Recht auf Religiosität

Moin,

über dein Auftreten hier will ich mich mal nicht weiter äußern, aber das:

Allerdings muss ich Dir ehrlich
sagen das es mir egal ist wer genau wie wo die Hand in welche
Richtung hebt beim Segnen. In Tibet ist es allerdings, der
Form halber angemerkt, sehr weitverbreitet alles und jeden
segnen zu lassen. Deshalb fuehrte ich diese als Beispiel an.

zeugt von einer derart tiefgründigen Kenntnis der tibetischen Gesellschaft, des tibetischen Buddhismus im Allgemeinen und seiner unterschiedlichen Erscheinungsformen im besonderen, dass ich jetzt tatsächlich ersmal ne Runde Heulen gehe. Du kannst derweil in dem Endlosthread weiter unten ja deine unglaubliche Auffassungssgabe weiter unter Beweis stellen :smile:

Hier im Norden ist es übrigens auch sehr weitverbreite, alles und jeden segnen zu lassen. Die Leute heben irgendwie egal so eine Hand in irgend eine Richtung und rufen dabei MOIN!

Gruß
Marion

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buddhistischer ‚Segen‘
Hallo Marion und Patrick,
um zu entscheiden, ob es unter Buddhisten ein ‚Segnen‘ gibt, sollte man vielleicht zunächst einmal klären, was eigentlich unter ‚Segen‘ zu verstehen ist. Das dürfte ergiebiger als wildes herumgoogeln sein … zumal nach Bildern; der Augenschein trügt bekanntlich häufig.

Was also ist ‚buddhistischer Segen‘? In westlichen Übersetzungen wird gelegentlich der Begriff sampada (mE fahrlässig irreführend) mit ‚Segen‘ oder ‚blessing‘ wiedergegeben. Der Begriff bedeutet eigentlich (materieller) Wohlstand, Reichtum * - wird jedoch im buddhistischen Kontext in weiterem bzw. übertragenem Sinne gebraucht.

Klassisch ist dabei die Gruppierung in Fünfergruppen. Anguttara Nikaya V, 91 nennt Vertrauen (in die Lehre, shraddha), Sittlichkeit, Bildung/Wissen, Freigebigkeit und Weisheit. Anguttara Nikaya V, 92 führt Sittlichkeit, geistige Vertiefung, Weisheit, Befreiung und das mit Befreiung verbundene ‚Wissensauge‘ auf.

Von der Bedeutung ebenfalls in diese Richtung geht der Begriff chakra (pali cakka), ‚Rad‘ - der dann sinnbildlich gebraucht wird. So z.B. in Anguttara Nikaya IV, 31 das von ‚vier Rädern‘ (cakkani) spricht, deren Besitz zu ‚Reichtum‘ (sampattiyo) führt: „in günstigem Lande leben, mit guten Menschen verkehren, eigene rechte Gesinnung und einst gewirkte Verdienste“.

Entscheidend für das buddhistische Verständnis dieser ‚Segnungen‘ ist, dass sie nicht (auf Fürbitte) von einer transzendenten Macht gewährt bzw. von einem Segnenden übertragen, sondern auf Grund eigener Anstrengungen erworben werden. Entsprechend findet man als Übersetzung für sampada häufig auch (engl.) ‚attainment‘ - also ‚Erlangtes/Erreichtes‘ oder ‚zu Erlangendes/Erreichendes‘. Nyanatiloka/Nyanaponika übersetzen in der o.a. Stelle übrigens sampada weder mit ‚Segen‘ noch mit ‚Erlangung‘ (attainment), sondern mit ‚Bewährung‘.

Nun können natürlich diese sampada auch in Form eines Wunsches für andere Wesen ausgesprochen werden. Dies ist eine sinnvolle Übung für die Entwicklung selbstloser, liebender Güte (maitri/metta). Die einfachste Art, dies zu tun, ist etwa die buddhistische Grußformel sarva mangalam - etwa ‚mögen Alle glücklich sein‘. In welchen Traditionen und wie weit das Aussprechen solcher Wünsche in formellem bzw. liturgischen Rahmen geschieht, ist mir im Einzelnen nicht bekannt. In meiner eigenen Tradition (Zen) spielt solches formelles „Wünsche für Andere machen“ z.B. keine Rolle; hier steht hingegen die ‚Widmung‘ (eko) spirituellen Verdienstes (kudoku), das Sich-Entäußern davon zugunsten Anderer, im Zentrum der Liturgie.

Man kann sich nun die Frage stellen, ob das Aussprechen guter Wünsche für Andere (ggf. in formellem Rahmen) schon als ‚Segen‘ zu bezeichnen wäre, oder ob zu einem Segen eben auch der Bezug auf Gott oder eine andere transzendente Instanz gehört. ‚Pfüati‘ ([Gott] behüte Dich) ist ein Segen - ist es sarva mangalam (mögen Alle glücklich sein) auch? Das hängt einzig davon ab, wie weit oder eng man ‚Segen‘ definieren möchte.

Meiner persönlichen Meinung nach ist es einem tiefergehenden Verständnis nicht sonderlich dienlich, Definitionen allzu weit zu fassen und unter solcherart definierten Begriffen Dinge und Vorgänge zu subsumieren, die nur oberflächliche Gemeinsamkeiten aufweisen.

Freundliche Grüße,
Ralf

*Wörtlich bedeutet sampada ‚Zusammenfallen, Anhäufen‘ - vom Verb -pad (fallen, gehen nach) und dem Präfix sam- (zusammen). Vgl. die buddhistische Ordination upasampada (weiteres Präfix upa-, ‚nahe‘), also ‚nahe zusammengehen‘, ‚beitreten‘.

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Bravo und danke!
Hallo Ralf

So stelle ich mir eine EXPERTENantwort vor.
Vielen Dank und natürlich einen Sternengruss

Rolf

Hallo Ralf,

danke für deine Erläuterung. Vielleicht sollte ich demnächst erst 1000 Mal bis 10 zählen, bevor ich mich hier zu einer Antwort hinreißen lasse :smile:

Dennoch sollten wir nicht davor die Augen verschließen, dass es auch in Deutschland pseudo-buddhistische Gruppen gibt, die aus einem falsch verstandenen tibetischen Buddhismus heraus Dinge praktizieren, die eher an Personenkult oder Riten der katholischen Kircher erinnern, als noch irgendwas mit Buddhismus zutun zu haben. Wie man mit solchen Leuten dann im Endeffekt umgeht, ist vielleicht für den einen eine Frage der Einsicht, für den anderen eine des Gleichmuts. Ich übe :smile:

Lieben Gruß
Marion

Segen besser als ein Fluch

Gesegnet seist du, Guvo!

Meine Frau und ich sind mit unserer Nachbarin in Steit darüber
geraten, dass sie uns dauernd meint ´segnen´ zu müssen, wenn

Also ich würde mich darüber freuen. Sei doch glücklich darüber, dass
euch die Nachbarin nicht verflucht!

Ich wünsche dir alles Gute zum Neuen Jahr

Rolf