert wie der Wochenmarkt. Es gibt Verträge zwischen Veranstaltern und Fluggesellschaften, die es nicht zulassen, wegen zwei Cent höherem Kerosinpreis die vereinbarten Preise über den Haufen zu werfen. Die Fluggesellschaften haben Zuschläge bereits im Frühherbst erhoben, nun folgen eben deren nachgelagerte Vertragspartner.
Daß es überhaupt solange gedauert hat, bis die Ölpreisschwankungen bei den Gesellschaften angekommen sind, liegt daran, daß die sich üblicherweise gestaffelt gegen Preisschwankungen bei Dollar und Kerosin absichern. Bspw. ein Drittel des Jahresbedarfs auf ein Jahr, ein Drittel auf zwei Jahre und das letzte Drittel auf drei Jahre.
Es soll auch mal eine große deutsche Fluggesellschaft gegeben haben, die hat einfach mal 50% des Dollarbedarfes absgesichert und den Rest nicht. Das hatte sehr orignelle Folgen.
Wie auch immer: Der Ölpreis ist nun lange genug hoch, so daß der gestiegene Preis allmählich durchschlägt, weil nämlich nun die einjährigen Absicherungen auslaufen, die man letztes Jahr noch abgeschlossen hatte bzw. die zweijährigen von vor zwei Jahren usw. Inzwischen ist eine Absicherung zu einem Preis von 30$ je Barrel nicht mehr zu bekommen bzw. nicht mehr zu bezahlen.
Müssten die Preise an den Tankstellen nicht deutlich stärker
fallen? Clever-tanken.de meldet für Normalbenzin eine
Schnittpreis auf Bundesebene von 112,1 Cents, für Super von
114,1 Cents. Vor einem Monat standen wir bei 116 Cents
(Normal) und 120 Cents (Super).
Das ganze ist eine Mischkalkulation und außerdem besteht das o.g. Problem der Akzeptanz. Geht der Benzinpreis sofort rauf, wenn die Ölpreise an den internationalen Börsen steigen, sagt die Kundschaft zu recht, daß das teure Öl noch nicht im Hahn sondern irgendwo im Tanker ist. Fällt der Ölpreis will man sofort billigen Sprit, obwohl der billige eigentlich noch im Tanker ist. Hinzu kommt auch, daß man sich auf allen Produktions- und Veredelungsebenen gegen Preisschwankungen absichert. Auch das führt dazu, daß sich die Preise nicht so bewegen, wie sich das der Bürger so vorstellt.
Ob da am Ende noch ein Cent mehr mitgenommen wird, als man am Anfang des Preisanstiegs draufgelegt hat, werden wir nie erfahren.
Müssten sich rohstoff-/erdöl-abhängige Unternehmen, deren
Hauptgeschäft sich im EU-Raum abspielt, nicht die Hände
reiben?
Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Tankstellenbetreiber Hans Meier ordert bei http://www.spritgrosshandel.oel seinen Bedarf für die 50. KW, wobei ihm ein Preis von € 1,06 genannt wird. spritgrosshandel.oel tigert los und ordert den Sprit für Meier und 722 andere Tankstellenbetreiber bei http://www.nymex.com zahlt in Dollar und macht nen Riesenschnitt.
Ist es so einfach? Ich behaupte einfach mal nein. Zum einen gibt es das abstrakte Gebilde „Preis“ nicht. Es gibt Spotpreise (Lieferung „sofort“), Terminpreise (Lieferung „irgendwann“), es gibt verschiedene Sorten, es gibt Preise für ÖL, Benzin uns Zwischenprodukte usw. Auf dem Markt agieren Produzenten, Rohstoffhändler, Verarbeiter, Großhändler, Endabnehmer usw. Außerdem unterliegt der Markt den Schwankungen, denen jeder Markt unterworfen ist. Steigt der Preis in Dollar zu hoch, läßt die Nachfrage aus dem Dollarraum nach, fällt der Dollar ggü. dem Euro stärker als der Ölpreis in Dollar steigt, steigt die Nachfrage aus dem Euroraum usw.
Im übrigen ist es nicht so, daß aus einem Loch von BP Rohöl sprudelt, das von BP-Schiffen zu BP-Raffinerien und dann mit BP-Tanklastzügen zu BP-Tankstellen gebracht wird. Natürlich gibt es im Zweifel eine zentrale Steuerung, aber die einzelnen Unternehmen stehen mit Schwestergesellschaften wie auch mit konzernfremden Unternehmen in Konkurrenzdruck, so daß von außen absolut nicht zu sagen ist, wo das Geld hängen bleibt.
Ist dieses System von nachgebendem Ölpreis und starkem Euro
gegenüber dem Dollar eine Konjunkturrakete oder eine
Konjunkturbremse (die Unternehmen jammern ja bekanntlich schon
wieder über den starken Euro)?
Wer dazu ernsthaft was sagt, rät oder lügt. Man kann vielleicht mit etwas Wagemut eine Aussage dazu treffen, ob eine Branche be- oder entlastet wird. Mehr ist nicht drin.
Gruß,
Christian
P.S.
Der Terminpreis für 2006 liegt übrigens bei etwa 40 Dollar. Billiger wird es in absehbarer Zeit wohl nicht, denken jedenfalls die Marktteilnehmer.