Hallo Desperado,
ich glaube, ein BWL Absolvent stellt diese Frage hier nicht, um die Grundlagen eine Unternehmensbewertung erklärt zu bekommen - oder?
Stellt sich die Frage, warum Du diese Frage hier stellst und was Du wirklich wissen willst.
Denken wir mal positiv und glauben, Du willst es wirklich wissen. Viele auch wirtschaftlich gut ausgebildetete Menschen können ja nach wie vor nicht verstehen, warum Aktien steigen und fallen (sonst wären alle reich - oder - interessante Frage, würde wohl auch nicht so funktionieren?). Also vielleicht weiß es ja jemand anderes.
Ich würde das Ganze mal einfach Chaosforschung nennen. Wie bekannt, gibt es ja in jedem Chaos auch Ordnung. So auch hier. Es fehlt dem Menschen nur oft die Zeit oder der Überblick, diese Ordnung in ihrer Komplexität zu erfassen. Also nimmt man den Computer zu Hilfe (mal mit mehr mal mit weniger Erfolg - denn der kann auch nur die Daten und Ja/Nein-Befehle verarbeiten, mit denen er gefüttert wird).
Der Analyst ermittelt den „wahren“ Nettozeitwert des Unternehmens pro Aktie und versucht dann die Zukunft zu erkennnen und in den KÜNFTIGEN Wert einzurechnen. Soweit so gut. Alleine den AKTUELLEN Nettowert eines großen Unternehmens zu ermitteln, ist nur mit Näherungswerten möglich. Stille Reserven und stille Lasten ist das Thema (Du weißt ja was ich meine
). Das mag manchmal nicht so entscheident sein, in anderen Fällen führt es zum Kollaps (siehe viele der großen Insolvenzen weltweit). Was aber beeinflusst alles die Zukunft des Unternehmens (zumal in einer sich immer schneller wandelnden Zeit…).
Also die Branche des U. muss man kennen und die indirekten Effekte auf diese Branche und die nationale und zunehmend auch internationale politische Entwicklung, Löhne, Energie, Immobilienpreise, Rohstoffpreise, Lieferengpässe, Kapitalkosten, Steuern, Geldmengensteuerung etc etc etc.
Selbst wenn wir das alles vorausahnen könnten, bleiben weitere Effekte:
Wie schätzen ANDERE (sowohl die, die unsere Aktie bereits haben, als auch die die die Akie noch nicht haben) die Entwicklung ein und gibt es bessere Alternativen (also die Entwicklung aller anderen Anlagemöglichkeiten - unmöglich das zu wissen), denn was nützt es mir, wenn ich mit der persönlichen Einschätzung zu einem inneren Wert vielleicht richtig liege, aber die Welt zur Zeit auf die „Supersexy-Anlagen“ springt. ich könnte zwar sagen, irgednwann müssen die alle MEINEN richtigen Wert doch auch sehen, bis dahin ist der aber vielleicht wegen einer neuen Zukunftseinschätzung wieder -
ganz anders 
Und dann noch die Meinungsmacher (Großinvestoren, Hedgefonds, Banken, Fachpresse) sowie die Dominoeffekte aus den Computerprogrammen (stopp-loss-Domino). Deren Meinungsmache kann ja drei Gründe haben: Unternehmen GUT reden, weil sie selbst (bzw ihre wichtigen Kunden) kaufen oder halten (oder passende Optionen laufen haben), U. schlecht reden, weil sie günstig kaufen wollen (bzw passende Optionen laufen haben) oder möglichst den Kurs unverändert halten (weil sie entsprechende Optionen haben, an denen sie bei unverändertem Kurskorridor verdienen). Außerdem sind dann auch noch die Realisierung der mehr oder weniger falsch gelegenen Future-Optionen zu berücksichtigen.
Ach ja und die Chartanalysten nicht zu vergessen. Selbst wenn diese ganze Kurvendiskussion Blödsinn sein sollte, wenn viele daran glauben und entsprechend handeln, beeinflusst eben auch die Chartanalyse meinen Kurs…
Und nicht zu vergessen, wechselnde Entscheidungsträger in Vorstand, AR, HV des U. Es kann unvorhergesehen zu (mehr oder weniger erfolgreichen
) Fusionen und Übernahmen oder einfach relevanten Geschäftsentscheidungen kommen etc etc. - schon dieht die Zukunft wieder ganz anders aus. Oft kennen nicht mal die Käufer eines U. den wahren Wert dieses U.(sonst würden nicht soviele Fusionen in die Hose gehen), wie sollen wir ihn kennen für unsere nun zu modifizierende Berechnung??
Also lange Rede, wenig Sinn, wenn das keine „Chaosforschung“ ist, dann weiß ich nicht. Und natürlich das ideale Spielfeld für Menschen, die Psychologie und BWL kombinieren
(vor lauter Augenzwinkern bekomme ich hier noch nervöse Zuckungen), denn es sind eben viele Entscheidungen nicht offensichtlich RATIONAL (nach den Fakten des künftigen U.Wertes) nachvollziehbar, sondern unterziehen sich wohl einer anderen „Ratio“ der Psyche.
Ich könnte es jetzt noch komplizierter machen (wie zum Beispiel wieviel Erwartung des künftigen U.Wert ist in dem aktuellen Kurs schon drin und wenn ja WELCHE der erwarteten Effekte ist im Kurs schon drin und welche nicht?)
Also was bleibt?
Mit FingerspitzengefĂĽhl und know how und viel Arbeit versuchen da mitzumachen 8oder es lassen), mal mehr nach GefĂĽhl, mal mehr mit Arbeit.
Oder einfach denen nachlaufen, die es offenbar seit vielen Jahren richtig gemacht haben (ob das Glück war oder eine EINMALIGE Geschichte und was das für die Zukunft heißt, weiß niemand), wo wir dann bei Warren Buffet und Co wären.
Die Amis sagen dann eher keep it simple. Mach „einfach“ mal eine Bilanz dieses Unternehmens in X Jahren und schau Dir dann den U.Wert pro Aktie an und vergleiche ihn mit dem aktuellen Wert.
Also zum Ende Ă la Reich-Ranicki das Brecht Zitat
Und so sehen wir betroffen - den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Erfolgreichen GruĂź von
ikarusfly