Rechtsstaatsprinzip

Hallo,

ich habe in einem Buch gelesen, dass die Kalkulierbarkeit rechtlicher Folgen von Handlungen ein wichtiges Merkmal des Rechtsstaats ist. Aber was soll die Kalkulierbarkeit rechtlicher Folgen von Handlungen sein? Wie kann man das erklären?
Danke!
Mfg K.

Hallo,

das bedeutet recht einfach gesagt, dass es für jeden möglich sein muss, jedenfalls grundsätzlich zu erkennen, welche rechtlichen Folgen sein Handeln haben, bzw. haben können.

Hierfür gibt es vielfältige Anwendungsbereiche. Am deutlichen wird es wohl im Strafrecht:
Jeder muss wissen, ob sein Handeln strafbar ist oder nicht. Hieraus folgt, dass nur das bestraft werden darf, was gesetzlich normiert ist. Das Gericht darf nicht irgendwelche Strafen für bestimmtes Handeln erfinden. Es ist strikt daran gebunden, was der Gesetzgeber vorgegeben hat.
Der Gesetzgeber selbst darf Handlungen nicht im Nachhinein als strafbar deklarieren, also zB. kein neues Strafgesetz machen, dass etwa Ehebruch für die Zukunft aber auch die letzten 10 Jahr als strafbar erklärt, so dass ein Vielzahl für Menschen für Taten in der Vergangenheit verurteilt werden, obwohl sie das damals nicht wissen konnten. Denn diese müssen immer zu jedem Zeitpunkt wissen können, ob ihr Verhalten sanktioniert wird oder nicht.

Viel größer ist der Anwendungsbereich eigentlich noch im Zivilrecht. Wenn Menschen Verträge miteinander machen, gibt es Gesetze, die bestimmte Vereinbarungen für unzulässig erklären oder eben nicht, sie ergänzen Vereinbarungen, bzw. stellen Umstände dar, weshalb Verträge eben so und nicht anders gemacht werden.
Daher müssen sie auf die Folgen dieser Gesetze vertrauen dürfen und kalkulieren können, was passiert, wenn sie so oder eben anders handeln.

Im Verwaltungsrecht ist das alles ebenso anzuwenden.

Kurz: Weder der Gesetzgeber, noch die Gerichte oder die Exekutive dürfen rechtliche Regeln anwenden, die es nicht gibt, bzw. missachten, obwohl es die gibt. Diese dürfen (übewiegend) nur für die Zukunft geändert werden. Zudem müssen Gesetze auch halbwegs verständlich formuliert sein (worum sich das Steuerrecht idR. wenig schert :smile:).

Gruß
Dea

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Hallo

das bedeutet recht einfach gesagt, dass es für jeden möglich
sein muss, jedenfalls grundsätzlich zu erkennen, welche
rechtlichen Folgen sein Handeln haben, bzw. haben können.

Und wenn es so viele Gesetze gibt, bei dem jedes noch verschiedene Auslegungen hat, dass es für einen normal begabten Menschen praktisch nicht möglich ist, sie alle zu kennen? So dass es doch wieder unmöglich ist, die rechtlichen Folgen seines Handelns immer erkennen zu können?

Ist das dann trotzdem ein Rechtsstaat?

MfG Simsy

Hallo Simsy,

Und wenn es so viele Gesetze gibt, bei dem jedes noch
verschiedene Auslegungen hat, dass es für einen normal
begabten Menschen praktisch nicht möglich ist, sie alle
zu kennen?

Du legst da den Finger in eine offene Wunde unseres deutschen
Rechtes - gerade des Steuerrechtes. Im Streben nach immer mehr
‚Gerechtigkeit‘ -und andere Grausamkeiten- ist da ein Wildwuchs
der grundsätzlich den Staat gefährdet.

So dass es doch wieder unmöglich ist, die rechtlichen
Folgen seines Handelns immer erkennen zu können?

Ist das dann trotzdem ein Rechtsstaat?

In diesem Sinn geht es nicht so sehr um Details wie ob man
für einen Bankraub 3 oder 5 Jahre Haft bekommt, sondern darum
das einem klar ist das ein Bankraub ‚etwas verbotenes‘ ist und
in diesem Sinn ist mMn Deutschland ein intakter Rechtsstaat.

Wenn ich dagegen z.B. Russland mit seiner politschen Justiz
oder die vielen Staaten mit käuflicher Justiz sehe, wird der
Unterschied etwas klarer.

Viele Grüße

Jake

So dass es doch wieder unmöglich ist, die rechtlichen
Folgen seines Handelns immer erkennen zu können?

Darum geht es ja auch nicht. Es geht ja nur darum zu wissen, dass eine Handlung Konsequenzen nach sich ziehen kann/wird und welche das (abgesehen von Bußgeldern, die klaren Vorgaben folgen) UNGEFÄHR sein könnten - sonst könnten wir wohl Richter und Gerichtsverfahren abschaffen. :wink:

Gruß Andreas

Hallo

Und wenn es so viele Gesetze gibt, bei dem jedes noch
verschiedene Auslegungen hat, dass es für einen normal
begabten Menschen praktisch nicht möglich ist, sie alle zu
kennen?

Daher gibt es das Studium der Rechtswissenshaft und Rechtsanwälte als juristische Berater.

Denn ein Rechtssystem, dass einheitlich für über 80 Millionen Einwohner gilt, muss schon etwas komplizierter sein, sonst wäre es zwingend ungerecht.

So dass es doch wieder unmöglich ist, die rechtlichen
Folgen seines Handelns immer erkennen zu können?

Das Wichtigste wurde ja schon gesagt.

Es geht hier zudem um Erkennbarkeit. Das bedeutet, dass der Einzelne lediglich die „Möglichkeit“ haben muss, die rechtlichen Folgen seines Handelns zu erkennen. Es bedeutet nicht, dass jeder das gesamte Rechtssystem auswendig kennen muss.

Wenn ich also bestimmte rechtliche Gestaltungen vornehmen möchte, zB. einen Grundstückskaufvertrag mit bestimmten Inhalten abschließen, dann garantiert mir der Rechtsstaat nicht, dass ich das alleine kann. Worum es geht ist, dass ich mit Hilfe eines Fachmannes die Möglichkeit habe, zB. bestimmte Vergträge abzuschließen und dann garantiert mit der Rechtsstaat, dass die rechtlichen Grundlagen und Folgen dieser Verträge so sind, wie sie im Gesetz stehen.

Deine Idee wäre in etwas so, dass jeder, nur weil wir auch ein Sozialstaat sind und daher ein Krankenkassensystem haben, sich auch selbst operieren können muss. Es geht vorliegend aber nicht um eine Garantie, dass man alles selbst machen kann, sondern darum, dass man am Ende sicher sein kann, dass das, was gemacht wurde, auch Bestand hat.

Gruß
Dea

Grundlagen
Hi,

cmd hat schon alles wichtige gesagt.

Bisher wurden hier aber zwei grundlegende dogmen der juristerei tangiert.
Nämlich:

  1. „Keine bestrafung ohne gesetz“
  2. „Unwissenheit schützt vor strafe nicht“

Für 1. gibts gesetze unf für 2 anwälte.

Damit sollten alle unklarheiten beseitigt sein.

LG Alex:smile:

Hallo

Bisher wurden hier aber zwei grundlegende dogmen der
juristerei tangiert.
Nämlich:

  1. „Keine bestrafung ohne gesetz“
  2. „Unwissenheit schützt vor strafe nicht“

Für 1. gibts gesetze unf für 2 anwälte.

Damit sollten alle unklarheiten beseitigt sein.

Ja, ja, aber es ist schon ein bisschen lästig, wenn man jedes Mal erst einen Anwalt fragen muss, bevor man sich mal selbständig bewegt!

Viele Grüße
Simsy

Ja, ja, aber es ist schon ein bisschen lästig, wenn man jedes
Mal erst einen Anwalt fragen muss, bevor man sich mal
selbständig bewegt!

Genau, und noch viel schlimmer finde ich es, dass man immer einen Arzt fragen muss, nur weil man son bißchen operiert werden muss. Und dass man Architekten fragen muss, wenn man ein Haus baut, das finde ich echt die Krönung oder dass man Piloten braucht, um mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen…nichts kann man selbst machen.

Dea