Hallo,
mir geht es um das Problem der Bergpredigt, und zwar wie diese zu verstehen ist. Also welche Botschaft genau wollte uns Jesus vermitteln?
Obwohl ich kein Theologiestudent bin, habe ich mich in einigen theologischen Buechern kundig getan und einiges herausgefunden:
Eine problematische Stelle, die schon so manchen glaeubigen zur Verzweiflung gebracht hat ist:
Matthaeus 18,9: Und wenn dich dein Auge zum Abfall verführt, reiß es aus und wirf’s von dir. Es ist besser für dich, daß du einäugig zum Leben eingehst, als daß du zwei Augen hast und wirst in das höllische Feuer geworfen.
Wie ist das zu verstehen? Wenn man die Stelle woertlich nimmt ergeben sich ernsthafte Probleme. Will Mann sie relativieren kann man schnell als verwaesserer der christlichen Botschaft verurteilt werden. Nun die Loesung fand ich in einem Theologiebuech(ungeloeste Probleme folgen unten). Und zwar erklaert sich die Stelle dadurch, das Jesus hier auf ein sprachliches Mittel zugreift, das damals in der Gegend benutzt wurde. Es geht darum durch eine bis zum Absurdem uebertriebenen Behauptung eine Botschaft zu vermitteln(anwesende Experten bitte den Namen dieses sprachlichen Mittels nachtragen, ich weiss ihn nicht). Jesus wollte die Ernsthaftigkeit des Kampfes gegen die Suende verdeutlichen, die Worte waren also nicht woertlich gemeint.
Jetzt zu den ungeloesten Problemen:
Matthaeus 5,38: Ihr habt gehört, daß gesagt ist (2. Mose 21,24): «Auge um Auge, Zahn um Zahn.» 5,39 Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar. (a) (b) © (d) 5,40 Und (a) wenn jemand mit dir rechten will und dir deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel. (b) 5,41 Und wenn dich jemand nötigt, eine Meile mitzugehen, so geh mit ihm zwei. 5,42 Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.
Aus den gleichen Gruenden wie oben gennant ergeben sich hier die Schwierigkeiten nach dem Dipol: woertlich nehmen x relativieren. Uebrigens muss ich hier den Nicht-experten gegenueber betonen dass ich nicht der einzige bin der mit dieser Stelle Schwierigkeiten hat. Das theologische Problem der Bergpredigt ist Kennern ein Begriff und viele bekannte Theologen haben sich damit ohne endgueltigem Ergebnis auseinandergesetzt, so z.B. auch Luther. Wenn man sich in Theologiebuechern kundig macht, wird man schnell feststellen das es verschiedene Ansichten und Deutungen zu den Worten Jesu gibt. Ich habe einiges gelesen, aber keine der Erklaerungen war meiner Meinung nach befriedigend.
Derjenige der(so wie viele die ich kenne) sich die Sache einfach macht indem er sagt „man nehme es woertlich, ohne Kompromisse, etc…“ sei auf Johannes 18,22 verwiesen: Als er so redete, schlug einer von den Knechten, die dabeistanden, Jesus ins Gesicht und sprach: Sollst du dem Hohenpriester so antworten? 18,23 Jesus antwortete: Habe ich übel geredet, so beweise, daß es böse ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?
Meine Erklaerung:
Persoenlich bin ich zu folgender Auffassung gekommen: Jesus bedient sich des gleichen sprachlichen Mittels, wie bei der Stelle wo es um Augenausreissen ging. Es ist klar das die Bergpredigt absurdes verlangt und von daher nicht woertlich genommen werden will(meine Meinung). Auch Jesus hat dies nicht getan wie in Johannes 18,22 eindeutig belegt ist. Konsequenterweise muss ich annehmen, das Jesus hier von der Naechstenliebe und/oder Vergeltung sprach. Es geht um verzicht auf Rache und auch darum gutmuetig gegenueber seinem Naechsten zu sein, selbst wenn dieser einen schlecht behandelt (hat). NICHT gemeint ist dagegen dass man von nun an auf alle Gegenwehr verzichten muss, und sich alles von jedermann gefallen laesst.
Auch auf ein generelles Gewaltverzicht kann man daraus nicht schliessen(wie es Ghandi faelschlicherweise getan hat). Hierzu sei auch verwiesen auf:
Matthaeus 21,12 : Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler …
Also, Jesus kein absoluter Gegner der Gewalt.
Meine Fragen:
- Wie sind die Worte Jesus zu verstehen, was war die Botschaft?
- Gab es in der Theologie mittlerweile einen „Durchbruch“ der zur Loesung dieser Probleme gefuehrt hat(loesung des theologischen Problems der Bergpredigt)?
- Gibt es irgendwelche Belege die darauf hinweisen dass, es sich tatsaechlich um das selbe sprachliche Mittel wie bei der Stelle vom Augenausreissen handelt? Eventuell muss hierzu auch der Quelltext in betracht gezogen werden.
- Warum wird nicht ernsthafter danach geforscht, wo es sich doch um eine zentrale Stelle fuer alle Christen handelt?
- Wo kann ich noch mehr hilfe bekommen, welche Experten sind weltweit an der Spitze der Forschung?
Nur noch eine Bemerkung am Ende: bei Diskussionen mit anderen Christen habe ich des oefteren festgestellt das argumentative Kunststuecke unternommen werden um die widersprueche verschwinden zu lassen. So sagen manche wenn es um die Ohrfeige in Johannes 18,22 geht z.B. „in Wahrheit wollte Jesus ihn durch seine Worte nur zur Einsicht und zum Bewusstsein seiner Suende bringen. Insofern hat sich Jesus nicht im eigentlichen Sinn gewehrt, sonder eine Tat der Liebe unternommen die daraufhin abzielte den Anderen vor dem ewigen Verderben zu retten, etc…“
Natuerlich bleibt es jedem ueberlassen die Bibel auf seine weise zu interpretieren, und ich habe zu verschiedenen Bibelstellen schon die unmoeglichsten und jeder Vernunft widersprechenden Erklaerungen gehoert. Und jeder kann immer behaupten, „Tja, wer sagt denn, dass ausgerechnet DEINE Erklaerung richtig ist, ich finde MEINE erklaerung viel besser…“.
Ich denke einfach, Gott hat uns EINE Botschaft zu vermitteln. Und diese gilt es herauszufiltern. Hierzu sollen uns hoffentlich unsere Vernunft und gemeinsame Bemuehungen helfen. Es wird natuerlich immer eigenwillige Menschen geben die es auf ihre Art verstehen wollen und die auch jahrhunderte Theologiewissenschaft einfach unter den Teppich kehren…