Lieber A!
Die Situation des Kontrollverlustes scheint für deine Freundin sehr belastend, ich möchte fast sagen traumatisierend gewesen zu sein und führt nun zu nachvollziehbaren Ängsten. Selbstverständlich gibt es diverse Therapieformen (Gesprächstherapie, Gestalttherapie, systemische Therapie,…) die in dieser Situation hilfreich sein können die vergangenen Geschehnisse zu verarbeiten bzw. zu lernen sie kognitiv und emotional von euren aktuellen und alltäglichen Meinungsverschiedenheiten zu trennen. Voraussetzung hierfür ist aber immer die Freiwilligkeit und in diesem Falle wohl auch Eigeninitiative deiner Freundin. Ich kann mir vorstellen, dass es für dich sehr belastend sein muss nicht „normal“ streiten zu können. Dennoch vermute ich, dass deine Freundin dir nicht von den Ereignissen erzählt hat, um von dir zur Therapie gebracht zu werden, sondern damit du die Möglichkeit hast ihre Reaktionen zu verstehen und Rücksicht nehmen zu können. Vertrauen aufzubauen braucht in erster Linie Zeit und durch solche Ereignisse noch mehr als sonst. Wichtig erscheinen mir vorallem zwei Dinge: Zum einen konsequente gelebte Versicherung ihre Grenzen zu respektieren, das bedeutet Gewaltfreiheit auf allen Ebenen, auch verbal, zu leben, soweit das für dich möglich ist und auch klar zu sagen, dass du dir diesbezüglich Mühe gibst. Auf der anderen Seite solltest du auch klar äußern, wie es dir mit der Situation geht. Bleib dabei ganz bei dir, ohne ihr Vorwürfe zu machen ("Mir fällt es in diesen Situationen manchmal schwer zu verstehen,… ", „Für mich ist es manchmal schwierig nicht laut zu werden wenn…“).
Du solltest dir bewusst machen, dass eine Therapie deine Freundin nicht „reparieren“ kann. In jedem Fall, also mit oder ohne Therapie, viel Arbeit im Alltag auf euch zu kommt. Das emotionale Gedächtnis ist eine der ältesten und am tiefsten liegenden Gehirnregionen und es bedarf viel Zeit um Verletzungen die dort passieren „heilen“ zu können. Zudem wäre ausgeübter Druck durch dich auf deine Freundin eine Therapie zu machen, ja wieder eine Grenzüberschreitung, da man sie damit in etwas zwingen könnte, das sie nicht will. Zudem könnte sie es als Schuldzuweisung verstehen („du bist nicht in Ordnung, geh und tu etwas dagegen!“) obwohl sie doch Opfer und nicht Täter ist! Dies würde ihre Ängste wohl noch verstärken.
Sollte deine Freundin aus freiem Antrieb heraus feststellen, dass sie alleine überfordert ist, sollte sie sich vertrauensvoll an den Hausarzt wenden. Dieser kann sie weiter vermitteln an eine/n Psychologen/in oder Therapeuten/in. Wenn sie das nicht möchte, kann auch das Internet behilflich sein geeignete Personen in eurer Nähe zu finden. Da Therapien mitunter sehr teuer sein können, sollte sich deine Freundin in jedem Fall informieren ob die Krankenkasse ihre Therapie bezuschusst.
Ich hoffe, dass du mit der Antwort etwas anfangen kannst.
Ich Wünsche euch alles Gute für die gemeinsame Zukunft!
Liebe Grüße
Infi