Psychologie der Altkleidersammlung

Hallo Experten,

ich weiss, der Titel ist etwas merkwürdig, aber mir viel kein besserer ein. Es geht um Folgendes:

Das Phänomen, dass man sich von manchen Dingen (auch Kleidungsstücken) schwer trennen kann, weil z.B. gewisse Erinnerungen damit verknüpft sind, ist sicherlich bekannt, auch wenn ich nicht so recht weiss, was dahinter steckt.

Woher kommt es jedoch, dass die Vorstellung, jemand anders (Ausnahme: enge Freund oder Familienmitglieder) könne dieses Kleidungsstück weitertragen (bei Sammlungen wo gut erhaltene Kleidungsstücke gesucht werden, oder z.B. auch beim Second-Hand-Verkauf) unter Umständen unangenehmer sein kann, als der Gedanke, das entsprechende Stück in den Müll zu werfen, zu verbrennen etc. ?

Gibt es dafür eine psychologische Erklärung ?

fragt
Marion

Verwesen

Hallo Experten,

Hi Marion

für solche Dinge kann es keine „Experten“ geben. Psychologien sind weit davon entfernt, alles Menschliche zu erhellen…

… weil z.B. gewisse Erinnerungen damit verknüpft sind

es sind ja nicht nur gewisse, sondern höchst gewisse Erinnerungen. Man selbst steckt drin - und das bleibt auch, wenn es vergangen ist. Das unterscheidet uns von Schlangen: Die alte Haut ist immer noch wir selbst.

Und irgendwie scheint es dem Menschen zueigen zu sein, sich lieber vernichtet zu wissen, als entwertet. Und entwertet wird etwas nur durch (andere) Menschen, nicht aber durch natürliche Prozesse - es ist ein uralter Gedanke, daß Feuer zugleich vernichtet - und: verklärt.

In irgendeiner Weise sind die Dinge, in und mit denen wir leben, eine Art objektiviertes Selbst - vielleicht manchmal mehr als unser Körper (C.G. Jung hat es „identification magique“ genannt, aber auch das ist letztlich nur ein X für ein U)

Die Vorstellung, daß Gegenstände, die du liebtest, Bücher z.B. in denen du lebtest - 30, 40 Jahre lang - irgendwo kiloweise verramscht werden: sicher nicht nur „unangenehm“ - eher gruselig (und für die meisten unerträglich: Dafür hat das Bewußtsein die Gnade des Verdrängungsvermögens bereitgestellt).

Es ist vielleicht weniger die Vergänglichkeit, die ins Gewesene verschwindende Verweslichkeit der Dinge , die hier Schauder erzeugen mag (dafür bietet das Leben Schulung genug), als vielmehr die des sog. „Selbst“ (dafür gibt es keine Schulung)…

Gibt es dafür eine psychologische Erklärung ?

Was würde eine Erklärung klären?
Die Kunst ist eher, den Blick ins Dunkle zu wagen…

„tan ch’ien wu“

*wink*

Metapher

Hallo,
ich weiss auch keine Antwort, aber ich wollte sagen, dass ich finde, dass es einen grossen Unterschied macht, ob es Freunde oder Familie, oder v"ollig fremde Menschen sind. Bei Klamotten ist mir das alles nicht ganz so wichtig. Ich trage meistens sowieso alles, bis es auseinanderf"allt, und dann kann man’s nur noch wegschmeissen. Aber bei meinem ersten Auto war’s so, dass ich den Gedanken, irgend ein anderer (der sich nicht richtig drum k"ummert und das Auto nicht so liebt und sch"atzt wie ich) k"onnte mit meiner kleinen weissen Kiste durch die Gegend fahren, sehr unangenehm fand, aber die Vorstellung, ihn verschrotten zu m"ussen - nicht auszudenken. Das w"are gewesen, wie einen Freund dem Tod auszuliefern, schrecklich!! Ich hab’ das Autochen dann an die Kinder eines Freundes von mir verkauft (f"ur absurd wenig Geld). Das ist jetzt richtig sch"on, ich weiss, es geht ihm da gut, sie haben Spass daran, es f"ahrt immer noch…wenn ich sie hin und wieder mal sehe, berichten sie mir, dass sie es wieder "uber den T"UV gebracht haben, oder dass sie irgendwas repariert haben, und dann freue ich mich, dass es jetzt, im stolzen Alter von 16 Jahren immer noch gefahren und gepflegt wird. Zu meinem jetzigen Auto habe ich allerdings keine so intensive Beziehung, da h"angen nicht so viele Erinnerungen dran. Da w"are es mir auch nicht so wichtig, wer ihn mal kauft.
Gruss, Steffi

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

danke
Hallo Metapher,

das war hilfreich :smile:

Was würde eine Erklärung klären?
Die Kunst ist eher, den Blick ins Dunkle zu wagen…

„tan ch’ien wu“

dao zhe
tong yu dao,
de zhe
tong yu de,
shi zhe
tong yu shi.

*lächel*
Drache

hängt nicht an seinen persönlichen Dingen
Hallo Metapher,

hat dann ein Mensch, der gar nicht an vertrauten Gegenständen hängt, sie also ohne Probleme weggeben kann, eine psychischen Defekt?
Ich weiss nicht, wie ich die Frage besser formulieren könnte. Aber ich kenne jemanden, der in seiner Person das Gegenteil von Pendragon beschrieben zu sein scheint, interessiere mich für den Stellenwert dieser Eigenheiten.

viele Grüße
Claudia

danke (Re)
Hi Drachen

shi zhe
tong yu shi.

ja - vor allem das!!

auch, wenn das zu privatim sein sollte:
Für deine enorme Fähigkeit, Ungesagtes zwischen den Zeilen zu lesen (a.a.O.), möchte ich dir hiermit öffentlich danken.
Soetwas kann manchmal das letzte Stopschild vor der Autobahn sein :smile:

das war hilfreich :smile:

Metapher

1 Like

persönliches

hat dann ein Mensch, der gar nicht an vertrauten Gegenständen
hängt, sie also ohne Probleme weggeben kann, einen psychischen
Defekt?

Nein, Claudia, wenn er trotzdem Wertschätzung und Verantwortung für sie hat, dann nicht. Denn die Gegenstände, auch wenn wir uns mit manchen identifizieren, gehören ja nicht nur uns selbst - nichteinmal, anyway, wir selbst :smile:

… und Defizienzen hat ja irgendwo jeder

Metapher

1 Like

dass ich nicht Metapher bin…:smile:

ich gehöre zu den Menschen, die dann wohl einen psych. Defekt hätten, was ich nicht hoffe. Aber im Laufe meines Lebens hab ich gelernt, dass Dinge, Dinge sind, die Erinnerungen, die sich damit verknüpfen, sind gespeichert, also sind die Dinge selber nicht mehr so wichtig.

Herzl. Gruß
d.