Rätselhafte Physik

Hallo Physiker,

eines vorweg: ich habe Null Ahnung von Naturwissenschaften, schaue aber immer gerne hier vorbei um zu sehen, was es so alles gibt auf der Welt.
Nun fallen mir gerade im Physik-Brett immer wieder Fragen auf, die mir geradezu absurd erscheinen, die aber dennoch zu ganz vielen Kommentaren und Berechnungen führen. Die Fragesteller mögen mir verzeihen, wenn ich ihre Fragen zitiere, aber ich brauche Beispiele. Es geht mir keinesfalls darum etwa zu sagen „so ein Blödsinn“.

Mit welcher Beschleunigung fällt ein Baum um? (Kronf, 6.4.2010 19:52)
Jeder, der schon mal beim Fällen von Bäumen zugesehen hat, muss doch wissen, dass jeder Baum mit anderer Geschwindigkeit fällt. Je nachdem, wie der Stamm beschaffen ist, wie die Krone ausgebildet ist, usw. - wie soll man da irgendetwas berechnen können?

"wie wird sich die Waage verhalten? (ceestmoi, 9.4.2010 17:27)"
"Heliumballon in Raumstation (Kurt-B, 9.4.2010 23:29)"

Bei diesen beiden Fragen kann ich mir zumindest vorstellen, dass sie als Ausgangspunkt für physikalische Berechnungen interessant sein können.
Aber wen interessiert der inhaltliche Aspekt der Fragen? Gäbe es da nicht praxisnähere Beispiele zur Illustration der Rechenaufgabe?

Ich sag’s noch mal: ich will nicht provozieren!

Grüße
Pit

Moin, Pit,

bei manchen Fragen geht es weniger um die Anwendbarkeit als schlicht um das Aufzeigen der Lösungswege. Dabei muss nicht immer etwas Brauchbares herauskommnen; wenn gezeigt wird, dass jeder Baum anders fällt (und warum), dann ist das ein Ergebnis, das dem Fragesteller vielleicht zeigt, dass ihn falsche Überlegungen zu der Frage verführt haben (ich habe den Thread nicht gelesen).

Zum Anderen ist genaues Beobachten in der Physik schon die halbe Miete. Wer dem Vogel im Käfig auf der Waage zuschaut, könnte ohne jedes Rechnen auf die Lösung kommen, ohne drüber nachzudenken, ob der Vogel Kurs nach oben oder nach unten hält. Beobachten ist auch etwas, das man lernen kann, und manchmal sind kleine Anstöße eben hilfreich.

Gruß Ralf

Hallo Pit, der Mensch hatte schon seit jeh seine Freude am Rätsellösen, siehe Ödipus und Sphinx. Aber der Baumumfall hat einen Hintergrund, der mit dem Schornsteinumfall in einem Beitrag angedeutet wurde. Ein hoher Industrieschornstein fällt nicht einfach um, er zerbricht beim Fall wegen der unterschiedlichen Beschleunigung über die Länge. Ein Stahlstab würde sich verbiegen, der Schornstein zerbricht, der Baumstamm kann, wegen der Dicke, beides nicht, er muss eine mittlere Geschwindigkeit annehmen. Gruß, eck.

Hallo gargas,

Nun fallen mir gerade im Physik-Brett immer wieder Fragen auf,
die mir geradezu absurd erscheinen, die aber dennoch zu ganz
vielen Kommentaren und Berechnungen führen. Die Fragesteller
mögen mir verzeihen, wenn ich ihre Fragen zitiere, aber ich
brauche Beispiele. Es geht mir keinesfalls darum etwa zu sagen
„so ein Blödsinn“.

Manchmal ist die Beantwortung solcher Fragen mit einer Begründung schwieriger als Du denkst.

Fragen (Baum, Ballon) sind mir aber lieber und erscheinen sinnvoller, als die häufigen Fragen nach dem Urknall, Wurmlöchern etc. (die ohnehin niemand genau beantworten kann).

Gruß:
Manni

Hallo,

das was gargas diskutiert, habe ich mich auch schon häufiger gefragt.
Laut gargas: „Nun fallen mir gerade im Physik-Brett immer wieder Fragen auf, die mir geradezu absurd erscheinen, die aber dennoch zu ganz vielen Kommentaren und Berechnungen führen.“

Besonders trifft dies meiner Ansicht nach auf den von gargas erwähnten Beitrag zu:
„Mit welcher Beschleunigung fällt ein Baum um? (Kronf, 6.4.2010 19:52)“

Es wurde die Frage gestellt: „Also in welcher Weise entwickelt sich wohl die Geschwindigkeit bzw. Beschleunigung während des Fallvorgangs, und wie könnte man das physikalisch herleiten?“

Bei den Baumfällarbeiten, bei denen ich dabei war (meist an Fichten und Kiefern), wurden die Bäume immer von entgegengesetzten Seiten angesägt, nie ganz durchgesägt. Der Schlitz der einen Seite wurde breiter ausgeführt und in die Schnittstelle der gegenüberliegenden Stelle ein Keil eingehauen. Der Baum fiel dann meist in die gewünschte Richtung, in die des breiten Schlitzes. In der Mitte blieb aber immer etwas, nicht angesägtes Holz stehen und hinderte den Baum, wenigstens eine zeitlang, am freien Fallen.
Unter diesen gebremsten Fallbedingungen der Praxis kann man doch gar nichts berechnen. Die Fallgeschwindigkeit wird von den haltende, nicht angesägten Resten des Stammes deutlich beeinflußt.
Die Stelle:

http://www.vpi-bw.com/ingenieure/technews/pdf/technews_08_03.pdf

bringt eine Veröffentlichung zum Thema. In Bezug auf die Fallgeschwindigkeit von Bäumen, die mit der Motorsäge gefällt wurden, findet sich u.a. der Satz: „Der genaue zeitliche Verlauf der Geschwindigkeit kann nicht vorherbestimmt werden, da …“

MfG

watergolf

Hallo Pit!

Laut Feynman sind es nur ca. 10 Gesetze, mit denen man die ganze beobachtbare Welt beschreiben kann (Grundgleichung der Mechanik, Gravitationsgesetz, Coulomb-Gesetz, vier Maxwellsche Gleichungen, E = mc², Schrödinger-Gleichung, Energie-Erhaltungssatz, … jedenfalls kaum mehr).

Ein Großteil des physikalischen Ehrgeizes besteht nun darin, diese Gesetze an immer komplizierteren Beispielen zu erproben. Schaffen wir es, ein Problem (das wir auf die genannten Grundlagen zurückführen können) auch mathematisch zu beschreiben oder scheitern wir (wenn letzteres: woran)?

Ich will das mal als „geistiges Bergsteigen“ bezeichnen. Einem normalen Urlauber ist es völlig egal, ob man die Eiger-Nordwand durchsteigen kann oder nicht. Ein alpinistisch interessierter Urlauber schaut den Bergsteigern durch das Fernrohr mit Spannung zu, kann aber nicht nachvollziehen, warum jemand die Risiken und Strapazen einer Besteigung auf sich nimmt. Vielleicht denkt er sich: „Warum will jemand auf diesen Gipfel? So schön kann die Aussicht gar nicht sein. Und wenn schon: Von Süden her wäre der Aufstieg viel einfacher…“

Natürlich wünscht sich der Bergsteiger, oben zu sein. Aber noch viel mehr wünscht er sich insgeheim das Gefühl, es geschafft zu haben.

Nehmen wir mal die Aufgabe mit dem Baum. Ob die Kenntnis der Lösung einen Nutzen bringt, ist zweitrangig. Es handelt sich um ein lohnendes Problem und mehrere Mitglieder haben sich an der Lösung versucht. Diggi und ich gelangten auf unterschiedlichen Wegen zu einer bestimmten Schwierigkeit, die wir beide nicht bewältigen konnten (eine komplizierte Differenzialgleichung). Martin zeigte auf hervorragende Weise, worin diese Schwierigkeit besteht und wie man sie umgehen kann. Manni und smallbop posteten Standardlösungen für ein vereinfachtes Problem. Ähnlich wie Bergsteiger nach der perfekten Route suchen, suchten wir nach dem jeweils „schönsten“ Lösungsweg.

Bleibt noch die Frage, warum der Ursprungsposter eine solche Frage stellt. Nun, vermutlich hat er sich selbst daran versucht und die Zähne ausgebissen.

Ganz abgesehen von diesem rein sportlichen Interesse springt manchmal auch ein physikalischer Fortschritt dabei raus. Als Leonard Euler im 18. Jahrhundert die Bewegung von Spielzeugkreiseln mathematisch beschrieb, hat er sich wohl kaum träumen lassen, dass man das einmal brauchen wird, um ins Innere des lebenden menschlichen Körpers zu blicken (Bei der Kernspintomographie beobachtet man die Kreiselbewegung der Wasserstoffkerne im Körper).

Eigentlich hätte ich diesen letzten Abschnitt gar nicht schreiben sollen, denn das klingt schon wieder so, als gäbe es die Naturwissenschaften nur, um irgendwie nützlich zu sein. Nein! Die Naturwissenschaft beginnt immer damit, dass jemand Kind genug ist, um eine Frage zu stellen, die erwachsene Leute nicht stellen, weil sie sich an eine Scheinantwort schon zu sehr gewöhnt haben.

Newton fragte sich, warum ein Apfel zwar vom Baum fällt, der Mond aber nicht vom Himmel. Das wäre - wenn er sie hier im Forum gestellt hätte - bestimmt auch eine Frage, die Dich wundern würde.

Michael

Nunja, gerade das Beispiel des fallenden Baumes
finde ich hochinteressant. Denn die „einfache“ Mathematik versagt
bei der Beschreibung eines solch elementaren Vorgangs …

Die geschichte mit der Waage finde ich auch ganz net, zeigt sie doch
inwiefern die üblichen elementaren Erhaltungssätze manchmal doch
Probleme bereiten.

Gruss

Moin, watergolf,

„Mit welcher Beschleunigung fällt ein Baum um? (Kronf,
6.4.2010 19:52)“

ich habe den Thread nicht verfolgt, hoffe aber, dass der Fragesteller inzwischen gelernt hat, dass die Frage selbst schon einen Denkfehler enthält: Ein Baum fällt nicht mit einer Beschleunigung, sondern wegen der Erdanziehung und erreicht dabei eine (End-)Geschwindigkeit.

„Der genaue zeitliche Verlauf der Geschwindigkeit kann nicht
vorherbestimmt werden, da …“

Noch nicht mal der ungefähre, deshalb ist dieses Beispiel zum Lernen oder gar zum Herleiten denkbar ungeeignet. Wer das Umkippen durchdenken will, sollte erstmal einen Besenstiel umschmeißen und schauen, was passiert.

Gruß Ralf

als Betroffener… Re: Rätselhafte Physik
mag ich mich dazu mal äußern:
entschuldigung angenommen!

ist es denn so praxisfern, wenn man seinen Horizont erweitern will? (war jetzt leicht provokant von mir…)

Zur Illustration ist eigentlich immer etwas Reduziertes für eine Theorie zu Rate zu ziehen. Inhaltlich macht es so keinen Sinn. Der ursprüngliche Gedanke für meine Frage war weit komplexer - passt aber nach meinem heutigen Wissen nicht mehr zur Käfig-Vogel-Waage-Theorie. Hätte ich nun angefangen zu erzählen, dass das verschwindende Ozon (damals halt) evtl. Auswirkungen auf den herrschenden Luftdruck hat - dann wäre alles von mir in der Luft (da isse wieder) zerissen worden.

So gibts doch einige nette Beiträge

Also: was ist Deine Schätzung? Was zeigt die Waage?

inwiefern die üblichen elementaren Erhaltungssätze manchmal
doch
Probleme bereiten.

… da war doch auch mal was mit einem Kreisel im Vakkum, der bei einer bestimmten Geschwindigkeit nicht langsamer wird und erst Jahre Später wurden Kräfte gefunden, die auf diesen einwirken.
… oder irgendwann im 19.Jh. die Frage, warum sich ein meit 4-flügeliger Rotor - jeweils eine Seite silber, eine Seite scharze in einer Glaskugel bei Lichteinfall dreht

das bereitete auch erhebliche Probleme

… Ein Stahlstab
würde sich verbiegen, der Schornstein zerbricht, der Baumstamm
kann, wegen der Dicke, beides nicht, er muss eine mittlere
Geschwindigkeit annehmen.

Tut er aber nicht - er fällt mit beschleunigter WINKEL-Geschwindigkeit, und das ist was ganz anderes, deswegen kommen ja so unangenehme Sachen ins Spiel wie das Trägheitsmoment bei verschiedener Kronenform usw.

Der Fuss des Baumes fällt zunächst schlichtweg überhaupt nicht, und wenn er endgültig abbricht, dann nur ein kleines Stück. Es bleibt aber dabei, dass die Spitze viel schneller fällt - wo soll da eine mittlere Geschwindigkeit herkommen? Darüber kann man reden, wenn ihn ein Hubschrauber fallenlässt.

Physikalisch ist das ein senkrecht stehendes Pendel - und die Frage „wie schnell fällt ein Pendel“ ist völlig unsinnig.

Eigentlich lohnt sich die Diskussion solchen Schwachsinns nicht, und hier im Forum führen solche Diskussionen auch meistens zu garnichts oder zu schlicht falschen Ergebnissen. Das ist der GIGO-Effekt: garbage in garbage out.

Gruss Reinhard

Jessas ja Reinhard, es ging garnicht um den Baum, allein um solche unernsten Fragen, die einen Rattenschwanz an lustigen Antworten auslösen und kluge, wie Dein Hinweis auf Winkelgeschw. Gruß, eck.

Vielen Dank …
… für Eure interessanten, aufschlussreichen Antworten - jetzt verstehe ich, warum Ihr solche mathematische Akrobatik betreibt.
In meiner Frage hatte ich gesagt, dass mir die Beispiele mit dem Ballon und dem Vogelkäfig als Aufgabenstellung für physikalische Berechnungen durchaus verständlich sind.
Mit dem stürzenden Baum hatte ich große Probleme; aber der scheint für Euch kein echter Baum zu sein, sondern nur ein virtueller, an dem man Rechenkünste ausprobieren kann.
Übrigens: wenn der Baumfäll-Fragesteller nach der Beschleunigung eines fallenden nackten Mastes gefragt hätte, dann wäre ich nicht ins Grübeln geraten.

Grüße
Pit

Wunderschön!
Moin Michael,

„geistiges Bergsteigen“ - das gefällt mir!
Physiker hangeln sich mit ihren Berechnungen durch mathematische Steilwände und Abgründe; Philologen wühlen sich durch sprachliche und literarische Steinbrüche und versuchen, aus den Fundstücken ein stimmiges Ganzes zu bilden.

Newton fragte sich, warum ein Apfel zwar vom Baum fällt, der
Mond aber nicht vom Himmel. Das wäre - wenn er sie hier im
Forum gestellt hätte - bestimmt auch eine Frage, die Dich
wundern würde.

Als ich nch klein war, hätte mich das bestimmt gewundert, aber sooo wissenschaftsdoof bin ich nun doch nicht mehr :wink:

Grüße
Pit