Räute, Räude, Reite oder Reide

Hallo!

Ein Schlüssel besteht aus zwei Teilen: dem Ring und dem Bart
Im Wikipedia habe ich Folgendes gefunden: Reite, Reide, Räude und Räute. Aber woher kommen diese Wörter? Im Duden sind sie nicht zu finden

Grüße

Du meinst das hier ?

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schlüsselbegriffe.jpg#/media/Datei:Schlüsselbegriffe.jpg

Die Fachbegriffe sind wie in anderen Fällen auch, historisch und regional, aus den jeweiligen Umgangssprachen(Mundarten) entstanden. Im Süden nannte man es eben so, im Norden wieder (etwas) anders. Das gibt es immer wieder.

MfG
duck313

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Hallo Nadja,

damit Du auf

noch etwas mehr erfährst als „das ist eben hier so, und woanders so, und irgendwie überhaupt“:

Es gibt zu der Reide des Schlüssels (das ist die im Zusammenhang mit der Herkunft des Wortes richtige Schreibweise) ein althochdeutsches Verb rîdan = drehen, das über das mittelhochdeutsche rîden, das die von dort aus regelmäßige Entwicklung zum heutigen reiden, reidn nur noch in Teilen des Bairischen und den Dialekten in Tirol und Kärnten mitgemacht hat.

Sehr interessant an diesem Verb ist, dass es genau entgegengesetzt zu sehr vielen aus romanischen Sprachen eingewanderten deutschen Wörtern vom Althochdeutschen aus mit (Frz.) rider = (ver)drehen und (It.) riddare = einen Reigen tanzen, im Kreis tanzen den Weg in zwei romanische Sprachen, das Französische und das Italienische, genommen hat.

Die Schreibweisen Reite, Räude und Räute würde ich vermeiden, weil sie einen scheinbaren Zusammenhang mit ganz anderen Wortstämmen vorgaukeln.

Schöne Grüße

MM

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Als Ergänzung möchte ich sagen, dass mir bis auf „Räude“ alle Begriffe völlig unbekannt sind.
„Räude“ kenne ich, aber nicht im Zusammenhang mit Schlüsseln, sondern als Erkrankung von Tieren.

Ich schätze die Nordgrenze für dieses Wort auf etwa 49. Breitengrad - außerdem darf man es wohl in die Klasse „aussterbende Wörter“ einreihen, zusammen mit Worb, Sech, Fallenstock, Türstein, Zirne, Kratten, Heinze, Ausgedinge usw.

Schöne Grüße

MM

Hallo Aprilfisch! Was bedeuten diese aussterbenden Wörter? Im Duden gibt es keine Spur davon:
Sech
Fallenstock:
Türstein
Zirne
Kratten
Heinze
Ausgedinge

Danke

„Fallenstock“ habe ich gefunden
Ein Fallenstock dient in der Wasserwirtschaft zur Regulierung eines Wasser(zu)laufs z. B. zu einer Wassermühle, einem bewirtschafteten Teich oder zur Bewässerung. Dabei wird neben einer Staumauer oder einem Wehr eine variable Stauwand eingesetzt. Diese wird zur Regulierung des Zuflusses angehoben oder gesenkt. Das Oberwasser führt zur Mühle oder Teich, das überschüssige Wasser folgt als Unterwasser weiter dem Bach- oder Flusslauf.

„Sech“ habe ich gefunden
Der Begriff Sech bezeichnet:

„Ausgedinge“ ist sogar im Duden

„Heinze“ gibt es sogar im Duden

„Zirne“ finde ich nicht. Meinst du „Zinne“?

„Kratt“ bedeutet Eichengestrüpp
Krattler gibt es sogar:
Substantiv, maskulin – Mensch, der nicht viel taugt; Tagedieb …

Türstein finde ich nicht. Vielleicht ist das ein Stein vor der Tür. Aber zu welchem Zweck?

Altenteil (besonders eines Bauern)
mittelhochdeutsch gedinge, althochdeutsch gidingi = Vertrag, zu: dingōn, dingen

  1. Holzgestell zum Trocknen von Klee und Heu

  2. Stiefelknecht

Hallo Nadja,

fast alle stammen aus der Landwirtschaft, die sich im Lauf der vergangenen sechzig Jahre stark verändert hat. Außer Sech und Heinze sind die Wörter eher auf den oberdeutschen Raum beschränkt, aber keine Dialekt-Ausdrücke.

Den Wahrig, der dem Oberdeutschen recht aufgeschlossen begegnet, habe ich gerade nicht bei der Hand. Im „Digitalen Grimm“, einem großartigen Werk der Universität Trier, habe ich immerhin einige davon gefunden - zu Ausgedinge und Heinze allerdings nur die zugehörigen Verben, und den Kratten in etwas anderer Schreibweise.

Sech = eine Art Klinge, die beim Pflug vor der Schar angeordnet ist und den „Balken“ von Boden, der dann mit Schar und Streichblech gewendet wird, abtrennt.

Fallenstock = die mit einem Schraubengewinde versehene Spindel, mit der ein Blech oder Brett (= Falle) in der Höhe verstellt werden kann, mit dem der Durchfluss bei Kanälen oder der Abfluss bei Teichen reguliert wird.

Türstein = die aus einem Stück Stein gehauene Schwelle oder Schwellen an der Eingangstür eines Hauses oder Hofes.

Zirne = nicht sehr großer, runder Korb; oft, aber nicht immer, mit dem Inhalt 1 Simri = 22 Liter.

Kratten = länglicher Korb, oft aus Holzspänen geflochten, wie er z.B. für Kirschen oder Zwetschgen mit 2,5 Inhalt verwendet wird.

Heinze = ein einfaches Gerüst aus drei zusammengestellten Pfählen und sechs kürzeren Querhölzern zum Trocknen vor allem von Klee und Luzerne (die das Wenden nicht vertragen), aber auch von Heu bei unsicherem Wetter. Wie man die „Heubet“ mit Heinzen gemacht hat, kann man hier sehen:

https://www.tposcht.ch/news/heuen-wie-zu-gotthelfs-zeiten/

Ausgedinge oder Ausdinghaus, auch Altenteil, ist das zu einem Bauernhof gehörige kleine Häuslein, in dem nach Übergabe an den Hoferben oder die Hoferbin deren Eltern wohnen, getrennt vom Haushalt des Bauern, damit es keinen Streit gibt.

Schöne Grüße

MM

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  • ach, und wenn wir grad beim Heumachen sind:

Das grobe Zusammenrechen von Heu, um es über Nacht vor dem morgendlichen Tau zu schützen, heißt „schochen“, und die kleinen Haufen, die entstehen, wenn man nicht entlang der Mahd (noch ein aussterbendes Wort!) schocht, sondern so, wie halt einer, wenn er alles an einem Ort in der Mitte zusammennimmt, was er mit dem Heurechen erreichen kann, heißen „Birling“ (wegen der Form, die an eine Birne denken lässt). Wenn man sie am anderen Morgen am späten Vormittag, wenn die Sonne wieder Kraft hat, mit der Heugabel verteilt, heißt das „verzetteln“.

Und wenn jetzt jemand im früher viele Jahrhunderte lang sehr armen Südwesten sei es als tüchtiger Bauer oder als tüchtiger Kaufmann oder tüchtiger Handwerker oder Industrieller ein ungewöhnliches Vermögen zusammengebracht hat, während - wie so oft - alle in Frage kommenden Nachfolger nicht so viel taugen, sagt man:

Jetzt will ich bloß sehen, wer die Birlinge wieder verzettelt, die der geschochet hat!

In diesem Sinne

MM
(nicht mehr viel, und Du verstehst gesprochenes Deutsch einschließlich der südlichen Dialekte so gut, dass ich Dir den wunderschönen Film ‚Daheim sterben die Leut‘’ empfehlen kann…)

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Danke Aprilfisch

Danke! Das Wort kannte ich.

Danke für die Empfehlung. Es wird aber sehr schwierig werden an den Film zu kommen.

Das finde ich sehr interessant

Hi

den Film gibt es auf DVD zu kaufen

Gruß hex

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