Radioaktivität - wie lange?

Es wird aufgrund der schrecklichen Katastrophe in Japan viel erklärt und spekuliert…

Wenn der schlimmste Fall eintreten und es zu Kernschmelzen kommen würde - wenn Tokio tatsächlich von einer radioaktiven Wolke getroffen würde…

Man kann dann nur hoffen, dass die Menaschen sich retten können und das gefährliche Gebiet verlassen (können)…Leider ist die Informationspolitik der Regierung offensichtlich sehr reduziert - von den Betreibern des AKWs mal ganz abgesehen.

Meine Frage: wenn es aber doch möglich ist, die Bevölkerung zu evakuieren, WIE LANGE müsste man sich vom bestrahlen Gebiet fernhalten - wäre Tokio nach einer bestimmtem Zeit wieder relativ gefahrlos (???) rückbesiedelbar - wie lange würde sich das hinziehen?

LG

Aber die Hoffnung, dass das alles sich irgendwie nochmal retten lässt, darf nicht aufgegeben werden…

Moin,

Wenn der schlimmste Fall eintreten und es zu Kernschmelzen
kommen würde - wenn Tokio tatsächlich von einer radioaktiven
Wolke getroffen würde…

ich denk mal, da bauscht die Presse ziemlich auf und schürt grundlose Ängste. Bei rationaler Betrachtung besteht wohl kaum eine größere Gefahr für Tokyo. Betroffen sind v.a. die Menschen im engeren Umfeld der Reaktoren, insbesondere die Mitarbeiter des Kraftwerks. Die waren nach meinem Informationsstand teilweise einer Strahlendosis von 800 - 1000 mSv/Stunde ausgesetzt, das bedeutet nach spätestens 6 Stunden Tod durch Strahlenkrankheit.

Man kann dann nur hoffen, dass die Menaschen sich retten
können und das gefährliche Gebiet verlassen (können).

Tokyo ist 250 Km weg, da besteht keine direkte Gefahr. Es besteht auch keine Möglichkeit, die 8 Millonen Einwohner (oder besser die 34 Millionen Menschen aus dem Großraum) zu evakuieren, weil es nix gibt, wo die hin könnten.

…Leider
ist die Informationspolitik der Regierung offensichtlich sehr
reduziert - von den Betreibern des AKWs mal ganz abgesehen.

Ersteres hängt wahrscheinlich mit der genauesten Abwägung der bestehenden Risiken und der verfügbaren Optionen zusammen, man nennt das Verantwortungsbewußtsein. Wenn man sowieso keinen Raum und keine logistischen Möglichkeiten für eine große Evakuierung hat, die Gefahr vergleichsweise gering ist, eine Massenpanik aber eine Gefahr für Millionen Menschenleben und die nationale Sicherheit bedeuten würde. Wenn da 30 Millionen Menschen in Panik versetzt werden und versuchen, nach keine Ahnung wohin zu fliehen, bricht doch die gesamte Infrastruktur zusammen.

Meine Frage: wenn es aber doch möglich ist, die Bevölkerung zu
evakuieren, WIE LANGE müsste man sich vom bestrahlen Gebiet
fernhalten - wäre Tokio nach einer bestimmtem Zeit wieder
relativ gefahrlos (???) rückbesiedelbar - wie lange würde
sich das hinziehen?

Das hängt von der Art der Strahlung und der Menge radioaktiven Materials ab, das dort niedergehen würde. Die Gefahr geht ja in diesem Fall nicht von der direkten Strahlung des Reaktors aus, sondernd von potentiell anfallendem radioaktivem Staub, der bei einer, nach einer potentiellen Kernschmelze auftretenden, potentiellen offenen Explosion potentiell in die Atmosphäre gelangen und irgendwohin verweht werden würde. Dieser Staub würde verschiedene radioaktive Elemente aus den Brennstäben enthalten, welche das sind hängt von der Art der Brennelemente und ihrem Alter ab. Jedes Element hat eine bestimmte Halbwertzeit, die darüber Auskunft gibt, wielange der radioaktive Zerfall dauert: http://de.wikipedia.org/wiki/Halbwertszeit

Am ktritischsten ist die direkte Exposition, also das Einatmen des niedergegangenen Staubes, der dann im Körper weiterstrahlt. Insbesondere ist das enthaltene radioaktive Jod gefährlich, welches zwar eine kurze Halbwertzeit hat, aber in der Schilddrüse stark angereichert wird und hier dann zu Schäden führt. Deshalb kann das tragen von Staubschutzmasken das Leben retten. Hat sich der Staub erst einmal gelegt, gibt es zwar eine dauerhaft erhöhte Radioaktivität (die Zeit für den Rückgang auf einen normalen Wert ist abhängig von Stahlungsleistung und Halbwertszeiten der Elemente), aber keine direkte Lebensgefahr mehr.

Gruß, Jesse

Hallo,

Leider
ist die Informationspolitik der Regierung offensichtlich sehr
reduziert - von den Betreibern des AKWs mal ganz abgesehen.

Offensichtlich hielt man es in Japan nicht für notwendig ein automatisches, engmaschiges Meßsystem zu installieren oder es wurde weitgehend zerstört. Daher weiß wohl niemand so genau, wie hoch die Strahlung ist und vor allem liegen keine Langzeitmessungen zum Vergleich vor.
Für Deutschland wurde das nach den Erfahrungen nach Tschernobyl eingerichtet (Schweden hatte sowas schon vorher, weshalb man dort zunächst an einen eigenen Störfall dachte, als die Werte plötzlich stiegen). Die Daten kann man unter http://odlinfo.bfs.de/ (täglich aktualisiert) einsehen.

Cu Rene

Hallo,

Offensichtlich hielt man es in Japan nicht für notwendig ein
automatisches, engmaschiges Meßsystem zu installieren oder es
wurde weitgehend zerstört. Daher weiß wohl niemand so genau,
wie hoch die Strahlung ist und vor allem liegen keine
Langzeitmessungen zum Vergleich vor.

Sicher gibt es in Japan ein Meßsystem mit hunderten Stationen. In der Präfäktur Fukushima gibt es z.B. 7 Stationen die derzeit funktionieren.
http://www.pref.fukushima.jp/j/index.htm

Hier z.B. die letzten Messungen vom 17.03., abgerufen über die englische Webseite der Präfektur. Auf der japanischen mag es noch viel detailiertere Infos geben.
http://www.worldvillage.org/fia/data/0317_e_1640.pdf

Die Messdaten der anderen Präfekturen sind hier zu kriegen:
http://eq.sakura.ne.jp/

Und - wen wunderts- die Strahlung ist in Fukushima am höchsten. In Fukushima City liegt die Strahlung mit etwa 13,5 µSv/h deutlich höher als in nicht betroffenen Regionen, wo normale 0,05-0,10 µSv/h gemessen werden.

Für Deutschland wurde das nach den Erfahrungen nach
Tschernobyl eingerichtet (Schweden hatte sowas schon vorher,
weshalb man dort zunächst an einen eigenen Störfall dachte,
als die Werte plötzlich stiegen). Die Daten kann man unter
http://odlinfo.bfs.de/ (täglich aktualisiert) einsehen.

Auch das ist doch schon wieder irreführend. Die Station die das in Schweden gemessen hatte, war eine Station aus dem internationalen CTBTO-Messnetz, das den Kernwaffenteststopp-Vertrag überwacht. Von diesen gibt es weltweit hunderte und solche Stationen gab es auch schon Jahrzehnte vor Tschernobyl in Deutschland. Dass die Schweden das als erstes westliches Land gemessen hatten, liegt schlicht daran, dass die Wolke dort als erstes hingezogen war.

Und außerdem:
Viele Informationen aus Japan sind für uns doch auch kaum zugänglich, weil es ohne Kenntnis der japanischen Sprache verdammt schwer ist, sich auf den ganzen japanischen Webseiten zurecht zu finden. Selbst Google-Translator hilft hier oft nicht wirklich viel. Das bedeutet jedoch nicht, dass es diese Informationen nicht gibt, nur weil du kein Japanisch kannst.

Aber scheinbar glaubt hier jeder zu wissen, wie irre und verantwortungslos die Japaner doch sind. Dabei sollte spätestens jetzt klar sein, dass Atomunfälle eben nicht ein Metier schlecht gewarteter osteuropäischer Pannenreaktoren mit besoffenem Personal sind. Wir sollten uns hüten, mit dem Finger auf die Japaner zu zeigen, weil wer weiß schon wie ein ähnlich schwerer Störfall bei uns abgelaufen wäre.

vg,
d.

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Aber scheinbar glaubt hier jeder zu wissen, wie irre und
verantwortungslos die Japaner doch sind. Dabei sollte
spätestens jetzt klar sein, dass Atomunfälle eben nicht ein
Metier schlecht gewarteter osteuropäischer Pannenreaktoren mit
besoffenem Personal sind.

Hallo,

mal rein sachlich betrachtet bleibt der Atomlobby und der Bundesregierung (sofern das überhaupt ein Unterschied ist) ja garnichts anderes übrig, wenn sie nicht völlig das Gesicht verlieren will, als die Japaner herunterzureden zu schlampigen, undisziplinierten Halbaffen mit unverständlicher Sprache. Da muss man doch für die arme Kanzlerin einfach Verständnis haben, auch wenn sich manches zuerst mal etwas wirr anhört wie das vorübergehende Aussetzen der Laufzeitverlängerung, was ja rein logisch nichts anderes bedeutet, als dass die Kraftwerke nachher noch 3 Monate länger laufen.

In Wirklichkeit sind nicht nur die japanischen Autos am zuverlässigsten, man kann auch in japanischen Autofabriken vom Boden essen, was nach meiner persönlichen Erfahrung nicht für alle deutschen Fabriken gilt. Aber wer weiss sowas schon, der Öffentlichkeit kann man viel erzählen.

Ganz sicher sind eben nur die Renten und die deutschen Atomkraftwerke.

Gruss Reinhard

Moin und danke für dein Statement,

Wir sollten uns hüten, mit dem
Finger auf die Japaner zu zeigen, weil wer weiß schon wie ein
ähnlich schwerer Störfall bei uns abgelaufen wäre.

man sollte sich auch vor Augen führen, dass dort in den KKWs immer noch sehr viele Arbeiter ihren Dienst verrichten um die Bevölkerung so weit es eben geht zu schützen. Dabei haben sie bereits Ihre Gesundheit und vielleicht auch ihr Leben riskiert.
In anderen Ländern (in denen keine Diktatur herrscht) würden viele sicher einfach davon laufen.

VG
J~

Hallo,
vielen Dank für die Links. Ich war wirklich davon ausgegangen, daß viele Meßstellen nach dem Erdbeben defekt sind und es so auch kein genaues Bild der Lage gibt. Tatsächlich fehlen in den auf englisch verfügbaren Listen einige Werte, die du aber etwa für Fukushima verlinkt hast.
Vermutlich verfolge ich die falsche Presse, für deren Aufgabe ich es eigentlich halte diese Daten zu übersetzen und zu visualisieren, wenn das die öffentlichen Stellen nicht leisten.

Wir sollten uns hüten, mit dem Finger auf die Japaner zu zeigen, weil wer weiß
schon wie ein ähnlich schwerer Störfall bei uns abgelaufen wäre.

Vermutlich ähnlich, da mache ich mir keine Illusionen.

Cu Rene

Hallo,

vielen Dank für die Links.

Bitte.
Hier habe ich noch ein recht gutes PDF mit Meßdaten aus der direkten Umgebung bis etwa 50km um das AKW gefunden. Die Daten (in mSv/h) sind von gestern aus dem Zeitraum etwa 09-16 Uhr Ortszeit:
http://eq.sakura.ne.jp/110317fukushima_1600.pdf

Hier die Messdaten eingetragen auf einer Karte der Umgebung des AKWs (Ausschnitt aus obigem PDF):
http://img856.imageshack.us/img856/7048/fukushima201…

Teilweise sind die Werte selbst in 30km Entfernung sehr hoch, in der Gegend nordwestlich des AKWs waren sie sogar über längere Zeit auf über 100 µSv/h oder mehr. Bei dieser Strahlenbelastung nimmt man an einem Tag die Dosis auf, die man sonst über das gesamte Jahr bekommen würde. Das ist zwar nicht akut gefährlich, aber langfristig kann - v.a. durch eingeatmete Partikel - das Krebsrisiko drastisch steigen. Also in diesem 50km Radius möchte ich derzeit lieber nicht sein, wenn der Wind dorthin dreht. Weiter weg oder in Gebieten die vom Wind nicht erreicht werden ist die Situation natürlich wesentlich besser. Aber zumindest sieht man, dass die Evakuierung der 20km-Zone dringend erforderlich war, wenn nicht sogar eine Ausweitung der Evakuierungszone sinnvoll wäre.

Tatsächlich fehlen in
den auf englisch verfügbaren Listen einige Werte, die du aber
etwa für Fukushima verlinkt hast.

Also was ich komisch finde ist, dass es teilweise sehr umständlich ist, an die Werte zu kommen, die Webseiten sind irgendwie nicht sonderlich bedienerfreundlich. Kann aber natürlich sein, dass mir das aufgrund meiner fehlenden Japanisch-Kenntnisse nur so vorkommt oder ich die besseren Webseiten nur noch nicht gefunden habe.

Vermutlich verfolge ich die falsche Presse, für deren Aufgabe
ich es eigentlich halte diese Daten zu übersetzen und zu
visualisieren, wenn das die öffentlichen Stellen nicht
leisten.

Die Presse leistet in diesem Zusammenhang teilweise wirklich keine gute Arbeit. Die Daten für die Strahlenbelastung liegen ja vor. Man müsste sie nur analysieren und aufbereiten und die haben sicher ja auch Leute, die dem japanischen mächtig sind. Und die können ja auch Experten befragen, die ihnen helfen diese Werte zu interpretieren.

Selbst auf deutsch gibt es stellenweise gute Infos, z.B. direkt aus dem AKW über die Webseite der Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit:

Dort ist immer, mehrmals täglich aktualisiert, die Lage beschrieben und die Veränderungen zum Vorbericht und v.a. ist eine Grafik mit Messdaten der Strahlungsbelastung von Messpunkten direkt am AKW-Gelände dort zu finden. Eigentlich richtig gut aufbereitet. Ich finde es irgendwie komisch, dass man diese Daten kaum in den Medien findet, oder nur nach längerem Suchen aber nicht in den Hauptartikeln.

http://www.grs.de/informationen-zur-lage-den-japanis…

Zum einen sieht man da, dass die Strahlung sehr stark variiert und meist stoßweise durch Explosionen oder Druckentlastungen freigesetzt wird. Und man sieht dass die Strahlung auch generell ziemlich hoch ist, und meist über 2 mSv/h liegt, d.h. in einer Stunde kriegt man soviel Strahlung ab, wie sonst im ganzen Jahr.

Das einzige was wirklich sehr unübersichtlich ist, was man auch an den Berichten auf der GRS-Homepage sieht, ist die Informationspolitik über die Zustände der Reaktoren, also wie stark die Druck- und Sicherheitsbehälter wirklich kaputt sind, wie stark die Kühlsysteme beschädigt sind und wie man diese Dinge mittelfristig wieder zum Arbeiten bewegen will usw… also im Prinzip die Frage: Ist man näher an der Lösung des Vorfalls oder ist es zu erwarten, dass es eher schlimmer wird? Hier gibts einfach oft widersprüchliche oder schwammige Aussagen, die irgendwie nicht gerade ein Gefühl der Transparenz vermitteln und damit auch kein Gefühl der Sicherheit.

vg,
d.

Nachtrag
Hallo,

Vermutlich verfolge ich die falsche Presse, für deren Aufgabe
ich es eigentlich halte diese Daten zu übersetzen und zu
visualisieren, wenn das die öffentlichen Stellen nicht
leisten.

Vorhin zufällig gefunden.

_"In den vergangenen Tagen allerdings waren, vor allem nach den Explosionen der Krafwerksblöcke, die Messwerte am Tor immer mal wieder deutlich höher - sie stiegen bis auf 8000 und 12.000 Mikrosievert pro Stunde.

[…]

Weitere Daten liefert eine Tabelle des japanischen Wissenschaftsministeriums vom Mittwoch. Dort sind knapp zwei Dutzend Messwerte verzeichnet, die außerhalb der Sperrzone im Abstand zwischen 20 und 60 Kilometer von der havarierten Anlage genommen wurden. Diese Strahlungswerte liegen zwischen sieben und 80 Mikrosievert pro Stunde, was eine deutliche radioaktive Belastung der Region bedeuten würde. Am Donnerstag soll eine dieser Messstationen 170 Mikrosievert pro Stunde erreicht haben."_

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/japan-gau-im-atom…

Dort werden genau die Zahlen von dem japanischen Messnetz der von mir vorhin verlinkten Webseite mit den stellenweise 170 µSv/h in 30km Entfernung vom Kraftwerk genannt und auch die 12000 µSv/h die direkt am AKW-Gelände gemessen wurden und auf der GRS-Homepage stehen. Man findet die Werte also schon in der Presse auch, wenn man etwas sucht.

vg,
d.

Hallo,

(in mSv/h)

Hoffentlich µSv/h, sonst würde man da nicht lang überleben. Die anderen Daten waren in Gray (also µGy/h), aber das macht keinen Unterschied so lang man nur Beta- und Gammastrahlen hat.
Schon solche Kleinigkeiten ob m oder µ (oder gar M für Mega) sorgen eben oft für Verwirrung, wenn jemand, der von der Materie zu wenig Ahnung hat (da dürften automatische Übersetzer ein großes Problem haben) die Übersetzung macht.

Cu Rene

Hi:

Die Presse leistet in diesem Zusammenhang teilweise wirklich keine gute Arbeit. Die Daten für die Strahlenbelastung liegen ja vor. Man müsste sie nur analysieren und aufbereiten und die haben sicher ja auch Leute, die dem japanischen mächtig sind. Und die können ja auch Experten befragen, die ihnen helfen diese Werte zu interpretieren.

Naja das würfde einen großen Aufwand bedeuten (vor allem auf Seiten des LEsers / Zuschauers / Hörers, und man könnte stellenweise damit gar keine Panik mehr machen, und würde Kundschaft verlieren…

Ausländische Medien (BBC, 'Guardian, NYT) sind da etwas fitter, auch wenn sie einen nicht unbedingt mit Zahlenmaterial fluten.

die Franzi