Rassismus in der Grundschule

Hallo Bob,

Meine schwarze Tochter kam in den letzten drei Wochen gehäuft
mit rassistischen Worten (Neger, Negerkuss usw.) und
Sticheleien nach Hause, die ihr dort widerfahren sind.

Bestimmte Kinder suchen zum Piesacken anderer gerade die weichen Stellen, die erfolgreich weh tun. Ist das schon Rassismus? Ich verstehe Rassismus, dass man jemanden mit einer anderen Hautfarbe die Rechte nimmt, die man für sich in Anspruch nimmt. Soweit geht das doch noch nicht in der Klasse, oder?

Nichtsdestotrotz war es mir ein Bedürfnis, das Problem,
welches wirklich gar nicht so groß war, ohne großes Aufheben
auf der Elternratssitzung anzusprechen. Deswegen fragte ich
die Lehrerin, ob es
a) einen Grund dafür gäbe, dass „Neger“-Beschimpfungen etc. in
der letzten Zeit häufiger als sonst vorkämen
b) ob ihr das auch aufgefallen sei und
c) wie sie damit umgeht.

Deine Nachfrage wäre in einem Zweiaugengespräch besser gewesen. Dann wäre dir die mühsame Diskussion um die Schuldfrage erspart geblieben (denn so hast du automatisch Betroffenheit und Abwehr ausgelöst), und du hättest mit der Lehrerin besprechen können, was sie beobachtet hat und was sie gegen Fehlverhalten tut.

Auf diese Frage reagierten die anwesenden Eltern
folgendermaßen:

  • meine Tochter ist kein Rassist!
  • wir sind keine Nazis!

Ich wundere mich darüber, wieso bei deinen nüchtern wirkenden Fragen so emotionsgeladene Reaktionen entstehen, mit solchen Worten wie z.B. Nazi. Das steht in keinem Verhältnis zu der Angelegenheit.

Schade fand ich, dass die Lehrerin ebenfalls die übliche
Beschimpfungen („Fettsack“, „Arschloch“, „Brillenschlange“)
mit rassistischen Beschimpfungen („Neger“, „Kanacke“ usf.)
gleichstellte: Sie meinte nur, dass sie darauf natürlich
eingeht und dem Kind signalisiert: So wie du bist, bist du
gut.

Sie hat für den Abend Schadensbegrenzung betrieben, weil es noch anderes zu besprechen gab - nehme ich einmal an.

Tolle Blümchenpädagogik! Tigerenten-Grundschul-Mentalität,
fällt mir da nur wütend zu ein.

Warum wertest du ihre Meinung ab, ohne dich mit ihr darüber ausgetauscht zu haben? Bei allem Respekt vor deinen Gefühlen (Wut ist ein schlechter Ratgeber) kann ich die Grundschullehrerin verstehen. Wenn deine Tochter in die Klassengemeinschaft integriert werden soll, dann wird sie sich um Gleichbehandlung bemühen. Wenn sie gegen jeden „Negerspruch“ scharf reagiert, wird Rassismus dann doch zum Thema in der Klasse, doch da will sie wahrscheinlich gar nicht hin. Die Hänseleien sollen aufhören, egal was gesagt wird.

Gehört ihr auch

  • zu denjenigen, die nicht den Unterschied zwischen „Fettsack“
    und „Negerkuss“ erkennen (wollen)

Es gibt Rassismus überall, das will ich nicht bestreiten. Aber bei Kindern in der Grundschule ist das noch kein Thema, außer die Eltern machen es zu einem.

  • zu denjenigen, denen man nicht sagen kann, dass man sich
    beleidigt fühlt (außer bei „Fettsack“, „Hurensohn“ oder was
    man sonst noch so hört, das ist egal, darauf kann man sich
    einigen!)

Doch, wenn es in einem vernünftigen Ton geschieht. Das passiert mir auch mit anderen Menschen, dass ich etwas sage, was sie kränkt, was ich aber nicht beabsichtigte. Das kann man mit ein paar Worten klären, und gut ist es.

P.S. Wohlgemerkt: Meine Tochter hat momentan überhaupt kein
größeres Problem damit, der Vater wollte einfach nur mal
fragen, wie mit solchen Wörtern von Seiten der Lehrerin (und
der Eltern) umgegangen wird.

Wir leben in einer größeren Stadt, und in der Klasse meiner Tochter sind bei 30 Kindern ein 1/3 davon Kinder ausländischer Eltern. Da kann man sich vorstellen, dass auf dem Pausenhof außer „du Neger“ auch „na, du Iwan“ (Weißrusse) oder „schicke Mütze, du Muffti“ (Türke) zu hören ist. Die Lehrer können froh sein, wenn Kinder vieles unter sich ausmachen und die Eltern nur in untragbaren Situationen sich einmischen. Sie haben schließlich bei den Schülern mit den kulturell bedingten Mißverständnissen genug zu tun.

Auch meine Tochter hat schon Ausgegrenzung in ihrer Klasse erlebt, obwohl sie nicht farbig ist - was sie genauso unangenehm empfindet wie jedes andere Kind auch, unter welchem Vorzeichen auch immer. Ich habe gute Erfahrungen mit Lehrergesprächen gemacht unter dem Motto „was können wir tun“, und ich habe dann häufiger ein paar Kinder der Klasse zu uns eingeladen, damit sie sehen, dass meine Tochter nicht anders ist wie sie - es also keinen Grund zur Ausgrenzung gibt. Den Rest musste meine Tochter schaffen.

viele Grüße
claren