Das ist ein ganz schwieriges Thema, das man im Rahmen einer Forumsantwort nur streifen kann. Hintergrund der Problematik ist der, dass GB zwar die EuMRK unterzeichnet, diese aber nicht in nationales Recht umgesetzt hat, und insoweit die dort normierte Unschuldsvermutung keinen Eingang in nationales Recht gefunden hat, und dort auch sonst nicht ausdrücklich normiert worden ist.
Ungeachtet dessen wird sie aber grundsätzlich auch in GB beachtet. Im „law of evidence“ wird sie zwar nicht ausdrücklich beschrieben, ergibt sich aber aus der klaren Zuweisung der Beweispflicht der Anklage und dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“.
Es gibt aber Ausnahmen. So gibt es einen historischen Streit um die Frage, ob bei Tötungsdelikten im Falle des Nachweises des Taterfolges (Opfer Tod), der Beschuldigte dafür beweispflichtig sein soll, dass er in Bezug auf das Vorsatzmoment nicht (nur ungefähr vergleichbar) mit Mordabsicht gehandelt hat, sondern er lediglich für einen Todschlag zu verurteilen sei.
Ein weiterer Aspekt liegt darin, dass das Strafverfahren in GB akkusatorisch und nicht wie bei uns inquisitorisch ist. D.h. es gibt hier - wie bei uns im Zivilverfahren - einen deutlichen Parteienbetrieb, wobei beide Seiten die sie unterstützenden Beweise vorbringen, die dann vom Gericht auf Zulässigkeit und Beweiskraft hin bewertet werden. D.h. die Staatsanwaltschaft ist - im Gegensatz zu unserem System - nicht in der Pflicht, eine möglichst neutrale Position einzunehmen, und der Richter ist nicht derjenige, der selbst darauf hinwirkt, dass durch geeignete Beweismittel der tatsächliche Sachverhalt erforscht wird.
Weiterhin ist zu Berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft in GB ohnehin erst zu einem ganz späten Zeitpunkt das Verfahren übernimmt. Herrin des Vorverfahrens, in dem die von den Parteien gewünschten Beweismittel benannt werden, und Anklagebehörde ist die Polizei, die wiederum eher eine einseitig anklagende Position einnimmt.
Zudem darf man auch nicht vergessen, dass aufgrund der im Vorverfahren gestellten Frage zur Schuld des Angeklagten das Hauptverfahren entfallen kann, und damit gar keine Sachverhaltsaufklärung stattfindet. Da man in GB sehr mathematisch mit der Strafzumessung umgeht, und ein Geständnis 30% bringt, ist es vielfach eine recht einfache Kalkulation für den Beschuldigten, lieber mit Geständnis eine kalkulierbare, niedrige Strafe zu kassieren, als das Risiko der Hauptverhandlung auf sich zu nehmen.