Hallo,
man liest ja häufig, dass Rechtswälte in den USA horrende
Beträge verdienen, oft auch am „Gewinn“ des Prozesses
beteiligt sind.
Das stimmt nur in Teilbereichen. Erfolgshonorare sind bei deliktischen Ansprüchen üblich. Klassissches Beispiel ist ein Autounfall. In der Regel 30%. Verboten sind sie in Familienrechtsstreitigkeiten und Strafverfahren. Bei vertraglichen Ansprüchen (Mängelgewährleistung) nutzen die meisten eine Mischkalkulation. Irgendein Pauschalsumme plus Gewinnbeteiligung.
Was es entgegen den Erwartungen in Deutschland kaum gibt, sind reine Erfolgshonorare, da kein Prozess jemals so sicher ist, dass es sich lohnt dieses Risiko vollständig zu übernehmen. Und: Selbst wenn der Ausgang eines Rechtsstreits sicher ist, kommt immernoch das Vollstreckungsrisiko der Gegenseite sowie das Insolvenrisiko dazu. Das übernehmen auch nicht US-Kanzleien. In Teilberechen wie dem Erbrecht gibt es auch in den meisten US-Bundesstaaten eine Streitwertabhängige und verbindliche Gesetzgebung, obwohl sie unter doritgen Anwälten verpönt ist.
Nach meinem bescheidenen Eindruck von zwei Jahren Arbeiten unter praktisch allen theoretisch denkbaren Honorarabsprachen in beiden Ländern. Ist meie Gesamteindruck folgender:
Die Streitwert- aber nicht Erfolgsabhängige Vergütung nach dem RVG
in Deutschland hat folgende Nachteile. Sie führt dazu, dass man manchmal einen ganzen Haufen Kohle sehr sehr schnell verdienen kann. Bsp. Einmal mittel dünne Akte lesen, mit Mandant telefonieren, mit Anwalt der Gegenseite telefonieren, Vergleich aushandeln, und schon hat man in 2-3 Stunden, bei entsprechendem hohem Streitwert ein paar tausend Euro verdient. Umgekehrt gibt es Fälle, bei denen man sich halb tot arbeiten muß, ohne das man es vorher weiß, der Prozeß sich in die Länge zieht und man sich irgendwann fragen muß, ob man jetzt nicht gerade wegen des unerwarteten Aufwandes dabei ist nur noch eigene Verluste einzufahren, selbst wenn man in der Sache gewinnt. Das sind die beiden Extreme, ich vermute die Idee hinter dem RVG ist, das sich bei der Bearbeitung sehr vieler Fälle, im statistischen MIttel irgendwie eine angemessene Entlohnung ergibt.
Reine Stunden (zw. € 136 und € 280) oder Tagessatzhonorar-vereinbarungen sind bei Vertragsverhandlungen, Gestaltungsaufgaben oder Gutachtenerstellung meistens angemessen, weil man einigermaßen vorher abschätzen wie lange man braucht und sich selbst Großmandanten, mittlerweile gegen eine Kostenexplosion durch Kappungsgrenzen absichern. Für die Prozeßführung - jedenfalls in Deutschland - sind sie aber kaum zu gebrauchen.
Im Arbeitsalltag nur nach Stundenhonoraren abzurechnen, führt allerdings zu einer erheblichen Belastung, weil man sich kaum jemals entspannden kann und praktisch nur noch arbeitet. US-Großkanzleien erwarten z.B. von 1st-3rd years associates, das sie zwischen 2000 und 2500 billiable hours pro jahr abrechnen. Da stellt sich dann die Frage, was ist eine billiable hour ? Arbeit am Vertragstext ? Ja. Telefonieren mit Mandanten ? Ja. Was aber wenn dich ein Fall in die Freizeit verfolgt und die beste Idee gerade beim Joggen hast, wo nicht ständig Telefone um dich klingeln oder Vorgesetze im Wechsel Witze erzählen oder Befehle erteilen ? Hm… Hm… Wenn man an einer Sache sitzt und plötzlich kommt was wichtiges in einer anderen, darf ich das dann wahrnehmen oder soll ich double billing machen ? Was ist mit der Arbeit in Zügen oder Luftfahrzeugen, die auch nich immer für den ist, den man als nächstes verarztet ? Im Ergebnis führt diese Pflicht 2000-2500 Rechnungsstunden an ca. 300 Arbeitstagen pro Jahr abzurechnen dazu, dass man zunächst 70 Stunden pro Woche Arbeiten machen muß, die man auf die Rechnung schreiben kann. Weil aber nicht alle anwaltlichen Tätigkeiten billiable hours darstellen, muß man meisten noch 20-30 Stunden länger pro Woche im Büro bleiben und dort im Notfall auch schlafen, um die Zeit, die man sonst für den Weg Wohnung Büro braucht zu sparen. Das klingt zwar alles nach Grisham-mäßigen Auswüchsen ist aber in den 100 größten US-Kanzleien durchaus üblich. Für die breite Masse der US-Anwälte sieht der Arbeitsalltag dagegen nicht viel anders aus als in Deutschland, was auch für die Vergütung gilt.
Wenn bei uns der Beklagte oder Angeklagte gewinnt, zahlt ja
der Prozessgegner bzw. das Gericht seine Anwaltkosten. Ist das
in den USA auch so? Müsste doch eigentlich so sein. Zahlen die
dann aber das, was zwischen ihm und dem Anwalt vereinbart war,
oder gibt es für den Fall doch etwas Ähnliches wie die BRAGO?
Nein, das ist komplett anders. Nach der sogenannten American Rule, der fast alle Bundesstaaten folgen, trägt jede Seite ihre Anwaltskosten grundsätzlich selbst, egal wie hoch sie sind. Diese Regel gilt aber nur, sofern nichts anderes vereinbart ist. Die meisten standard terms of contract wie Versicherungsbedingungen usw. enthalten aber Regeln, zu einem ähnlichen Ergebnis wie in Deutschland führen. Bindende Gebührenordnungen sind mir nur aus dem Erbrecht bekannt, vielleicht gibt es noch etwas ähnliches im Strafrecht.
Die Gerichskosten sind regelmäßig gegenüber Deutschland zu vernachlässigen, was ziemlich fair ist und Amerikaner sehr prozeßfreudig macht.
mfg A.