Eine Geschichte
Hallo
Es könnte sein, dass es manche als ungerecht empfinden, wenn
sie mit mehreren anstrengenden Jobs nicht über die Runden
kommen, während andere, die einen recht lockeren und
angenehmen Job haben und auch nicht mehr können als sie, sich
dumm und dämlich verdienen.Du meinst das gute, alte Neid-Gefühl?
So kann man es natürlich auch nennen.
Du willst doch nicht behaupten, dass Leistung und Bezahlung
immer miteinander in direkt proportionalem Zusammenhang
stehen.Definiere Leistung.
Es gibt ja die physikalische Definition, wonach (soweit ich mich erinnere) Arbeit ein Produkt aus einer Masse und dem Weg, den diese Masse fortbewegt wurde, bildet. Bei der Leistung kommt irgendwie noch der Zeitfaktor hinzu, ich glaube Arbeit geteilt durch Zeit (dann ist Zeit ja aber eigentlich kein Faktor, sondern Divisor).
Ich finde diese Definition auch im Wirtschaftlichen ziemlich passend.
Wenn ich zum Beispiel einen riesigen Haufen Müll, der sich vor meiner Haustür befindet, vor deine weit entfernte Haustür bewege, ist das eine Menge Arbeit. Wenn ich das sehr schnell mache, ist das eine große Leistung.
Natürlich ist hier fraglich, wer mir das hier bezahlen soll. Du wirst es wohl eher nicht tun wollen. Jemand anders aber wahrscheinlich auch nicht.
Aber vielleicht findet sich jemand, der mich dafür bezahlt, wenn ich den Müll, der sich vor seiner Haustür befindet, schnell vor deine Haustür befördere, was ich dann auch tue.
Im Moment ist noch nichts wirklich Sinnvolles geschehen, es hat aber eine Leistung stattgefunden, die angemessen bezahlt wurde.
Jetzt bekomme ich von immer mehr Nachbarn den Auftrag, deren Müll von deren Haustüren vor anderer Leute Haustüren zu schaffen. So schnell kann ich diese Müllmengen jedoch nicht von der Stelle bewegen, dass ich das alles schaffen kann. Ich nehme aber trotzdem alle Aufträge an, denn ein anderer Nachbar hat sich bereits ebenfalls bereit erklärt, Müllmengen fortzuschaffen. Und das passt mir nicht.
Damit es völlig unmöglich wird, dass dieser Kerl mir Konkurrenz macht, führe ich mit Hilfe meines besten Freundes, dem Bürgermeister, die Regel ein, dass jemand, der Müll fortschaffen will, erst einen Müllfortschaffungsschein vorlegen muss, für den eine ziemlich hohe Gebühr erhoben wird - höher, als er sie aufbringen kann. Ich kann es aufgrund der eben eingenommenen Gelder bezahlen.
Ferner muss ab jetzt eine komplizierte Buchhaltung gemacht werden, die dieser Kerl niemals alleine hinkriegen kann, außer er nimmt sich dafür so viel Zeit, dass er nicht mehr dazu kommt, irgendwelchen Müll fortzuschaffen. Ich bin mit dem Erfinder dieser komplizierten Buchhaltung befreundet (ein Bruder des Bürgermeisters), und kann es deswegen leicht schaffen, zumal er selbstverständlich an meinen Gewinnen beteiligt wird.
Besagter Kerl braucht jedoch dringend Geld, und macht großes Theater, weil er angeblich keine Chance auf Arbeit hat. Ich bin jetzt sehr freundlich zu ihm und biete ihm eine Arbeitsstelle bei mir an. Er darf jetzt auf meine Rechnung den Müll meiner anderen Nachbarn vor deine Haustür schaffen. Ich bekomme dies von meinen Nachbarn bezahlt und gebe diesem Kerl davon etwa ein Zehntel.
Auf die Dauer kommen immer mehr Nachbarn, die Geld brauchen und für ein geringes Gehalt den Müll meiner anderen Nachbarn vor deine Haustür schaffen.
Du hast inzwischen natürlich nicht tatenlos mitangesehen, wie die Müllberge vor deiner Haustür anwachsen, sondern ebenfalls ein Unternehmen gegründet, das zunächst deinen und dann deiner Nachbarn Müll von euren Haustüren vor unsere Haustüren schafft. Du bezahlst deine Mülltransporteure ähnlich wie ich, mit einem zehntel von dem, was du dafür bekommst. Auch du bist mit eurem Bürgermeister befreundet.
Wir selber transportieren eigentlich gar nichts mehr, sondern passen nur auf, dass alles läuft, und dass wir unser Geld bekommen.
Plötzlich wollen die Mülltransporteure mehr Geld für ihre Arbeit. Das darf nicht sein, da sie dann eventuell in die Lage kommen könnten, sich einen Müllfortschaffungsschein zu beschaffen und eine Buchhaltung bezahlen zu können. Dann könnte es ja ganz schnell passieren, dass wir ausgebootet werden. Also machen wir diesen Leuten klar, dass wir auf sie nicht angewiesen sind, und entlassen schon mal die größten Meckerfritzen von ihnen.
Diejenigen verhungern jetzt aber nicht etwa, sondern bekommen Hartz 4. Das ist schade, denn sonst wären sie bestimmt ein äußerst abschreckendes Beispiel für die anderen Mülltransporteure gewesen.
Damit sie uns nicht gefährlich werden können, setzen wir jetzt erstmal mit Hilfe unserer Freunde, den Bürgermeistern, durch, dass die Finanzierung des Hartz 4 ausschließlich durch Steuern passieren soll, die ausschließlich die Mülltransporteure von ihrem wenigen Geld bezahlen.
Diese Tatsache wird durch unsere nun seit neuestem erscheinende Müll-Zeitung immer wieder herausgestellt. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass unsere Mülltransporteure die arbeitsunwilligen Hartz 4 Empfänger mitfinanzieren müssen. Natürlich werden die Mülltransporteuere auf die Dauer sauer auf die Hartz 4 Empfänger, und fürchten nichts mehr, als zu dieser von allen verachteten Art gehören zu müssen.
Wir dagegen sind als die größten Arbeitgeber unserer Städte hochgeachtet. Klar gibt es auch Neider, aber die kann man mit dem Argmument „Sozialneid“ sehr schnell abkanzeln. - Es gibt zwar immer wieder Leute dazwischen, die den Sinn unserer Bemühungen ingesamt anzweifeln, aber das sind nur blöde Gutmenschen und Weltverbesserer. Schließlich schaffen wir Arbeit.
Entschuldige, ich habe deine Fragen nicht richtig beantwortet, aber diese Geschichte fiel mir gerade so ein.
Übrigens kann ich speziell zu Frankreich eigentlich nicht viel sagen, dafür weiß ich zu wenig über die Franzosen.
Viele Grüße
Thea