Rechte und Pflichten

Hi all!

Der Polizist, als Schuetzer von Recht und Ordnung, kennt sich natuerlich mit seinen Rechten und Pflichten gut aus. Sollte er zumindest. Auch dem Polizisten, der er ja auch nur ein Mensch ist, kann mal etwas schieflaufen. Dem Nicht-Polizisten, der ja aber auch nur ein Mensch ist, kennt sich oftmals mit seinen Rechten gegenueber der Polizei nicht sehr gut aus. Da ich mich nur im Studium des britischen Rechts befinde, wuerde es mich interessieren, wo man sich diesbezueglich anhand deutscher Quellen orientieren kann. Im Falle eines Falles ist es eher peinlich, manchmal auch der Situation unangepasst, gleich mit anwaltlichem Beistand zu drohen. Der Polizist vertritt gegenueber dem Bueger die Ausfuehrung des Gesetzes. In diesen von ihm zu vetretenden Rechtskonventionen, muessen seine Verfuegungsgewalt ueber Ausuebung der Rechtsaufsicht jedoch gleichermassen Definition finden, wie ein Rechtsmass, dass der Buerger fuer sich erheben kann. Kann mir da jemand weiterhelfen, wenn ich sage, dass ich lediglich um reine Quellen- und Gesetzesbezeichnungen bitte.

Kindest rgds,

tigger

Polizeirecht ist Ländersache
Die Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse der Polizei ist Sache der Bundesländer. In Sachsen wird das alles im Sächsischen Polizeigesetz (SächsPolG) geregelt. Aber bitte aufpassen: „Polizei“ und „Polizeivollzugsdienst“ sind nicht dasselbe. Die Polizisten, die auf der Straße herumlaufen, gehören zum Polizeivollzugsdienst. Polizei besteht aus Polizeivollzugsdienst und Polizeibehörden; eine solche Behörde ist z.B. das Ordnungsamt einer Stadt. Die Parkzettel verteilenden „Politessen“ sind „gemeindlicher Vollzugsdienst“, aber kein Polizeivollzugsdienst, da gemeindliche und nicht Landes-Angestellte bzw. -Beamte.

Kurzum: Lies mal das Polizeigesetz Deines Landes. Da müßte alles drinstehen.

  • Django -

Die Parkzettel verteilenden „Politessen“ sind „gemeindlicher :Vollzugsdienst“, aber kein Polizeivollzugsdienst, da :gemeindliche und nicht Landes-Angestellte bzw. -Beamte.

Mensch, Django, Deine Sachkenntnis in allen Ehren. Da kann man nichts drauf kommen lassen. Der Fragesteller ist aber Brite! Diesen Gramusel kann ein Nicht-Deutscher nie verstehen!

Gruß
Wolfgang

Was soll ich denn machen?

Die Parkzettel verteilenden „Politessen“ sind "gemeindlicher „Vollzugsdienst“, aber kein Polizeivollzugsdienst, da :gemeindliche und nicht Landes-Angestellte bzw. -Beamte.

Mensch, Django, Deine Sachkenntnis in allen Ehren. Da kann man nichts drauf kommen lassen. Der Fragesteller ist aber Brite! Diesen Gramusel kann ein Nicht-Deutscher nie verstehen!

Ich verstehe es doch selber fast nicht. „Policey“ hieß ursprünglich nicht Strafverfolgung, sondern Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht, Überwachung der Prostituierten im Ort, Ausstellen von Pässen und Führen der Einwohnerlisten (nach denen die Soldaten ausgehoben wurden), Erste Hilfe bei Unfällen leisten, die Armen verpflegen und und und … und auch Verfolgung von Dieben etc.

Heute heißt Polizei: Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Mehr verwaltungsähnliche Aufgaben (Erteilen von Baugenehmigungen, Führung der Einwohnerlisten, Sozialhilfegewährung) sind an besondere Behörden übergeben. Und trotzdem ist die Bauaufsichtsbehörde immer noch „Polizei“ in dem Sinne, daß sie berechtigt ist, ein einsturzgefährdetes Haus zu sperren (Gefahrenabwehr). Und auch der Polizeivollzugsdienst (Grüne Greifer) kann dieses Haus sperren, wenn es so eilig ist, daß die Balkone schon abfallen. Die Grünen Greifer sind für alles zuständig, was zur Gefahrenabwehr unaufschiebbar ist.
Strafverfolgung ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Die Grünen Greifer sind nur deren Hilfsorgan (was zu endlosen Kompetenzstreitigkeiten führt: Wer darf dem Schützen befehlen, den „finalen Rettungsschuß“ abzufeuern? Der am Ort anwesende Staatsanwalt? Der Einsatzleiter des Polizeivollzugsdienstes? Der Innenminister des Landes als oberster Dienstherr des Polizeivollzugsdienstes? Der Bürgermeister als Chef der Ortspolizeibehörde? Ich weiß es nicht).

  • Django -

Menschenrechte oder Grundgesetz
Leider ist das eine sehr allgemeine Frage auf die es IMO keine Antwort geben kann. Wer allgemeine Menschenrechte und dann noch unser Grundgesetz anerkennt, kann eigentlich nur sagen, das Grundgesetz (oder ähnliche Staatengesetze) ist alle Grundlage, die der einzelne Bürger hat.

Leider kann man hier auch nicht nähere Quellen über Rechte oder Pflichten nennen. Jeder darf hier in Deutschland seine Meinung sagen, seine Rechtsauffassung darlegen usw., was er lediglich nicht darf, ist dabei ausfallend werden, beleidigen, rumschreien etc. . Sachlich seine Meinung und Anliegen zu äußern bringt am meisten, dürfte in den meisten demokratischen Staaten ebenso sein…

Gruß
Jeanny

hello!!

das war echt schon super. hat mir wirklich geholfen. ich denke, ich komme so schon etwas weiter…bis denn

yrs tigger!!

Kompetenzstreitigkeiten führt: Wer darf dem Schützen befehlen,

den „finalen Rettungsschuß“ abzufeuern?

…„finaler Rettungsschuß“ hört sich echt geil an Django. *g* Als ob dabei kein Mensch getötet wird. Oder schießen die inzwischen mit Gummibärchen?

An der Exmauer wurde ja auch nur (von beiden Seiten) mit Wattebällchen geschmissen…:wink:

Grüße

Diesen Ausdruck habe ich mir nicht ausgedacht

Kompetenzstreitigkeiten führt: Wer darf dem Schützen befehlen, den „finalen Rettungsschuß“ abzufeuern?

…„finaler Rettungsschuß“ hört sich echt geil an Django. *g* Als ob dabei kein Mensch getötet wird. Oder schießen die inzwischen mit Gummibärchen? An der Exmauer wurde ja auch nur (von beiden Seiten) mit Wattebällchen geschmissen…:wink:

Dieser Ausdruck „finaler Rettungsschuß“ stammt nicht von mir. Er ist ein feststehender juristischer Begriff. Gemeint ist das Töten („finaler“ Schuß) eines Menschen, der z.B. eine Geisel bedroht (für die es „Rettung“ bedeutet). Böse Zungen behaupten, der finale Rettungsschuß sei die ohne Prozeß verhängte Todesstrafe für eine Straftat, die noch nicht begangen ist. Zwar untersagt Art. 102 GG ausdrücklich die Bestrafung mit dem Tode; aber das könnte man ja so verstehen, daß zwar Gerichte keine Todesstrafe aussprechen könnte, die Todesstrafe aber „im Verwaltungswege“ verhängt werden kann (durch Staatsanwalt, Einsatzleiter, Innenminister, Bürgermeister oder letztlich den Schützen selbst)

  • Django -

Kompetenzstreitigkeiten führt: Wer darf dem Schützen befehlen,

den „finalen Rettungsschuß“ abzufeuern?

…„finaler Rettungsschuß“ hört sich echt geil an Django. *g*
Als ob dabei kein Mensch getötet wird. Oder schießen die
inzwischen mit Gummibärchen?

An der Exmauer wurde ja auch nur (von beiden Seiten) mit
Wattebällchen geschmissen…:wink:

Hallöle.

Eine solche Vokabel kann sich - notwendigerweise! - nur ein Politiker ausdenken, und in diesem Falle ein Pragmatiker, man könnte auch sagen, ein Skrupelloser. Orwell hat seinen Figuren in „1984“ auch so eine verquaste Sprache in den Mund gelegt, die vor Euphemismen nur so strotzt. Zum Bleistift das „Liebesministerium“ …
aber „finaler Rettungsschuß“ hört sich doch besser an als „gezielter Todesschuß“? Das ist es nämlich, und so hieß es auch am Anfang der Debatte darüber (zu RAF- "Blüte"Zeiten). Sprache kann sehr entlarvend wirken …

Semifinal grüßt euch
kw

Finaler Rettungsschuß:
Mal zu eurer Aufklärung:

Der fR ist nicht in allen Polizeigesetzen der Länder zu finden und ist eine besondere Art der Zwangsausübung gegen Menschen.
Jede Anordnung eines Polizeibeamten kann mit Zwang durchgesetzt werden.
Ganz nüchtern stellt der FR nix anderes dar, also ob ein Polizist sagt:„lassen sie den Mann los“, der täter tuts nicht und der Polizist schlägt zu um den Mann zu befreien.
Man nennt das Zwangsausübung (hauen) nach vorangegangenem Verwaltungsakt (sprechen).
Das ganze ist bei besonderen eil und gefahrenfällen auch ohne Verwaltungsakt, also Anordnung möglich.
Beim Rettungsschuß wird dem Täter wenn irgend möglich vorher gesagt: „lassen sie die Geiseln frei“ Tut er das nicht, kann die freilassung mit Zwang durchgesetzt werden, wobei einige Ländergesetze auch einen Eingriff in das Recht auf Leben, also den FR erlauben.
Er bedeutet im Idealfall, das der Schütze mit einem gezielten Schuß den Täter ausschaltet und das bedrohte Leben der Geiseln schützt.
Es ist aber im Grunde nicht zwingend Notwendig dieses Art der Rettung besonders im Gesetz festzuhalten.
In Berlin gibts das z.B. nicht. Hier richtet sich der fR, der ja hier rechtlich keiner ist, nur nach § 32 StGB Nothilfe.
D.H. der Polizeibeamte nimmt den selben Rechtfertigungsgrund in Anspruch, den JEDER Bürger nutzen könnte um die Geiseln zu befreien.
Der Nachteil liegt aber darin:
Bei der Anwendung der Notwehr/-hilfe können dem Täter u seinen Angehörigen Zivile Rechtsansprüche gegen den Schützen selbst entstehen. Weiterhin kann rechtlich gesehen überhaupt kein Polizeiführer den Schuß anordnen und somit die Verantwortung übernehmen - der verdient viel mehr geld als einer der Scharfschützen und hat eine rechtlich bessere Ausbildung und den besseren Überblick über die Gesamtlage.

Das heißt der fR ist eine sinnvolle Einrichtung, die dem Schützen, wenn er denn seine Arbeit tun muß eine bessere rechtlich Absicherung gibt.
Ob er abkrümmt entscheidet aber letztlich IMMER nur er selbst.
Der Schuß wird ihm nur frei gegeben (taktische Gründe).

M.

Ach noch was - ich glaube jeder der evtl. mal Geisel ist wünscht sich eine Ausschaltung des Täters - egal wie.

Eine wortreiche Rechtfertigung des Tötens

Mal zu eurer Aufklärung:

Danke.

Ganz nüchtern stellt der FR nix anderes dar, also ob ein Polizist sagt:„lassen sie den Mann los“, der täter tuts nicht und der Polizist schlägt zu um den Mann zu befreien.

Der gezielte Todesschuß ist die schlimmste Form des Eingriffs in Grundrechte, nämlich die Tötung. Ein „gehauener“ Mensch lebt weiter und kann nach dem Hieb Rechtsschutz gegen den Hauer suchen; wer seinen „finalen Rettungsschuß“ abbekommen hat, ist Geschichte.

In Berlin … richtet sich der fR, der ja hier rechtlich keiner ist, nur nach § 32 StGB Nothilfe. D.H. der Polizeibeamte nimmt den selben Rechtfertigungsgrund in Anspruch, den JEDER Bürger nutzen könnte um die Geiseln zu befreien.

Ein Argument, das sich selbst widerlegt. Hätte der „finale Rettungsschuß“ seine Rechtfertigung in der Nothilfe, dann müßten die Bundesländer, die das tun, ihn nicht ausdrücklich in ihre Polizeigesetze schreiben. Nothilfe, § 32 StGB, steht immer unter der Einschränkung des „Geboten-Seins“; außerdem ist zu bedenken, daß der Polizist (im Unterschied zum Bürger) zur öffentlichen Gewalt gehört und daher die Art. 1 und 2 GG zu beachten hat.

  • Django -

Mal zu eurer Aufklärung:

Danke.

Bitte

Ganz nüchtern stellt der FR nix anderes dar, also ob ein Polizist sagt:„lassen sie den Mann los“, der täter tuts nicht und der Polizist schlägt zu um den Mann zu befreien.

Der gezielte Todesschuß ist die schlimmste Form des Eingriffs
in Grundrechte, nämlich die Tötung. Ein „gehauener“ Mensch
lebt weiter und kann nach dem Hieb Rechtsschutz gegen den
Hauer suchen; wer seinen „finalen Rettungsschuß“ abbekommen
hat, ist Geschichte.

Das ist richtig, daher sind die rechtlichen Anforderungen sehr hoch. Es wird eine Gefahr für das Leben von Menschen gefordert, die nicht anders abzuwenden ist.

Ein Argument, das sich selbst widerlegt. Hätte der „finale
Rettungsschuß“ seine Rechtfertigung in der Nothilfe, dann
müßten die Bundesländer, die das tun, ihn nicht ausdrücklich
in ihre Polizeigesetze schreiben.

Warum das so ist habe ich oben beschrieben.
U.A haftungsrechtliche Konsequenzen.

Nothilfe, § 32 StGB, steht
immer unter der Einschränkung des „Geboten-Seins“; außerdem
ist zu bedenken, daß der Polizist (im Unterschied zum Bürger)
zur öffentlichen Gewalt gehört und daher die Art. 1 und 2 GG
zu beachten hat.

Tut mir leid, aber man merkt, das hier der Blinde von der Farbe spricht…

UIm Verwaltungsrecht sind die beschränkungen für einen Eingriff wesentlich höher gesteckt, als im Notwehrrecht.
Der Beamte muß theoretisch im Kopf ein etwa zwei DIN 4 Seiten langes Prüfungsscheme runterrattern, bevor er weiß ob sein Verwaltungshandel rechtmäßig ist oder nicht.
Hier wird u.a. die Verhältnismäßig zweimal, nämlich für den Grundverwaltungsakt :„lassen sie die Geisel los“ und für die Zwangsanwendung, den Schuß geprüft.
Ich will hier nicht alle Prüfungspunkte aufzählen, das ist zu Kompliziert, aber wenn Dus wissen willst hol Dir mal ein Buch.

Im Notwehrrecht gilt zur Gebotenheit das „John Waýne-prinzip“ - Und das ist kein WITZ - es bedeutet:" Recht braucht Unrecht nicht weichen"
Was soviel heißt, wie jede Verteidigung ist erlaubt.
Ich machs mir mal einfach, hier ein paar erläuterungen, viel Spaß bei Durchlesen:

2–1–0 Bu StGB – Erläuterungen Zu § 32
2.2 Die Notwehrhandlung besteht in der erforderlichen
Verteidigung. Sie darf sich nur gegen den Angreifer richten (Brodag
AT, S. 77). Unbeteiligte Dritte dürfen nicht in Anspruch genommen
werden, wenn sie durch die Verteidigungshandlung gefährdet werden,
z. B. Benutzung eines Unbeteiligten als Kugelfang bei einer Schießerei
(BGH NStZ 1994, 277). Erforderlich ist die Verteidigung, die im
konkreten Fall objektiv nötig ist, um den Angriff endgültig zu brechen,
und dabei den geringsten Schaden anrichtet (BGH NJW 72, 1822).
Auch ein Gegenangriff (sog. Trutzwehr) kann neben der Schutzwehr
die erforderliche Verteidigungshandlung sein, wenn der Verteidigende
damit einem weiteren drohenden Angriff zuvorkommen will.ഊ2–1–0 Bu StGB – Erläuterungen Zu § 32
Der Umfang der Verteidigung hängt ab von der Stärke und
Gefährlichkeit des Angriffs, insbesondere von den eingesetzten
Mitteln (z. B. Waffen) des Angreifers. Zwischen Angriff und
Verteidigung muß demnach Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Es ist
bei mehreren möglichen Verteidigungsmitteln das mildere zu wählen,
soweit es wirksam ist, z. B. ein Schuß in die Beine statt in den Kopf. Bei
Abschätzung der beiderseitigen Körperkräfte kann aber auch ein Mittel
eingesetzt werden, das sicheren Erfolg verspricht, so ein gezielter
Todesschuß, wenn der stärkere Angreifer dem schwächeren Verteidiger
mit einem Messer nach dem Leben trachtet (BGH in NStZ 1996, 29).
Andererseits darf aber nicht gleich geschossen werden, wenn die
Abgabe eines Warnschusses genügen würde. Oft kann auch die bloße
Androhung der Verteidigung ausreichen (RG 32, 393). Auch das
Zufahren auf einen Motorradfahrer, der rechtswidrig den Weg versperrt,
kann gerechtfertigt sein (OLG Karlsruhe, NJW 86, 1358).
Verhältnismäßigkeit wird aber nicht gefordert zwischen angegriffenem
Rechtsgut und dem durch die Verteidigung bedrohten Rechtsgut (also
keine Güterabwägung); denn im Notwehrrecht gilt der Grundsatz, daß
das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht.
Das trifft aber nicht zu, wenn die Verteidigung ein Rechtsmißbrauch
wäre. So fordert die Rspr. die Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe,
wenn der Angriff ohne Eigengefährdung wirksam abgewehrt werden
kann (BGH VRS 30, 281; OLG Düsseldorf NStZ 1994, 343). In
folgenden Fällen führt der Rechtsmißbrauch zur Beschränkung oder
Versagung des Notwehrrechts:
2.2.1 Gegenüber Kindern, Geisteskranken, Betrunkenen, die
erkennbar ohne Schuld handeln, fordert die Rechtsprechung ein
Ausweichen, soweit dies ohne Preisgabe eigener Belange möglich ist
(BGH 5, 248).
2.2.2 Gegenüber Personen mit engen persönlichen Bindungen, z. B.
bei der Verteidigung gegen den Ehegatten oder einen nahen
Verwandten, kann es geboten sein, auf Abwehr oder zumindest auf
lebensgefährdende Abwehrmittel zu verzichten (BGH NJW 72, 62).
2.2.3 Notwehr ist ausgeschlossen bzw. eingeschränkt bei krassem
Mißverhältnis zwischen den Rechtsgütern, wenn es darum geht, sog.
Bagatellangriffe abzuwehren. Der gelähmte Obstbauer kann sich also
nicht auf ein Notwehrrecht berufen, wenn er auf einen jugendlichen
Kirschendieb schießt. Obwohl eine Güterabwägung grundsätzlich nicht
zu erfolgen braucht (s. o.), besteht hier aber ein unerträgliches
Mißverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut Eigentum und
dem durch die Verteidigungshandlung verletzten Rechtsgut Leib undഊ2–1–0 Bu StGB – Erläuterungen Zu § 32
Leben, so daß die Notwehr rechtsmißbräuchlich und daher nicht
zulässig ist. Gleiches würde gelten für Revolverschüsse des Gastwirts
zum Schutze seiner Biergläser (RG 23, 116).
Diese Rechtsauffassung wird bestätigt durch die Vorschrift des
§ 228 BGB (defensiver Notstand), wonach bei der sog. Sachwehr der
Schaden nicht außer Verhältnis zur drohenden Gefahr stehen darf.
Ob auf den mit großer Beute fliehenden Dieb geschossen werden darf,
wenn sonst keine andere Möglichkeit besteht, ihm die Beute wieder
abzunehmen, wird unterschiedlich beurteilt. Die Polizei darf in solchen
Situationen grundsätzlich nicht schießen – so die Bestimmungen der
Länder über den Schußwaffengebrauch –, es sei denn, der
Flüchtende hat beispielsweise einen räuberischen Diebstahl oder Raub
(beides Verbrechen) begangen, oder aber er hat sich dem polizeilichen
Gewahrsam nach seiner Festnahme durch Flucht entzogen.
Diese Vorschriften lassen sich aber nicht auf das Verhältnis der Bürger
untereinander übertragen. In der Literatur wird auch bei der
Verteidigung von Sachwerten mit Ausnahme der o. a. Bagatellangriffe
das Recht „zu einem gezielten, allerdings möglichst ungefährlichen
Schuß“ (so Preisendanz, StGB zu § 32), z. B. in die Beine, nicht
abgesprochen.
Ob ein flüchtender Dieb notfalls auch getötet werden darf, ist allerdings
äußerst problematisch. Die Europäische Menschenrechtskonvention
(durch Gesetz vom 17. 8. 1952 Bundesrecht geworden) läßt die
„absichtliche“ Tötung eines Menschen nur zur Abwehr eines Angriffs
gegen Leib oder Leben, nicht zum Schutz von Vermögenswerten zu. Da
die herrschende Meinung jedoch auf dem Standpunkt steht (so
Dreher/Tröndle, StGB, 21c zu § 32), daß die
Menschenrechtskonvention (MRK) nicht die Rechte der Staatsbürger
untereinander, sondern nur das Verhältnis Staat-Bürger betrifft, kann
die MRK das Notwehrrecht des § 32 StGB nicht einschränken.
Dennoch ergibt sich auch aus Sinn und Zweck des § 32, wonach jeder
Rechtsmißbrauch ausgeschaltet ist, daß gezielte Todesschüsse zur
Abwehr von Angriffen auf bloße Vermögenswerte unzulässig sind (so
die herrschende Meinung).
2.2.4 Einschränkungen des Notwehrrechts ergeben sich auch bei
provozierten Angriffen. Wer schuldhaft eine Notwehrlage verursacht,
dem ist grundsätzlich ein Ausweichen zumutbar. Die volle
Ausschöpfung des Notwehrrechts kann deshalb je nach den
Umständen des Falles rechtsmißbräuchlich sein (vgl. dazu BGH
NJW 72, 1821; NJW 75, 1933 MDR 76, 326).ഊBei einer sog. Absichtsprovokation, bei der jemand eine Notwehrlage
herbeiführt, um unter dem Deckmantel der Notwehr einen anderen zu
verletzen, fehlt es außerdem am Verteidigungswillen. Wer aber
Angriffswillen hat, kann sich nicht auf Notwehr berufen, selbst wenn der
erste Schlag vom anderen ausgeht.
2.2.5 Der allgemeine Gedanke des Rechtsmißbrauchs kann auch zur
Beschränkung oder Versagung des Notwehrrechts im Straßenverkehr
führen. So ist z. B. Nötigung und kein Fall der Notwehr gegeben, wenn
beim „Kampf“ um die Parklücke ein Kraftfahrer einen Fußgänger, der
den Parkplatz für einen anderen Kraftfahrer freihalten will, mit seinem
Wagen zur Seite drängt (vgl. Bay ObLG NJW 63, 824). Hier
rechtswidriger Angriff des Nötigenden!
Ebenso nicht gerechtfertigt durch Notwehr ist das dichte Auffahren,
verbunden mit ständigem Hupen, um auf der Autobahn den
Vorausfahrenden zu veranlassen, die Überholfahrbahn freizugeben.
Auch hier liegt eine rechtswidrige Nötigung (§ 240) vor (vgl. BGH 19,
263).

M.