RAF - 'Kampf gegen den Rechtsstaat' u.a

Servus zusammen,

wie hat die RAF den Kampf gegen den Rechtsstaat begründet?

Was waren die Ziele der 1. RAF Generation?

mfg,

Hanzo

P.S. >.> Nein ich will keine Bildpropaganda hier stehen haben, sondern meine Fragen beantwortet und nein ich diskutiere mein P.S. Teil nicht…

Hallo,

die RAF hat „den Kampf“ gegen den Rechtsstaat" niemals begründet, da sie den Staat eben nicht als Rechts- sondern als Unrechtsstaat/System ansah.

mfg

tf

Frage: Was ist dein P.S. Teil?

Hi,

wie begründeten sie dan den Kampf gegen den Unrechtsstaat?

Mein P.S. ist das, was meistens ganz unten eines Beitrages ist und wo P.S. meistens davor steht. Schau nochmal nach.

mfg,
Hanzo

Hallo,
Gudrun Ensslin veröffentlichte am 5. Juni 1970 in der Zeitschrift „Agit 883 - Zeitschrift für Agitation und sozialistische Praxis“ einen Artikel Die Rote Armee aufbauen!. Daraus folgende Zitate:

_"Was heißt: Die Konflikte auf die Spitze treiben? Das heißt: Sich nicht abschlachten lassen. Deshalb bauen wir die Rote Armee auf. Hinter den Eltern stehen die Lehrer, das Jugendamt, die Polizei. Hinter dem Vorarbeiter steht der Meister, das Personalbüro, der Werkschutz, die Fürsorge, die Polizei. Hinter dem Hauswart steht der Verwalter, der Hausbesitzer, der Gerichtsvollzieher, die Räumungsklage, die Polizei. Was die Schweine mit Zensuren, Entlassungen, Kündigungen, mit Kuckuck und Schlagstock schaffen, schaffen sie damit. Klar, daß sie zur Dienstpistole greifen, zu Tränengas, Handgranaten und MPs, klar, daß sie die Mittel eskalieren, wenn sie anders nicht weiterkommen. Klar, daß die GIs in Vietnam auf Guerilla-Taktik umgeschult wurden, die Green-Berretts auf Folterkurs gebracht. Na und? Klar, daß der Strafvollzug für Politische verschärft wird.

Ihr habt klarzumachen, daß das sozialdemokratischer Dreck ist, zu behaupten, der Imperialismus […] ließe sich unterwandern, nasführen, überrumpeln, einschüchtern, kampflos abschaffen. Macht das klar, daß die Revolution kein Osterspaziergang sein wird. Daß die Schweine die Mittel natürlich so weit eskalieren werden, wie sie können, aber auch nicht weiter. Um die Konflikte auf die Spitze treiben zu können, bauen wir die Rote Armee auf.

Ohne gleichzeitig die Rote Armee aufzubauen, verkommt jeder Konflikt, jede politische Arbeit […] zu Reformismus, d. h.: Ihr setzt nur bessere Disziplinierungsmittel durch, bessere Einschüchterungsmethoden, bessere Ausbeutungsmethoden. Das macht das Volk nur kaputt, das macht nicht kaputt, was das Volk kaputt macht!

Ohne die Rote Armee aufzubauen, können die Schweine alles machen, können die Schweine weitermachen: Einsperren, Entlassen, Pfänden, Kinder stehlen, Einschüchtern, Schießen, Herrschen. Die Konflikte auf die Spitze treiben heißt: Daß die nicht mehr können, was die wollen, sondern machen müssen, was wir wollen."_

Ist vor allem bemerkenswert als frühester Versuch einer theoretischen Begründung des bewaffneten Kampfes gegen das „Schweinesystem“. Unmittelbarer Anlass war die Befreiung Andreas Baaders am 14.05.1970. Dabei wurden zwei Justizbeamte verletzt, einer durch Schüsse aus einer Tränengaspistole. Die zitierte Erklärung diente vor allem der Rechtfertigung gegenüber dem Teil der Linken, die bewaffnete Aktionen ablehnten.

Sehr viel differenzierter und auf theoretisch deutlich anderem Niveau ist das Manifest Das Konzept Stadtguerilla vom April 1971, das eindeutig die Handschrift Ulrike Meinhofs trägt. Daraus folgende Auszüge:

_"Wir behaupten, daß die Organisierung von bewaffneten Widerstandsgruppen zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik und Westberlin richtig ist, möglich ist, gerechtfertigt ist. Daß es richtig, möglich und gerechtfertigt ist, hier und jetzt Stadtguerilla zu machen. Daß der bewaffnete Kampf als „die höchste Form des Marxismus-Leninismus“ (Mao) jetzt begonnen werden kann und muß, daß es ohne das keinen antiimperialistischen Kampf in den Metropolen gibt.

Wir sagen nicht, daß die Organisierung illegaler bewaffneter Widerstandsgrupen legale proletarische Organisationen ersetzen könnte und Einzelaktionen Klassenkämpfe, und nicht, daß der bewaffnete Kampf die politische Arbeit im Betrieb und im Stadtteil ersetzen könnte. Wir behaupten nur, daß das eine die Voraussetzung für den Erfolg und den Fortschritt des anderen ist. Wir sind keine Blanquisten und keine Anarchisten, obwohl wir Blanqui für einen großen Revolutionär halten und den persönlichen Heroismus vieler Anarchisten für ganz und gar nicht verächtlich.

[…]

Mit den Notstandsgesetzen hat man sich das Instrument geschaffen, das einheitliches Handeln der Herrschenden auch in zukünftigen Krisensituationen sichert - die Einheit zwischen politischer Reaktion und allen, denen an Legalität noch gelegen sein würde. Der sozial-liberalen Koalition ist es gelungen, die „Unzufriedenheit“, die sich durch Studentenbewegung und außerparlamentarische Bewegung bemerkbar gemacht hatte, weitgehend zu absorbieren, insofern der Reformismus der Sozialdemokratischen Partei im Bewußtsein ihrer Anhänger noch nicht abgewirtschaftet hat, sie mit ihren Reformversprechen auch für große Teile der Intelligenz die Aktualität einer kommunistischen Alternative aufschieben, dem antikapitalistischen Protest die Schärfe nehmen konnte. Ihre Ostpolitik erschließt dem Kapital neue Märkte, besorgt den deutschen Beitrag zum Ausgleich und Bündnis zwischen US-Imperialismus und Sowjetunion, den die USA brauchen, um freie Hand für ihre Aggressionskriege in der Dritten Welt zu haben.

[…]

Die Tatsache, daß die Bundesrepublik mit ihren annähernd zwei Millionen ausländischen Arbeitern in der sich abzeichnenden Rezession eine Arbeitslosigkeit bis zu annähernd 10 Prozent dazu wird benutzen können, den ganzen Terror, den ganzen Disziplinierungsmechanismus, der Arbeitslosigkeit für das Proletariat bedeutet, zu entfalten, ohne ein Heer von Arbeitslosen verkraften zu müssen, ohne die politische Radikalisierung dieser Massen am Hals zu haben, verschafft einen Begriff von der Stärke des Systems.

Durch Entwicklungs- und Militärhilfe an den Aggressionskriegen der USA beteiligt, profitiert die Bundesrepublik von der Ausbeutung der Dritten Welt, ohne die Verantwortung für diese Kriege zu haben, ohne sich deswegen mit einer Opposition im Innern streiten zu müssen. Nicht weniger aggressiv als der US-Imperialismus, ist sie doch weniger angreifbar.

Die politischen Möglichkeiten des Imperialismus sind hier weder in ihrer reformistischen noch in ihrer faschistischen Variante erschöpft, seine Fähigkeiten, die von ihm selbst erzeugten Widersprüche zu integrieren oder zu unterdrücken, nicht am Ende.

Das Konzept Stadtguerilla der Roten Armee Fraktion basiert nicht auf einer optimistischen Einschätzung der Situation in der Bundesrepublik und Westberlin.

[…]

Wir bezweifeln, ob es unter den gegenwärtigen Bedingungen in der Bundesrepublik und Westberlin überhaupt schon möglich ist, eine die Arbeiterklasse vereinigende Strategie zu entwickeln, eine Organisation zu schaffen, die gleichzeitig Ausdruck und Initiator des notwendigen Vereinheitlichungsprozesses sein kann. Wir bezweifeln, daß sich das Bündnis zwischen der sozialistischen Intelligenz und dem Proletariat durch programmatische Erklärungen „schweißen“, durch ihrem Anspruch nach proletarische Organisationen erzwingen läßt. Die Tropfen und Rinnsale über die Niederträchtigkeiten des deutschen Lebens sammelt bislang noch der Springer-Konzern und leitet sie neuen Niederträchtigkeiten zu.

Wir behaupten, daß ohne revolutionäre Initiative, ohne die praktische revolutionäre Intervention der Avantgarde, der sozialistischen Arbeiter und Intellektuellen, ohne den konkreten antiimperialistischen Kampf es keinen Vereinheitlichungsprozeß gibt, daß das Bündnis nur in gemeinsamen Kämpfen hergestellt wird oder nicht, in denen der bewußte Teil der Arbeiter und Intellektuellen nicht Regie zu führen, sondern voranzugehen hat.

[…]

Eine Führungsrolle der Marxisten-Leninisten in zukünftigen Klassenkämpfen wird es nicht geben, wenn die Avantgarde selbst nicht das Rote Banner des Proletarischen Internationalismus hochhält und wenn die Avantgarde selbst die Frage nicht beantwortet, wie die Diktatur des Proletariats zu errichten sein wird, wie die politische Macht des Proletariats zu erlangen, wie die Macht der Bourgeoisie zu brechen ist, und durch keine Praxis darauf vorbereitet ist, sie zu beantworten. Die Klassenanalyse, die wir brauchen, ist nicht zu machen ohne revolutionäre Praxis, ohne revolutionäre Initiative.

[…]

Die „revolutionären Übergangsforderungen“, die die proletarischen Organisationen landauf landab aufgestellt haben, wie Kampf der Intensivierung der Ausbeutung, Verkürzung der Arbeitszeit, gegen die Vergeudung von gesellschaftlichem Reichtum, gleicher Lohn für Männer und Frauen und ausländische Arbeiter, gegen Akkordhetze etc., - diese Übergangsforderungen sind nichts als gewerkschaftlicher Ökonomismus, solange nicht gleichzeitig die Frage beantwortet wird, wie der politische, militärische und propagandistische Druck zu brechen sein wird, der sich schon diesen Forderungen aggressiv in den Weg stellen wird, wenn sie in massenhaften Klassenkämpfen erhoben werden. Dann aber - wenn es bei ihnen bleibt - sind sie nur noch ökonomistischer Dreck, weil es sich um sie nicht lohnt, den revolutionären Kampf aufzunehmen und zum Sieg zu führen, wenn „siegen heißt, prinzipiell akzeptieren, daß das Leben nicht das höchste Gut des Revolutionärs ist“ (Debray). Mit diesen Forderungen kann man gewerkschaftlich intervenieren - „die tradeunionistische Politik der Arbeiterklasse ist aber eben bürgerliche Politik der Arbeiterklasse“ (Lenin). Eine revolutionäre Interventionsmethode ist sie nicht.

Die sogenannten proletarischen Organisationen unterscheiden sich, wenn sie die Frage der Bewaffnung als Antwort auf die Notstandsgesetze, die Bundeswehr, den Bundesgrenzschutz, die Polizei, die Springerpresse nicht aufwerfen, opportunistisch verschweigen, nur insoweit von der DKP, als sie noch weniger in den Massen verankert sind, als sie wortradikaler sind, als sie theoretisch mehr drauf haben. Praktisch begeben sie sich auf das Niveau von Bürgerrechtlern, die es auf Popularität um jeden Preis abgesehen haben, unterstützen sie die Lügen der Bourgeoisie, daß in diesem Staat mit den Mitteln der parlamentarischen Demokratie noch was auszurichten sei, ermutigen sie das Proletariat zu Kämpfen, die angesichts des Potentials an Gewalt in diesem Staat nur verloren werden können - auf barbarische Weise. „Diese marxistisch-leninistischen Fraktionen oder Parteien“ - schreibt Debray über die Kommunisten in Lateinamerika - „bewegen sich innerhalb derselben politischen Fragestellungen, wie sie von der Bourgeoisie beherrscht werden. Anstatt sie zu verändern, haben sie dazu beigetragen, sie noch fester zu verankern …“

[…]

Die Rote Armee Fraktion redet vom Primat der Praxis. Ob es richtig ist, den bewaffneten Widerstand jetzt zu organisieren, hängt davon ab, ob es möglich ist; ob es möglich ist, ist nur praktisch zu ermitteln.

[…]

Was Stadtguerilla machen kann, hat die Studentenbewegung teilweise schon gewußt. Sie kann die Agitation und Propaganda, worauf linke Arbeit noch reduziert ist, konkret machen. Das kann man sich für die Springerkampagne von damals vorstellen und für die Carbora-Bassa-Kampagne der Heidelberger Studenten, für die Hausbesetzungen in Frankfurt, in bezug auf die Militärhilfen, die die Bundesrepublik den Kompradoren-Regimes in Afrika gibt, in bezug auf die Kritik am Strafvollzug und an der Klassenjustiz, am Werkschutz und innerbetrieblicher Justiz. Sie kann den verbalen Internationalismus konkretisieren als die Beschaffung von Waffen und Geld. Sie kann die Waffe des Systems, die Illegalisierung von Kommunisten, stumpf machen, indem sie einen Untergrund organisiert, der dem Zugriff der Polizei entzogen bleibt. Stadtguerilla ist eine Waffe im Klassenkampf.

Stadtguerilla ist bewaffneter Kampf, insofern es die Polizei ist, die rücksichtslos von der Schußwaffe Gebrauch macht, und die Klassenjustiz, die Kurras freispricht und die Genossen lebendig begräbt, wenn wir sie nicht daran hindern. Stadtguerillla heißt, sich von der Gewalt des Systems nicht demoralisieren zu lassen.

Stadtguerilla zielt darauf, den staatlichen Herrschaftsapparat an einzelnen Punkten zu destruieren, stellenweise außer Kraft zu setzen, den Mythos von der Allgegenwart des Systems und seiner Unverletzbarkeit zu zerstören.

[…]

Manche sagen, die politischen Möglichkeiten der Organisierung, der Agitation, der Propaganda seien noch längst nicht erschöpft, aber erst dann, wenn sie erschöpft seien, könnte man die Frage der Bewaffnung aufwerfen. Wir sagen: Die politischen Möglichkeiten werden solange nicht wirklich ausgenutzt werden können, solange das Ziel, der bewaffnete Kampf, nicht als das Ziel der Politisierung zu erkennen ist, solange die strategische Bestimmung, daß alle Reaktionäre Papiertiger sind, nicht hinter der taktischen Bestimmung, daß sie Verbrecher, Mörder, Ausbeuter sind, zu erkennen ist.

Von „bewaffneter Propaganda“ werden wir nicht reden, sondern werden sie machen.

[…]

Legalität ist die Ideologie des Parlamentarismus, der Sozialpartnerschaft, der pluralistischen Gesellschaft. Sie wird zum Fetisch, wenn die, die darauf pochen, ignorieren, daß Telefone legal abgehört werden, Post legal kontrolliert, Nachbarn legal befragt, Denunzianten legal bezahlt, daß legal observiert wird - daß die Organisierung von politischer Arbeit, wenn sie dem Zugriff der politischen Polizei nicht permanent ausgesetzt sein will, gleichzeitig legal und illegal zu sein hat.

Wir setzen nicht auf die spontane antifaschistische Mobilisierung durch Terror und Faschismus selbst und halten Legalität nicht nur für Korrumpierung und wissen, daß unsere Arbeit Vorwände liefert […]. Und für noch mehr Vorwand, weil wir Kommunisten sind und es davon, ob die Kommunisten sich organisieren und kämpfen, abhängt, ob Terror und Repression nur Angst und Resignation bewirken oder Widerstand und Klassenhaß und Solidarität provozieren, ob das hier alles so glatt im Sinn des Imperialismus über die Bühne geht oder nicht. Weil es davon abhängt, ob die Kommunisten so einfältig sind, alles mit sich machen zu lassen, oder die Legalität u.a. dazu benutzen, die Illegalität zu organisieren, statt das eine vor dem anderen zu fetischisieren.

[…]

Die Rote Armee Fraktion organisiert die Illegalität als Offensiv-Position für revolutionäre Intervention.

Stadtguerilla machen heißt, den antiimperialistischen Kampf offensiv führen. Die Rote Armee Fraktion stellt die Verbindung her zwischen legalem und illegalem Kampf, zwischen nationalem und internationalem Kampf, zwischen politischem und bewaffnetem Kampf, zwischen der strategischen und der taktischen Bestimmung der internationalen kommunistischen Bewegung.

Stadtguerilla heißt, trotz der Schwäche der revolutionären Kräfte in der Bundesrepublik und Westberlin hier und jetzt revolutionär intervenieren!

Entweder sie sind ein Teil des Problems, oder sie sind ein Teil der Lösung."_

Lektüre: ISBN 3894080655 Buch anschauen

Freundliche Grüße,
Ralf