Redewendung 'Zünglein an der Waage sein'

…was es heißt, weiß jeder - aber woher kommt die Redewendung??

Kann mir hier jemand vielleicht Auskunft geben???

Vielen lieben Dank im Voraus

Hi Anette,

…was es heißt, weiß jeder - aber woher kommt die
Redewendung??

Du kennst doch sicher noch die alten Apothekerwaagen, die mit zwei Waagschalen ausgestattet waren.
Dort wurde auf der einen Seite das zu wiegende Stück gegeben und auf die andere Gewichte.
Da man aber nicht unendlich fein abgestimmt Gewichte hatte, mußte die Feinabstimmung mit einem anderen Mechanismus vorgenommen werden.
Das war das Zünglein an der Waage.
In der Mitte war ein Zeiger, der kurz vor dem Gleichgewicht leicht ausschwang und so mittels Hebelwirkung das Gleichgewicht herstellte. An einer Skala konnte dann die genaue Auslenkung abgelesen werden.
Mit diesem Zünglein wurde also die Feinabstimmung vorgenommen.

Da dieser Betrag sehr klein, nichtdestotrotz wichtig war, entstand die Redewendung.

Gandalf

…was es heißt, weiß jeder - aber woher kommt die
Redewendung??

Hallo, Annette,

bei den alten Balkenwaagen - und bei den heute gebrauchten natürlich noch immer - ist an der Mitte der Waagscheite ein kleiner Zeiger angebracht, der anzeigte, welche Seite schwerer war, wenn die Waagschalenstellung nicht eindeutig war.

Dieses „Zünglein“ gab also den Ausschlag, welches Gewicht schwerer wog.

Was sich natürlich großartig als Metapher eignet.

So war z. B. am Anfang unserer Republik, bis zur Entstehungen der „Grünen“ die FDP das Zünglein an der Waage, das entschied, wer in Bonn regieren konnte.

Gruß Fritz

hallo fritz…

vielen lieben dank für die schnelle antwort…

ist echt interessant, wo so manches herkommt!!!

hallo gandalf…

…supi…vielen lieben dank.

sonnige grüße

annette

Hi Annette,

ergänzend zu Fritz’ Erläuterung: Streng genommen bewirkt das Zünglein an der Waage gar nichts, es hilft ja nur dabei, den Zustand des Gleichgewichts festzustellen. Deshalb sollte die FDP besser als „Waagscheißerl“ bezeichnet werden. Das Waagscheißerl kann man sich als einen Batzen Vogeldreck vorstellen, der zufällig auf der einen oder der anderen Waagschale landet, oder auch als den Daumen der Marktfrau, die der Waage etwas nachhilft. Ob daher auch das Wort bescheißen für betrügen kommt, weiß ich aber nicht, da müsste Fritz wieder helfen.

Gruß Ralf

Hi Gandalf,

In der Mitte war ein Zeiger, der kurz vor dem Gleichgewicht leicht ausschwang und so mittels
Hebelwirkung das Gleichgewicht herstellte.

das Gleichgewicht herstellte - da versagt meine Vorstellungskraft. Hast Du vielleicht ein Bild von diesem mechanischen Lügenbeutel?

Gruß Ralf

Ob daher auch das Wort bescheißen
für betrügen kommt, weiß ich aber nicht, da müsste Fritz
wieder helfen.

Hallo, Ralf,
der „Kluge“ gibt an:
bescheißen […] Der Übergang zur Bedeutung „betrügen“ ist wohl zu erklären über das Partizip beschissen in der Bedeutung „unangenehm, unerträglich“, dann das Verb im Sinne von „jemanden in eine unangenehme Lage bringen“. Hierzu schon spmhd „Beschiss“.

Gruß
Eckard

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Möönsch, Ralf!

Ob daher auch das Wort bescheißen für betrügen kommt, weiß ich aber nicht, da müsste Fritz wieder helfen.

Was brauchts da den Fritz?
Gugg bei Grimm! Wundervoller Artikel!

Lies nur mal den Anfang!

_…

3) impudenter decipere, altfranz. conchier. es wäre übel gethan, die belege zurückhalten und die derbheit der vorigen jahrhunderte verbergen zu wollen, auch noch heute hält das volk seine kräftigsten ausdrücke fest und die dichter greifen danach :

er hat den duochman und den buren,
einen ums duoch, den andren ums gelt
beschissen.
fastn. sp. 842, 5;

wie iez die welt so gar ist geflissen,
gefiert, listen vol und beschissen.
820, 7;

und hat můt dich zu bescheiszen. KEISERSB. sünd. des munds 32a; wer aber ein schalk ist, kan liegen und die leut redlich bescheiszen. 44b; uf das du mich auch nit bescheiszest, als dan du beschissen hast die zwei menschen. 47b; du thůst das darumb, das du die leut wilt bescheiszen, so sie dir glauben. 56a; schampere wort geberent schand, der da einen laszt uber den fůsz fallen, bescheiszt in und betrügt in mit worten. 62a; du sprichst, bin ich ein beschissen man, wer hat mich dan beschissen? weltl. lewe 54b; die nichts mehr thun, dan das sie sich im herzen und mund mit frembden sünden tragen und bescheiszen. LUTHER 1, 71a; ich bin selbs diese jar her so beschissen und versucht von solchen landstreichern. 4, 381b; gleichwol hats (das ablasz) grosz unseglich geld getragen und ist alle welt damit beschissen. 6, 491a;_

Gruß Fritz

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Moin, Fritz,

Was brauchts da den Fritz? Gugg bei Grimm! Wundervoller Artikel!

das sagt sich so leicht. Wenn ich da reinschaue, dann schwindelt mir, abgesehen davon, dass ich erstens nichts finden würde und zweitens mir die NAMEN und Nummern zwischendrin absolut nichts sagen. Deshalb besternten Dank!

Gruß Ralf

Moin Ralf

Hast Du vielleicht ein Bild von diesem
mechanischen Lügenbeutel?

nanana - Lügenbeutel!

guckst Du hier

http://seilnacht.com/versuche/waegen.html

Gandalf

Tach Ralf,
Wie jedoch das Zünglein das Gleichgewicht

herstellt , ist immer noch ungeklärt.

hebst Du jetzt auf sprachliche Spitzfindigkeitn ab, oder meinst Du den physikalischen Vorgang?
Physikalisch ist es so, daß der Zeiger ausgelenkt wird und so ein Drehmoment erzeugt. Wenn die Kräfte auf beiden Seiten gleich sind, wird das System statisch und auf der Skala kann die Kraft abgelesen werden.

Gandalf

Hi Gandalf,

hebst Du jetzt auf sprachliche Spitzfindigkeitn ab

Du erlaubst, dass ich Dich zitiere:

In der Mitte war ein Zeiger, der kurz vor dem Gleichgewicht leicht ausschwang
und so mittels Hebelwirkung das Gleichgewicht herstellte.

das ist keine Spitzfindigkeit meinerseits, sondern Deine Aussage.

Physikalisch ist es so, daß der Zeiger ausgelenkt wird und so
ein Drehmoment erzeugt. Wenn die Kräfte auf beiden Seiten
gleich sind, wird das System statisch und auf der Skala kann
die Kraft abgelesen werden.

Willst Du mich verkackeiern? Auch von einem Chemiker kann ich erwarten, dass er den Unterschied zwischen Gewicht anzeigen und Gleichgewicht herstellen kennt.

Gruß Ralf