buddhistischer ‚Segen‘
Hallo Marion und Patrick,
um zu entscheiden, ob es unter Buddhisten ein ‚Segnen‘ gibt, sollte man vielleicht zunächst einmal klären, was eigentlich unter ‚Segen‘ zu verstehen ist. Das dürfte ergiebiger als wildes herumgoogeln sein … zumal nach Bildern; der Augenschein trügt bekanntlich häufig.
Was also ist ‚buddhistischer Segen‘? In westlichen Übersetzungen wird gelegentlich der Begriff sampada (mE fahrlässig irreführend) mit ‚Segen‘ oder ‚blessing‘ wiedergegeben. Der Begriff bedeutet eigentlich (materieller) Wohlstand, Reichtum * - wird jedoch im buddhistischen Kontext in weiterem bzw. übertragenem Sinne gebraucht.
Klassisch ist dabei die Gruppierung in Fünfergruppen. Anguttara Nikaya V, 91 nennt Vertrauen (in die Lehre, shraddha), Sittlichkeit, Bildung/Wissen, Freigebigkeit und Weisheit. Anguttara Nikaya V, 92 führt Sittlichkeit, geistige Vertiefung, Weisheit, Befreiung und das mit Befreiung verbundene ‚Wissensauge‘ auf.
Von der Bedeutung ebenfalls in diese Richtung geht der Begriff chakra (pali cakka), ‚Rad‘ - der dann sinnbildlich gebraucht wird. So z.B. in Anguttara Nikaya IV, 31 das von ‚vier Rädern‘ (cakkani) spricht, deren Besitz zu ‚Reichtum‘ (sampattiyo) führt: „in günstigem Lande leben, mit guten Menschen verkehren, eigene rechte Gesinnung und einst gewirkte Verdienste“.
Entscheidend für das buddhistische Verständnis dieser ‚Segnungen‘ ist, dass sie nicht (auf Fürbitte) von einer transzendenten Macht gewährt bzw. von einem Segnenden übertragen, sondern auf Grund eigener Anstrengungen erworben werden. Entsprechend findet man als Übersetzung für sampada häufig auch (engl.) ‚attainment‘ - also ‚Erlangtes/Erreichtes‘ oder ‚zu Erlangendes/Erreichendes‘. Nyanatiloka/Nyanaponika übersetzen in der o.a. Stelle übrigens sampada weder mit ‚Segen‘ noch mit ‚Erlangung‘ (attainment), sondern mit ‚Bewährung‘.
Nun können natürlich diese sampada auch in Form eines Wunsches für andere Wesen ausgesprochen werden. Dies ist eine sinnvolle Übung für die Entwicklung selbstloser, liebender Güte (maitri/metta). Die einfachste Art, dies zu tun, ist etwa die buddhistische Grußformel sarva mangalam - etwa ‚mögen Alle glücklich sein‘. In welchen Traditionen und wie weit das Aussprechen solcher Wünsche in formellem bzw. liturgischen Rahmen geschieht, ist mir im Einzelnen nicht bekannt. In meiner eigenen Tradition (Zen) spielt solches formelles „Wünsche für Andere machen“ z.B. keine Rolle; hier steht hingegen die ‚Widmung‘ (eko) spirituellen Verdienstes (kudoku), das Sich-Entäußern davon zugunsten Anderer, im Zentrum der Liturgie.
Man kann sich nun die Frage stellen, ob das Aussprechen guter Wünsche für Andere (ggf. in formellem Rahmen) schon als ‚Segen‘ zu bezeichnen wäre, oder ob zu einem Segen eben auch der Bezug auf Gott oder eine andere transzendente Instanz gehört. ‚Pfüati‘ ([Gott] behüte Dich) ist ein Segen - ist es sarva mangalam (mögen Alle glücklich sein) auch? Das hängt einzig davon ab, wie weit oder eng man ‚Segen‘ definieren möchte.
Meiner persönlichen Meinung nach ist es einem tiefergehenden Verständnis nicht sonderlich dienlich, Definitionen allzu weit zu fassen und unter solcherart definierten Begriffen Dinge und Vorgänge zu subsumieren, die nur oberflächliche Gemeinsamkeiten aufweisen.
Freundliche Grüße,
Ralf
*Wörtlich bedeutet sampada ‚Zusammenfallen, Anhäufen‘ - vom Verb -pad (fallen, gehen nach) und dem Präfix sam- (zusammen). Vgl. die buddhistische Ordination upasampada (weiteres Präfix upa-, ‚nahe‘), also ‚nahe zusammengehen‘, ‚beitreten‘.