Prüfung in Deutsch

Hallo,

ich habe mittlerweile Hinweise, wie meine schriftliche Examensklausur für das Lehramt in Deutsch aussehen soll.

Ich soll mich laut Angaben meines Profs mit der „deutschen Kurzgeschichte“ beschäftigen. Dazu nur die zwei Bücher von W.Bellmann: Klassische deutsche Kurzgeschichten lesen.

Er meinte, er stellt mir vier Fragen. Auf alle Fälle zur Entwicklung, Merkmale, Sprache, Stil etc.
Den Rest möchte er natürlich nicht verraten.
Ich habe nun das Problem, dass ich nicht genau weiß, auf welche Themenschwerpunkte der Kurzgeschichte ich mich vorbereiten soll.
Die Entwicklung, Merkmale etc. können ja nicht die einzigen Fragen in meiner Klausur sein.

Hat jemand Ideen oder eventuell eine Prüfung mit dem gleichen Thema gehabt und kann mir mitteilen, welche Fragen/Themen ich vorbereiten kann? Ich soll alles an Beispielen belegen.

Vielen Dank bereits jetzt.

habe ich das richtige brett erwischt?

Dazu nur die zwei Bücher von
W.Bellmann: Klassische deutsche Kurzgeschichten lesen.

Hallo Miriam,

ich würde an Deiner Stelle möglichst viele und möglichst verschiedene Kurzgeschichten lesen und unter den angedeuteten Gesichtspunkten durchdenken, vielleicht sogar jeweils ein knappes Exposé dazu anfertigen. Davon lässt sich bestimmt einiges als Beispiele in die Klausur einbringen. Und wenn Du Dir das aufhebst, hast Du auch schon wieder was für „später“.

Gutes Gelingen wünscht
H

Hallo Miriam,

habe ich das richtige brett erwischt?

Weiß ich nicht, ich schaue hier z.B. nur sporadisch herein. Egal.

Wenn man die Erwartungen und Anforderungen des Prüfers erfüllt, ergibt das nach landläufigen Kriterien eine gute Bewertung.
Will man eine sehr gute erreichen, muss man den Prüfer mit unerwarteten Gedanken oder Kenntnissen überraschen.

Folgende Anregungen hierzu:
Zunächst würde ich, Hannes’ Anregung folgend, die einzelnen Merkmale jeweils an einer besonderen Kurzgeschichte erläutern, um die Breite deiner Kenntnis zu zeigen.

Außerdem: Die Aufgabestellung und Ausführung auch kritisch erörtern und kommentieren:

  1. Bei der Darlegung der Merkmale der Kurzgeschichte handelt es sich um Gattungspoetik, die ist jedenfalls seit dem 18. Jhd. nicht normativ, sondern deskriptiv. Will für unser Beispiel sagen: Kurzgeschichten folgen nicht sklavisch einem Schema, sondern sind (literarische) Kunstwerke und als solche jeweils nach Form und Inhalt original. Die Gattungs-Merkmale sind also nur sehr allgemeine Zusammenfassungen und treffen auf die einzelne Geschichte immer nur mehr oder weniger zu.

  2. Die Besonderheiten der Gattung lassen sich am besten antithetisch verdeutlichen, durch den Vergleich mit einer anderen Gattung.
    Hier bietet sich vorzüglich die Novelle an.
    Nimmt man z.B. die Novelle „Michael Kohlhaas“ von Kleist, so folgt sie im Aufbau einem klassischen Drama:

  • Exposition: Beantwortung der fünf „W-Fragen“: Wer tut was (bzw. was geschieht mit wem) wann, wo, warum?
  • Steigende Handlung: Dem Kohlhaas widerfährt Unrecht, seine Frau findet den Tod, er übernimmt „das Geschäft der Rache.“
  • Peripetie: Wiederaufnahme des Verfahrens, Kohlhaas’ Verhaftung.
  • Fallende Handlung: Das Hin- und Her und die Kompetenzrangeleien um das Verfahren, Genugtuung und Verurteilung.
  • Katastrophe und Schluss: Kohlhaas wird hingerichtet, seine Söhne werden geadelt.

Das ist im Prinzip die Struktur einer Geschichte, bei der vermeldet wird, was sich auf einer Zeitachse zwischen einem Anfang und einem Schluss ereignet. Damit hat die Kurzgeschichte wenig Gemeinsamkeiten.

Legt man dieses strukturale Prinzip zugrunde, ist der Begriff „Kurzgeschichte“ eigentlich irreführend, richtiger wäre es, von einer Teilgeschichte oder einem Geschichten-Ausschnitt zu sprechen.
Ebenso irrig und paradox ist eigentlich die gängige Charakterisierung: „offener Schluss“. Ein Schluss ist dadurch gekennzeichnet, dass er geschlossen ist. Die Kurzgeschichte hat insofern in der Regel überhaupt keinen Schluss, sondern endet abrupt, „und alle Fragen bleiben offen.“

Die Aufzählung von stilistischen Merkmalen hat nur dann einen Erklärungwert, wenn sie funktional sind für die Erzählung im dialogischen Gefüge Autor-Text-Leser. Man kann hier - mit den gebotenen Einschränkungen - auch wieder im Gegensatz zur Novelle sagen: Durch den narrativen Stil und die in der Regel hypotaktische Syntax der Novelle stellt der Autor die logischen und Sinn-Verknüpfungen der Geschichte her, macht, wie die Strukturalisten sagen, aus dem „Geschehen“ eine „Geschichte“. Durch die parataktische Aneinanderreihung von knappen Sätzen, zumal, wenn sie nicht durch Konjunktionen verbunden sind (exemplarisch hierfür etwa: Borchert, Das Brot), liefert der Autor eher nur das Geschehen, den Sinnzusammenhang der Geschichte herzustellen bleibt dem Leser überantwortet.

In diesem Zusammenhang könnte die Beschäftigung mit dem Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit (z.B. bei Lämmert) und der strukturalistischen Zeitachse mit Geschichte und Subgeschichten erhellend sein.
Oder du machst dir mal die Mühe des kreativen Schreibens und machst aus einer Novelle eine Kurzgeschichte und aus einer Kurzgeschichte eine Novelle. Mit den Einsichten, die du dabei gewinnst, kannst du gut und gerne eine Klausur füllen. Ein jedes Geschehen lässt sich eben mehr oder weniger episch breit, durch erläuternde und parallele Subgeschichten, oder knapp erzählen.

Die knappste Kurzgeschichte, die ich kenne und bei der der Sinn nur durch die Vorstellungskraft des Lesers erschlossen wird, ist folgende:

Mr. Smith zündete Streichholz an, um nachzusehen, ob noch Benzin im Tank sei. Benzin war vorhanden. Alter: 56 Jahre.

Ich hoffe, dass ich nicht gelangweilt habe, sondern die eine oder andere Anregung geben konnte. Das weiß man hier bei solch offenen Fragen ja nie.

Grüße
oranier

Ich hoffe, dass ich nicht gelangweilt habe, sondern die eine
oder andere Anregung geben konnte. Das weiß man hier bei solch
offenen Fragen ja nie.

Hallo Oranier,

vielen Dank für deine Tipps. Ich habe mich nicht gelangweilt. Fand dies sehr aufschlussreich.

Danke
Miriam

Hallo nochmal,

kann mir jemand sagen, wo ich Definitionen zu den Typen der Kurzgeschichte finde?

Ich würde nämlich gerne wissen, was eine Augenblicks-, Überblendungskurzgeschichte, parabolische, satirische und reale Kurzgeschichte ist.

In der Sekundärliteratur finde ich diese Begriffe einfach nicht.

Wäre super, mir könnte jemand helfen:smile:

Danke

Hi, Miriam, ich hatte ebenfalls dieses Thema im schriftlichen Abi - ist aber schon 20 Jahre her.
Mein Lehrer hatte damals einen Lieblingsautor(daran zu erkennen gewesen, dass wir dessen Kurzgeschichten häufig lesen mussten :smile:. Auf den hatte ich mich dann spezialisiert und einen anderen dazu mitsamt einigen seiner Geschichten zum Vergleich gelesen.
Hier ist einiges aus dem Buch: Taschenbuch des Deutschunterrichts-Literaturdidaktik von Lange/Neumann/Ziesenis:
-Definition (kurze ep. Prosa-Zwischenform von Novelle, Skizze u. Anekdote, charakterisiert durch zielstrebige, lineare straffe und bewusste Komposition auf eine unausweichliche Lösung hin, die auf Erschütterung abzielt oder einen Lebensbruch bringt oder den Ausgang offen lässt. Zusammendrängung eines in sich gerundeten Geschehens auf einen entscheidenden Moment mit unvermuteter Pointe auf engstem Raum, Summe eines Menschenlebens, besonders eines Außenseiters, …)
-Gattungsmerkmale (Kürze!, Offenheit, Alltäglichkeit -aber wiederum auch Krieg, Verbrechen, Mord-, Symbolhaftigkeit)
-wichtigste Autoren (Böll, Borchert, Schnorre, Wölfel, Lenz, Wohmann, Nöstlinger)

  • Thematik vor/nach dem Krieg
  • Sprache (Suggestivität, Doppelsinn der Bedeutungen, Ironie, Anspielungen u. Wiederholungen)
  • Erzählsituation (selten auktorial, meist Ich-Erzähler)
    -Abgrenzung zu anderer moderner Erzählprosa

Viel Erfolg!
Nicola