Radioaktiver Zerfall

Hallo,

ich habe gerade im Forum Geowissenschaften gelernt, dass es auf der Erde radioaktive Elemente gibt, deren Halbwertszeit so groß ist, dass sie älter als die Erde sind und immernoch nicht unerheblich strahlen.

Aber irgendwie muss die Halbwertszeit doch mit der Häufigkeit von Zerfallsereignissen pro Zeiteinheit zusammenhängen. Wie kann es daher angehen, dass Elemente mit sehr langer Halbwertszeit wie z.B. Plutonium so stark strahlen?

Gruß
Ernesto

Das hat mit der hohen Anzahl von Atomen zu tun. Ein Mol (Uran ca. 238g) hat ca. 6*10^23 Atome, damit zerfallen selbst in einer Sekunde noch viele Atome.
Desweiteren entstehen beim Zerfall meist weitere radioaktive Isotope, deren Zerfall dann hinzu kommt.

Hallo,

Aber irgendwie muss die Halbwertszeit doch mit der Häufigkeit
von Zerfallsereignissen pro Zeiteinheit zusammenhängen.

Klar. Eine halb so kurze Halbwertszeit bedeutet logischerweise, dass doppelt so viele Atome pro Sekunde zerfallen.

Wie kann es daher angehen, dass Elemente mit sehr langer
Halbwertszeit wie z.B. Plutonium so stark strahlen?

Welches Plutonium meinst du denn?
Das in Kernreaktoren vorrangig entstehende Pu-239 hat eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren, das natürlich vorkommende Pu-244 dagegen eine von 80 Mio Jahren, also eine rund 4000-mal längere Halbwertszeit. Da beides Alpha-Strahler mit ungefähr gleicher Energiefreisetzung pro Zerfall sind, strahlt das Pu-239 daher auch rund 4000x stärker als das Pu-244.

Neben der Halbwertszeit kommt es natürlich auch noch darauf an, unter Abgabe welcher Strahlung ein Stoff zerfällt, welche Zerfallsprodukte entstehen und wie man dem Stoff ausgesetzt ist, um seine Gefährlichkeit zu bewerten. Und nicht zuletzt, welchen Mengen du ausgesetzt bist. Eine ganze Menge eines weniger aktiven Stoffes strahlt natürlich auch mehr, als eine nur geringe Menge einer stärker aktiven Stoffes.

Aber der von dir vermutete prinzipielle Zusammenhang, dass ein Stoff mit kürzerer Halbwertszeit stärker strahlt, der stimmt natürlich. Aber da die anderen Parameter ebenfalls einen sehr starken Einfluss darauf haben, kann man es nicht allein darauf reduzieren.

vg,
d.

Aber irgendwie muss die Halbwertszeit doch mit der Häufigkeit
von Zerfallsereignissen pro Zeiteinheit zusammenhängen. …

Hallo,

im Prinzip ja. Aber dazu kommt, wieviel Energie pro Zerfall freigesetzt wird, das ist bei Plutonium wohl sehr viel, sonst würde man nicht die Planetensonden damit betreiben.

Für die biologische Wirksamkeit sind noch viele andere Faktoren massgebend, z.B. wird Cäsium in die Knochen eingelagert und strahlt dort lange Zeit. Plutonium ist auch in dieser Beziehung extrem, die Alphastrahlung kann zwar schon durch Papier abgeschirmt werden, aber ein winziges Körnchen, das in die Lunge gelangt, ist schon mit einiger Wahrscheinlichkeit tödlich.

Es ist daher trotz der gigantischen Kosten erfreulich, dass in Kalkar ein Freizeitpark entstanden ist und kein Plutonium produziert wird.

Gruss Reinhard

Danke schön,
wie kann es den Pu 244 überhaupt natürlich geben, müsste es nicht inzwischen so gut wie vollständig zerfallen sein?

Gruß Ernesto

Hallo,

wie kann es den Pu 244 überhaupt natürlich geben, müsste es
nicht inzwischen so gut wie vollständig zerfallen sein?

Es ist ja auch so gut wie alles schon zerfallen. Plutonium ist ja aufgrund des Zerfalls inzwischen extrem selten. Zwar ist eine Halbwertszeit von 80 Mio. Jahren ne Menge, aber aufgrund des noch viel größeren Erdalters sind dort ja schon über 50 Halbwertszeiten ins Land gezogen, d.h. die Plutonium-Menge, die bei der Entstehung der Erde vorhanden war, hat sich bereits mehr als 50x halbiert.

Wenn man sich das klar macht, dann sieht man, dass so gut wie gar nichts mehr davon da ist:

 Zeit Restmenge Pu-244 Anzahl Atom bei 
[Mio Jahre] [% von Originalmenge] 1 Gramm Ursprungsmenge
----------------------------------------------------------------
 0 My 100,000000000000000% 4,90E+22
 80 My 50,000000000000000% 2,45E+22
 160 My 25,000000000000000% 1,23E+22
 240 My 12,500000000000000% 6,13E+21
 320 My 6,250000000000000% 3,06E+21
 400 My 3,125000000000000% 1,53E+21
 480 My 1,562500000000000% 7,66E+20
 560 My 0,781250000000000% 3,83E+20
 640 My 0,390625000000000% 1,91E+20
 720 My 0,195312500000000% 9,57E+19
 ...... ...... ........
 3680 My 0,000000000001421% 6,96E+08
 3760 My 0,000000000000711% 3,48E+08
 3840 My 0,000000000000355% 1,74E+08
 3920 My 0,000000000000178% 8,70E+07
 4000 My 0,000000000000089% 4,35E+07
 4080 My 0,000000000000044% 2,18E+07
 4160 My 0,000000000000022% 1,09E+07
 4240 My 0,000000000000011% 5,44E+06
 4320 My 0,000000000000006% 2,72E+06
 4400 My 0,000000000000003% 1,36E+06

Wie du siehst, sind nach 4,4 Milliarden Jahre nur noch 0,000000000000003% des Plutoniums vom Anfang da. Oder anders gesagt: Wenn du zum Beginn der Erde 1 Gramm Plutonium hattest, dann bestand das aus 4,9 * 10^22 Atomen. Von diesen würde heute noch 1 Mio Atome existieren.

Das ist zwar eben so gut wie nichts, aber man kann es gerade noch nachweisen. Plutonium ist das seltenste der primordialen Elemente, die wir noch messen können. Aber davon sind wirklich nur noch Spuren, ein Hauch von Nichts, der ursprünglichen Menge existent.

vg,
d.

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Dafür gab es einen Stern.

Wenn selbst von diesen langlebigen Isotopen nur noch so wenig da ist, welche sorgen denn dann dafür, dass die Erde im Innern noch so heiß bleibt?

Gruß
Ernesto

Hallo,

Wenn selbst von diesen langlebigen Isotopen nur noch so wenig
da ist, welche sorgen denn dann dafür, dass die Erde im Innern
noch so heiß bleibt?

Plutonium ist ja keines der wirklich sehr langlebigen Isoptope. Die Isotope, die für die Wärme im Erdinneren hauptsächlich verantwortlich sind, haben Halbwertszeiten die um ein vielfaches höher sind und meist im Bereich von Milliarden von Jahren sind.

Insgesamt gibt es 33 radioaktive Isotope, die noch aus der Zeit vor der Erdentstehung stammen.

Isotope Halbwertszeit Restmenge seit Erdentstehung
--------------------------------------------------------------------
Te-128 2186 Trilliarden Jahre 100,00%
Ge-76 2 Trilliarden Jahre 100,00%
Se-82 108 Trillionen Jahre 100,00%
Cd-116 31 Trillionen Jahre 100,00%
Ca-48 23 Trillionen Jahre 100,00%
Zr-96 20 Trillionen Jahre 100,00%
Bi-209 19 Trillionen Jahre 100,00%
Te-130 9 Trillionen Jahre 100,00%
Nd-150 8 Trillionen Jahre 100,00%
Mo-100 8 Trillionen Jahre 100,00%
Eu-151 5 Trillionen Jahre 100,00%
W-180 2 Trillionen Jahre 100,00%
V-50 140 Billiarden Jahre 100,00%
Cd-113 8 Billiarden Jahre 100,00%
Sm-148 7 Billiarden Jahre 100,00%
Nd-144 2 Billiarden Jahre 100,00%
Os-186 2 Billiarden Jahre 100,00%
Hf-174 2 Billiarden Jahre 100,00%
In-115 441 Billionen Jahre 100,00%
Gd-152 108 Billionen Jahre 100,00%
Ba-130 70 Billionen Jahre 100,00%
Pt-190 650 Milliarden Jahre 99,52%
Sm-147 106 Milliarden Jahre 97,07%
La-138 102 Milliarden Jahre 96,96%
Rb-87 50 Milliarden Jahre 93,86%
Re-187 41 Milliarden Jahre 92,65%
Lu-176 38 Milliarden Jahre 91,97%
Th-232 14 Milliarden Jahre 79,93%
U-238 4 Milliarden Jahre 49,44%
K-40 1 Milliarden Jahre 8,03%
U-235 704 Millionen Jahre 1,15%
Sm-146 103 Millionen Jahre 0,000000000005%
Pu-244 80 Millionen Jahre 0,000000000000001%

Von diesen ist Plutonium mit seinen maximal 80 Mio Jahren Halbwertszeit das mit der kürzesten Halbwertszeit und deshalb auch das seltenste. Es spielt für die Wärme im Erdinneren daher keine Rolle mehr.

Relevant für die Erdwärme sind die Isotope, die eine Halbwertszeit im Bereich des Erdalters haben. Diese zerfallen ausreichend schnell, um genügend Energie freizusetzen, aber langsam genug, damit es immer noch eine genügend große Menge gibt, die auch heute noch Energie freisetzt. Das sind im wesentlichen Uran-235, Kalium-40, Uran-238 und Thorium-232. Sie haben die richtige Halbwertszeit dafür und sie waren bei der Erdentstehung in entsprechend großen Mengen vorhanden.

Die Isotope mit deutlich längeren Halbwertszeiten, im Bereich von Billionen Jahren und mehr, tragen dagegen praktisch nichts zur Erdwärme bei, weil von diesen so gut wie gar nichts zerfallen ist bis jetzt. Die Isotope mit deutlich kürzeren Halbwertszeiten (Samarium-146 und Plutonium-244) tragen auch nichts nennenswertes mehr bei, weil es von diesen aufgrund der vergleichsweise kurzen Halbwertszeit so gut wie gar nichts mehr gibt, da der überwiegende Teil schon zerfallen ist.

vg,
d.