Zusammenfassung für Lesefaule oder Personen mit wenig Zeit:
junger Mann baut sich einen 3D-Drucker-Bausatz zusammen
das Gerät verursacht ein Feuer
junger Mann stirbt
Hinterbliebene verklagen Alibaba und den Hersteller des Gerätes
Doch nun zu meinen Fragen, wie schon geschrieben, sind sie hypothetisch und es geht mir um deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Annahme 1:
Hersteller des Bausatzes ist eine deutsche Firma
zu dem Bausatz gehört eine Elektronikbox -
das Netzteil darin ist laut Aufkleber CE-gerecht
die Steuerelektronik befindet sich ebenfalls im Gehäuse
das Gehäuse besitzt keinerlei Kennzeichnung für Schutzmaßnahmen
Kunde kauft über eine Vertriebsplattform wie eBay oder Amazon
Kunde baut den Bausatz selbst zusammen
die Geschichte nimmt das selbe Schicksal wie der oben beschriebene Fall
Auslöser ist eine Baugruppe, die vormontiert ist und elektrisch nur in eine Buchse am Gehäuse gesteckt werden muss
Verursacher sei ein Fehler im Design, dass dazu führt, dass ein Defekt in einem Heizer zu stetig steigender Temperatur aber keiner Notabschaltung führt
Besteht für solch einen Bausatz, in diesem Fall eine Produkthaftung des Herstellers? Wie hoch sind die Aussichten, dass eine Klage auf Schadenersatz erfolgreich sein könnte? Hätte eine Klage gegen den Vertriebskanal einen Erfolg?
Annahme 2
wie bei erstens, nur sei jetzt der Hersteller eine chinesische Firma, ebenso der Vertriebskanal
Kann man in Deutschland Klage gegen einen von beiden erheben? Oder müsste man diese Firmen in China verklagen?
Bonusfrage: ich meine mich zu erinnern, dass es in Bezug zu Corona Klagen in den USA durch Deutsche gegen Deutsche geben sollte. Erinnere ich mich richtig, dass das nicht geht? Erinnere ich mich aber richtig, dass US-Amerikaner Deutsche in den USA verklagen können?
es gibt in der Regel einen „Inverkehrbringer“, an den man sich hält.
Und es gibt die Produkthaftung, die man bemühen kann. Ist das Teil in China bestellt und von da ohne Zwischenstop an den Besteller geliefert, ist das Durchsetzen von Forderungen schwierig.
Inwiefern das Produkt, ein Bausatz, der zum Zusammenbau durch unterschiedlich qualifizierte Personen angedacht ist, durch die Arbeiten der jeweiligen Person verändert ist, werden Gerichte entscheiden, die sich dann eines oder mehrerer öffentlich bestellter (und u.U. vereidigter ) Sachverständigen bedienen. Das wird dann regelmäßig lustig.
Bausätze unterliegen anderen Bestimmungen als Fertigprodukte.
Oft genügt in der Bedienungsanleitung der Sicherheitshinweis: Gerät nicht ohne Aufsicht betreiben.
Wie das manchmal in den USA gehandhabt wird und klagefreudige Anwälte schnell zur Stelle sind weiß man ja.
Leider erfährt man aus dem Artikel nicht, wie es zu dem Brand kam.
Grobe Fahrlässigkeit?
Druckaufträge können durchaus mal etliche Stunden dauern, wenn man sich dabei schlafen legt…
Das wird den ausschlaggebenden Punkt bilden. Inwiefern dem Nutzer diese nachgewiesen werden kann, oder der Inverkehrbringer unter Beweis zu stellen vermag, dass sein Produkt(*) im Allgemeinen und im speziellen Fall so beschaffen war, dass von ihm keine Gefahr ausgeht, dürfte nachher das Rückgrat für alle zivil- und strafgerechtlichen Entscheidungen bilden.
Ob und inwiefern eine Klage beim Hersteller und Inverkehrbringer, wenn er in einem überseeischen Gebiet wie der Volksrepublik China ansässig ist, angestrengt werden kann und diese Aussicht auf Erfold bietet, müsste ein Rechtsanwalt beantworten, der sich mit Internationalem Schadensersatz- und Wirtschaftsrecht auskennt.
(*) Produkthaftung. 10 Jahre lang. Hat nichts mit der Gesetzlichen Gewährleistung oder einer wie auch immer gearteten „Garantie“ zu tun.
Inzwischen kreist in Facebook-Gruppen zur Hersteller-Firma , ebenso in der Kommentar-Spalte des Standard.at das Gerücht (man beachte bitte meine vorsichtige Formulierung) dass wohl ein Fehler in der Open-Source-Firmware, die der Verstorbene eingesetzt hat, ursächlich sein könnte. Es wird behauptet, dass der Mann „Marlin“ zur Steuerung des Druckers nutzte (eine nachträglich oft installierte Firmware), bei der aber die Funktion „Thermal Runaway Protection“ ausgeschaltet gewesen sein soll. (Angeblich sei das die Grundeinstellung.)
Diese Schutzfunktion überwacht, ob die Temperatursensoren einen Anstieg der Temperatur verzeichnen, wenn Energie auf die Heizelemente gegeben wird. Kommt es zu keinem Temperaturanstieg, schaltet die Firmware den Heizer ab und meldet einen Fehler. Das funktioniert theoretisch auch später im Betrieb, weil sich zum Beispiel der Sensor gelöst hat und die Raumluft misst. Wenn diese Funktion aber deaktiviert wird, geht so viel Energie, die die Steuerelektronik und das Netzteil abgeben können, in das Heizelement. Und irgendwann hat eines der Bauteile in der Nähe seine Zündtemperatur erreicht…
Hier mal ein Link zu einem englischsprachigen Forum mit Erklärung und Bild.
Es kursieren aber auch Behauptungen (Achtung, wieder vorsichtige Formulierung von mir), dass die verbauten Netzteile in der Vergangenheit öfter in Flammen aufgegangen sein sollen und dass wohl schon Klemmstellen Feuer gefangen haben sollen, weil verzinnte Litze-Leitungen in Klemmstellen verschraubt wurden, was bekanntlich keine gute Idee und deshalb in Deutschland auch nicht gestattet ist. (Soweit mir bekannt)
Sollte der Unfall auf der fehlenden Aktivierung der Schutzfunktion beruhen, würde zumindest in Deutschland, so denke ich mir das als Laie des Rechts zumindest, ins Leere laufen.
Wäre allerdings die verzinnte Leitung in der Klemmstelle (im geschlossenen Gehäuse) die Ursache, könnte das in Deutschland schon anders aussehen. Wobei natürlich die Klage in China das Problem wäre.