Rechtliche Handhabe oder Pech?

Ich möchte hier einen Sachverhalt beschreiben und würde gerne wissen, ob man hier eine rechtliche Handhabe hat oder ob man sich das gefallen lassen muss:

Ein bestimmter Vorgesetzter (VG) flippt regelmäßig aus. Vor versammelter Mannschaft (während Meetings, im Großraumbüro, etc.) staucht er seine untergebenen Mitarbeiter (MA) zusammen und schreit sie an. Versuche des MA, sich argumentativ dagegen zu wehren, werden nicht zugelassen (selbst wenn der MA erwiesenermaßen Recht hat und der VG irrt). Sagt der MA, daß der VG nicht in so einem Ton mit ihm reden soll, wird der VG noch lauter und brüllt, daß er so spricht, wie es ihm passt. Will der MA durch Verlassen des Raumes das Gespräch beenden, so wird er (zb durch Androhung von Kündigung) gezwungen, anwesend zu bleiben.

Um Mobbing (Bossing) im herkömmlichen Sinne handelt es sich wohl nicht, schätze ich, da sich der VG nicht einem (oder mehreren) bestimmten MA gegenüber so verhält, sondern dem „Erstbesten“, der dem VG bei schlechter Laune in die Quere kommt und (durch noch so geringe Kleinigkeiten) Anlass gibt.

Kein Wunder, daß der Krankheitsstand steigt, die MA Angst haben, heulend im Büro sitzen, usw. usw.

Leider ist der VG äußerst unfähig, Kritik anzunehmen, sodaß auch Gespräch „im Nachgang, wenn sich alles beruhigt hat“ nicht bringt, sondern man eher einem erneuten Wutausbruch entgegensteuert.

Die Frage ist nun: hat eine Beschwerde (beim betriebsrat / beim Personalbüro / beim Vorgesetzten des VG) Aussicht auf Erfolg (weil es rechtlich gesehen nicht zulässig ist, was der VG dort treibt) oder ist man dann vom „guten Willen“ und Verhandlungsgeschickt der Beschwerdestelle abhängig?

Hintergrund ist ja vermutlich klar: keiner MA wird eine Beschwerde wagen, solange er/sie nicht sicher ist, daß es auch Erfolg haben wird. Und diese Sicherheit hat man ja nur, wenn man weiß „laut §xy Arbeitsgesetz ist das Verhalten unzulässig“ und sich sicher sein kann, daß die Beschwerdestelle auch etwas erreichen kann (da eben eine Rechtsverletzung vorliegt)

Vielen Dank vorab!

P.S. Wäre nett, wenn bei einer Antwort auch die Paragraphen zu finden sind, die das Ganze untermauern :smile:

Hallo MindShape,

Recht haben und Recht kriegen sind zweierlei Paar Schuhe. Einen Paragraphen, der genau das Fehlverhalten benennt und verbietet gibt es nicht. Der würde wohl auch nicht viel nützen, denn Papier interessiert diesen Vorgesetzten wohl wenig.

Man könnte natürlich zum Vorgesetzten des Vorgesetzten gehen oder zum Personalrat usw., dort das Problem so sachlich wie möglich schildern (am besten in der Gruppe) und hoffen, dass die „obere Firmenpolitik“ nicht den Vorgesetzten schützt. Halte ich für unwahrscheinlich.

Es gibt auch kein Gesetz, dass besagt, dass sich niemand anschreien oder herumkommandieren lassen muss. Lediglich gegen Beleidigung gibt es gesetzliche Handhabe. Dazu muss eine Beleidigung auch als solche ausgesprochen werden: „Sie sind zu dumm zum arbeiten“ ist keine Beleidigung; „Dumme Sau“ dagegen schon. Dann könnte man den Vorgesetzten wegen Beleidigung anzeigen und/oder mit diesem schwerwiegenden Vorfall auch zum Vorgesetzten des Vorgesetzten oder dem Personalrat usw. gehen und hat zumindest mehr in der Hand als ohne Beleidigung. Im Ergebnis fürchte ich, wird es in der Praxis nicht viel bringen.

Was überhaupt lediglich Ansätze m. E. zur Linderung des Problems sein könnten:

  1. Job/Position wechseln. Hohe Personalfluktuation über einen längeren Zeitraum zeigt auch nach außen deutlich Unzufriedenheit, die direkt auf den Vorgesetzten zurückzuführen ist. Klar, ist für die Betroffenen nicht (immer) machbar …

  2. Einfach schlucken. Nicht persönlich nehmen, ruhig bleiben, abprallen lassen, weiter freundlich lächeln. Das ist fast überirdisch schwer und man muss wohl beim Dalei Lama Gelassenheit studiert haben, es dürfte aber im praktischen Ergebnis das wirkungsvollste sein.

  3. Gegenargumentieren, sich nichts gefallen lassen. Das ist total „gefährlich“, auch wenn das zunächst der Überlebensinstinkt suggeriert. Der Vorgesetzte hat nun mal leider alle Trümpfe in der Hand, selbst wenn man (für Beleidigungen oder gar körperlicher Gewalt) eine gesetzliche Handhabe hätte und selbst sachlich bleibt. Offensichtlich wird das ja bereits versucht und zeigt keinerlei Wirkung. Und sobald man gerichtlich oder sonstwie gegen den Chef vorgeht, ist der Job „flöten“ … Das ist nun mal leidige Praxis. Abgesehen davon hält diese Variante das ganze auch noch lange Zeit seelisch und kräftemäßig zehrend an. Ich würde das also nicht empfehlen.

  4. Vorgesetzten-Wechsel „forcieren“. So was wie „Chef abwählen“ gibt es natürlich wohl kaum. Aber vielleicht kann man ja unterstützende Maßnahmen im Hintergrund einleiten. Das wäre dann quasi „zurück-gemobbt“ (kann ja auch für den Vorgesetzten letztlich positiv sein - Stichwort Höherbefördern, da er sich ja offensichtlich derzeit nicht wohl fühlt). Auch das würde ich keinesfalls empfehlen, da der Schuss schnell nach hinten losgehen und man vom Regen in die Traufe kommen kann.

  5. Motiv herausfinden. Abstrakt dargestellt: Wenn sich jemand wie ein tobendes Kind aufführt, dann hat dieses tobende Kind auch meistens einen „Grund“ dafür. Dieser Grund mag nicht gerechtfertigt sein, aber es gibt ihn bestimmt. Wenn man das herausfinden könnte (niemand ist einfach nur so schlecht gelaunt, weil es ihm Spaß macht!), könnte man vielleicht positiven Einfluss ausüben. Ich weiß von einem Fall, da war ein Mitarbeiter in einem Team ein solch „tobendes Kind“. Später stellte sich heraus, dass er mit starken gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte und nach einer Therapie mit anschließender Kur (zur Behebung der medizinischen Probleme) war er sozusagen „wie ausgewechselt“. Vielleicht hat auch der Vorgesetzte einiges von „oben“ zu schlucken und ist nicht in der Lage, das anders zu filtern? Auch wenn das Wissen um das Motiv selbst letztlich keine Lösung der Situation direkt herbeiführt, ist es vielleicht aber für alle Mitarbeiter leichter im Umgang (Stichwort: Gelassenheit finden).

  6. Auge um Auge - Zahn um Zahn. Um bei dem abstrakten Bild von eben zu bleiben: Kennen Sie den Spot, wo sich nicht das Kind sondern die Mutter vor der Kasse beim Süßigkeitenregal auf den Boden wirft und schreit und tobt, wie man es sonst vom Kind „erwartet“? Wenn alle Mitarbeiter zusammenhalten und beim nächsten „Anfall“ geschlossen zurückbrüllen, könnte unter Umständen ein „Verdutztsein“ wie im Spot beim Vorgesetzten eintreten. Wird einem so plastisch das eigene Fehlverhalten vor Augen geführt, reflektiert man in der Regel die Dinge dann auch anders (bzw. überhaupt). Das ist aber nur theoretische Verhaltenslogik und auf Arbeitsebene ebenfalls kreuzgefährlich, weil schnell Job weg!

Hab leider nicht die Handy-Nr. vom Dalei Lama - aber das wär’s aus meiner Sicht!

Beste Grüße
mamakruemelchen