Quält Herzschrittmacher beim Sterben

Frage an die Experten:

eine Verwandte von mir liegt im Sterben und hat einen Herzschrittmacher. Uns allen kommt es so vor, als hindere der Herzschrittmacher sie daran, ruhig sterben zu koennen. Wenn das Herz aufhoeren will, weil der ganze Koerper einfach nicht mehr kann, dann pulsiert der Schrittmacher immer weiter!

Von dem betreuenden Arzt bekamen wir die Antwort, der Herzschrittmacher spiele ueberhaupt keine Rolle. Dieser Arzt ist mittlerweile aber - aufgrund seines Desinteresses - kein Maßstab mehr fuer eine Entscheidungsfindung. Von mehreren Seiten erfahren wir nun auch mehr und mehr, dass man in solchen Faellen das Geraet anhalten kann und die Funktionskontrolle wieder an den Koerper zurueckgeben soll.

Was stimmt denn nun? Kein einer eine fundierte Meinung abgeben?

Dankeschoen. Gruss Michael.

Hallo!

Ich bin zwar kein Kardiologe, aber meines Erachtens kann die Frage nicht so einfach beantwortet werden. Ich hatte mich dasselbe nämlich auch vor einiger Zeit gefragt, konnte aber leider auch keine eindeutige Antwort finden.

Meiner Meinung nach und auch nach dem, was andere Ärzte mir sagten, spielt der Schrittmacher keine (wesentliche) Rolle.
Denn im Grunde genommen ersetzt er nur den natürlichen „Schrittmacher“ bzw. Taktgeber des Herzens. Liegt jemand im Sterben, versagen nach und nach die Organe und somit auch die Zellfunktionen. Irgendwann wird auch das Herz schlapp machen und dann kann der Schrittmacher reizen wie er will, es wird keine Antwort bzw. weitere Aktionen des Herzens mehr geben, da die Zellen sozusagen den Geist aufgeben.

Man kann jetzt natürlich spekulieren, daß wenn man keinen Schrittmacher trägt, dann das Herz früher stehenbleiben würde, wenn vor dem Zellversagen zuerst der natürliche „Schrittmacher“ versagt und er somit die noch einigermaßen gesunden Herzzellen nicht mehr antreibt. Aber das ist wohl eher eine hypothetische Frage und ich glaube nicht, daß man die für den Einzelfall beantworten kann.

Von mehreren
Seiten erfahren wir nun auch mehr und mehr, dass man in
solchen Faellen das Geraet anhalten kann und die
Funktionskontrolle wieder an den Koerper zurueckgeben soll.

Davon würde ich Abstand nehmen!
Denn das grenzt an/ist schon Sterbehilfe!

Ich weiß, daß ein langer Sterbeprozess für jeden sehr belastend ist, aber andererseits: ihr habt die Chance, sich von dem Menschen zu verabschieden. Und auch wenn sie scheinbar nichts mitbekommt - ist dem wirklich so? Das weiß man nicht!
Ihr habt die Gelegenheit, sie in den letzten Tagen zu begleiten und vielleicht noch einige Dinge anzusprechen und zu klären - mit ihr (auch wenn sie _scheinbar_ nichts mitbekommt!) und auch untereinander!

Das ist eine Chance, die nicht jeder hat und meines Erachtens sollte man sie nutzen und nicht versuchen „nachzuhelfen“ (Sorry, wenn das anklagend klingt, so ist das nicht gemeint :wink: Mir fiel nur keine andere Formulierung ein).

Gruß und viel Kraft auf dem Weg,
Sharon

Hi Michael,

wie schon geschrieben wurde, kann ein Herzschrittmacher ein Herz, das nicht mehr kann/will nicht dazu bringen weiterzuschlagen.
Wenn ein Herz nicht mehr kann/will sind auch weitaus massivere Maßnahmen wie Defibrilieren nutzlos, das hab ich selber schon im Rettungsdienst miterlebt.
Von daher würde ich sagen, daß es ein Ammenmärchen ist.

Gandalf

Keine Sorge, ein Herzschrittmacher verlängert in diesem Fall nicht das Leben
oder Sterben. Zunächst einmal ist Sterben nicht allein von der Herzfunktion
abhängig. Es sind mehrere Organe, bzw. eben letztlich das Gehirn entscheidend.

Die Herzfunktion wiederum wird nicht allein durch den Rhythmusimpuls im Vorhof
gesteuert. Beim Herzversagen ist die Herzfunktion in der Gesamtheit gestört,
nicht allein der Impuls im Vorhof oder aber die Weiterleitung zu der Herzkammer.
Ein Herz kann also sogar sehr schnell schlagen (Kammerflimmern), aber kein
Auswurf mehr produzieren.

Der Herzschrittmacher hat da nun wirklich keinen Einfluss und auch wenn ihr in
dieser schweren Situation die Aussagen des Arztes nicht mögt, hier hat er recht.

Hallo,

viel schon geschrieben jetzt noch meinen Senf dazu:

Ein Schrittmacher ist nicht gleich ein Schrittmacher. Es gibt gravierende Unterschiede bei den verschiedenen Typen. Es gibt welche die eine fehlende Reizleitung überbrücken, welche die ein zu schnelles Herz bremsen, welche die ein fehlenden Stimulationsimpuls ersetzen und und und.
Theoretisch könnten bestimmte Herzschrittmacher (in engen Grenzen) ein Herz dazu zwingen weiterzuschlagen. Auch Herzschrittmacher mit integriertem Defi sind möglich.

ABER: wie schon unten geschrieben ist das Sterben nicht alleine vom Herz abhängig auch wenn dies immer nahe liegt und der Tod daran verknüpft wird. Ein Herzschrittmacher wird nicht in der Lage sein einen wirklich sterbenden Menschen am Leben zu erhalten. Er verhindert nur Herzfehler! Den Prozess des Sterbens hält er nicht auf.
Ein Abschalten ist bei den meisten Modellen zwar möglich aber kan wie auch schon geschrieben der aktiven Sterbehilfe zugeordnet werden.

Bitte findet die Kraft ihr auf dem letzten Weg beizustehen, nutzt die restliche, wenn auch grausam schwere Zeit, euch zu verabschieden. Sterben ist so mächtig, es wird nicht durch einen Schrittmacher aufgehalten.

Viel Kraft,
Wolfgang

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Hallo,
die „Qual“ beim Sterben ist doch sicher abhängig von der zeitlichen Abfolge, in der die unterschiedlichen Organe ihre Funktion einstellen. „Ideal“ scheinen mir alle Sterbeprozesse zu sein, die mit dem Aussetzen der Gehirnfunktionen beginnen. An zweiter Stelle der Ausfall von Organen, die unmittelbar im Aussetzen der Gehirnfunktionen münden. Und das trifft auf das Herz ja zu.

Irgendwann wird auch das Herz schlapp machen und dann kann der Schrittmacher
reizen wie er will, es wird keine Antwort bzw. weitere Aktionen des Herzens
mehr geben, da die Zellen sozusagen den Geist aufgeben.

Sicher wahr, nur zielt diese Betrachtung völlig an der Frage nach den „Qualen“ vorbei. Die Betonung liegt halt auf „irgendwann“.

Davon würde ich Abstand nehmen!
Denn das grenzt an/ist schon Sterbehilfe!

Sicher ist das Sterbehilfe. Vermutlich sind deshalb die behandelnden Ärzte auch deshalb so kurz angebunden.

Ich weiß, daß ein langer Sterbeprozess für jeden sehr
belastend ist, aber andererseits: ihr habt die Chance, sich
von dem Menschen zu verabschieden.

Die Frage ist, was von „dem“ Menschen in so einen Zustand noch übrig ist. Eine Bekannte meiner Eltern ist vor einigen Jahren an Lungenkrebs gestorben (5 Jahre davor behandelter Brustkrebs). Eine Woche vor dem Tod habe ich sie noch besucht und von der Person, wie ich sie kannte, war _nichts_ mehr vorhanden (sicher auch ein Resultat der Schmerzmittel). Das ganze war einfach nur ein extrem bedrückendes Erlebnis und hat mich zur Einsicht kommen lassen, im Falle einer vergleichbaren Situation für mich - sofern möglich - schon vorher (noch eigenständig) den Ausschalter zu betätigen.

Das ist eine Chance, die nicht jeder hat und meines Erachtens
sollte man sie nutzen und nicht versuchen „nachzuhelfen“

Ansichtssache - ich würde es von meinen „Anhang“ erwarten, daß sie mich nicht unnötig leiden lassen, falls ich keine Möglichkeit mehr hätte, selbst dem Leben ein Ende zu setzen.

Gruss
Enno

Hi Enno!

Du sprichst in deinem Postin zwei Themen an, zum einen Sterbehilfe und zum anderen die Qual des Sterbens.

Zum ersten möchte ich nicht soviel schreiben, da es doch ein ziemliches Streitthema ist und wie ich finde mit Recht. Ich kann dir nur sagen, daß ich es für mich (!) ebenso entscheiden würde wie du - aber auch hier bewegt man sich schon in einer Grauzone. Aber egal, ich möchte das Thema nicht erneut lostreten :wink:

Zur Qual des Sterbens und ob währenddessen von der Person noch etwas (empfindungsfähiges) vorhanden ist - nunja, man weiß es nicht.
Ich arbeite seit Jahren auf einer internistischen Station und habe in der Zeit leider viele Patienten sterben sehen. Und warum ich sage, daß man sich da nicht sicher sein kann, wieviel sie mitbekommen, zwei Beispiele:

Beide Pat. lagen schon seit paar Tagen in einem Zustand, den man praktisch als komatös oder völlig apathisch bezeichnen könnte, Organversagen und Atemaussetzter, keine Reaktionen (höchstens auf Schmerzreize), und allem was dazugehört.

Fall 1
Eine ältere Dame, die nur selten Besuch bekam. Nur eine Bekannte war öfters da. Sie hatte eine Tochter, die aber erst nicht kommen wollte. Als sie dann endlich vorbeikam und die Hand der Frau anfaßte, ran ihr eine Träne runter und sie verstarb in dem Moment. Zufall?
Vielleicht, vielleicht auch nicht.

Fall 2
Das genaue Gegenteil: älterer Pat., dessen Familie rund um die Uhr in den letzten Tagen da war. Sie ließen ihn keinen Augenblick allein. Als dann an einem Tag nur die Frau da war und nur kurz auf Toilette ging, in dem Moment verstarb er. Eine Kollegin von mir meinte draufhin: „Als ob er darauf gewartet hätte. Er wollte wohl seiner Familie den Anblick ersparen.“
Klar, könnte auch Zufall gewesen sein, aber es hat mich doch nachdenklich gestimmt.

Sicher kriegen viele wohl nichts mehr mit, aber ich will nur deutlich machen, daß man das sicher nicht mit absoluter Gewissheit sagen kann!

Sicher wahr, nur zielt diese Betrachtung völlig an der Frage
nach den „Qualen“ vorbei. Die Betonung liegt halt auf
„irgendwann“.

Leider kann nun einmal niemand Aussagen dazu machen, inwieweit Qualen überhaupt noch empfunden werden. Sicher spielen auch die Grunderkrankungen eine Rolle. Jemand mit einem Krebsgeschwür wird es sicher anders empfinden als jemand, bei dem Organe versagen - aber auch das weiß man nicht mit Sicherheit.
Sehr viele Krebspat. sind in den letzten Stunden/Tagen völlig apathisch. Sind sie es, weil sie kaum noch etwas empfinden können oder weil die Schmerzen sie entsprechend „lähmen“?

Somit kann diese Frage nicht beantwortet werden.

Gruß,
Sharon

Hallo,

Aber egal, ich möchte das Thema nicht erneut lostreten :wink:

Schon ok, ließe sich auch sachlicher im Religionsbrett diskutieren *g*.

Eine Kollegin von mir meinte draufhin: „Als ob er darauf
gewartet hätte. Er wollte wohl seiner Familie den Anblick ersparen.“

Mir kam beim lesen die Assoziation vom Kartenhaus, Veränderung (Weggehen, Besuchen) als Windstoß.

Leider kann nun einmal niemand Aussagen dazu machen, inwieweit Qualen überhaupt noch empfunden werden.

ja das fiel mir nachträglich ein. Schmerzen lassen sich, wenn ich mich recht entsinne, zumindest ansatzweise objektiv messen. Nur werden die einem Patienten sicher erspart. Psychische Qualen, ob die sich immer als Streß äußern ? Vermutlich wäre es bei einem Todgeweihten kaum möglich aus irgendwelchen Meßwerten Rückschlüsse auf das Befinden zu machen.

Sehr viele Krebspat. sind in den letzten Stunden/Tagen völlig apathisch.
Sind sie es, weil sie kaum noch etwas empfinden können
oder weil die Schmerzen sie entsprechend „lähmen“?

Ist mein Vertrauen in die Pharmazie zu groß oder kann man diesen Leuten die Schmerzen nicht auch ersparen ? Problematisch ist es sicher, wenn dieser Zustand über längere Zeit anhält, wg. der Toleranzentwicklung gegen die Schmerzmittel.

Somit kann diese Frage nicht beantwortet werden.

Im allgemeinen sicher nicht, im Einzelfall evtl.

Gruss
Enno

Hi!

Ist mein Vertrauen in die Pharmazie zu groß oder kann man
diesen Leuten die Schmerzen nicht auch ersparen ?

Sagen wir es mal so: man versucht es.
Letztendlich kann ja nur der Pat. selbst bestimmen, ob er Schmerzen hat oder nicht. Doch ein Sterbender kann sich nun mal meistens in der letzten Phase nicht mehr äußern.
Bei uns wird es so gehandhabt, daß die meisten Medis außer den absolut lebensnotwendigen am Schluß abgesetzt werden. Schmerzmittel werden üblicherweise auch weitergegeben (z.b. bekommen Krebspat. meist Morphium o.ä., was ja auch nach Plan gegeben wird).
Wenn wir den Eindruck haben, daß das nicht ausreicht, wird bei Bedarf noch was nachgegeben. Allerdings ist es nicht ganz einfach, das richtig einzuschätzen bei apathischen Pat., wie du dir sicher vorstellen kannst. Manchmal hat man zwar Hinweise darauf, wie z.b. das Mienenspiel oder Anspannen/Verkrampfen des Körpers oder Zittern o.ä., aber ansonsten ist es eher eine Frage der Erfahrung.

Ich befürworte es allerdings, daß man lieber zuviel gibt als zuwenig - zumindest in einer solchen Situation.

Problematisch ist es sicher, wenn dieser Zustand über längere
Zeit anhält, wg. der Toleranzentwicklung gegen die
Schmerzmittel.

Dieses Problem sehe ich eigentlich weniger, denn die letzte Phase dauert eigentlich nicht so lange, höchstens einige Tage. Und selbst wenn (also wenn schon längere Zeit vorher Schmerzmittel gegeben worden sind), dann hat man immernoch Ausweichpräparate bzw. stärkere Mittel/Dosen.

Gruß,
Sharon