Reformen? Ohne mich!

Hallo,

1995 hatte die Deutsche Telekom etwa 215.000 Mitarbeiter -
alle in Deutschland. Heute hat die Telekom 255.000
Mitarbeiter, aber nur noch etwa 170.000 in Deutschland.

Du sprichts vom Telekom-Konzern, der viele lustige Auslandsgesellschaften beinhaltet, darunter so unbedeutende wie Voicestream. Während 66,7% der Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt sind, werden nur 62,2% des Umsatzes im Ausland erwirtschaftet. Was sagt uns das über die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland bei der Telekom?

Genau: Die Mitarbeiter im Ausland arbeiten nicht für deutsche Unternehmensteile sondern für operativ im Ausland tätige Einheiten. Also nix mit Arbeitsplatzverlagerung bei der Telekom.

Bei Daimler stieg die Quote der Auslandsmitarbeiter in der
gleichen Zeit von 23 auf fast 50 Prozent.

Auch hier sprechen wir vom Daimler-Chrysler-Konzern. Als (seit 1995 neu erworbene) Beteiligungen im Ausland fallen mir da Chrysler ein, Freightliner, Setra, Hyundai und Mitsubishi. Ich hab jetzt keine Lust, die gleichen Daten wie bei der Telekom rauszusuchen, aber ich hab da so die Ahnung, daß sich das Ergebnis nicht viel anders darstellt.

Soviel dazu.

Gruß,
Christian

Dein Arbeitsplatz ist also gefährdet, nur weil die
Regelungen so sind, wie sie sind? Das hat nichts mit dem
Unternehmen zu tun oder so?

Nein, es hat was damit zu tun, dass meine Aufgaben, für die
ich die Summe X pro Monat bekomme, von einem Menschen in
Lettland oder Indien für die Summe X/4 erledigt werden
könnten. Und das mein Arbeitgeber bedingt durch die Regelungen
in meinem Arbeitsvertrag es leichter hat, diesen Austausch
vorzunehmen.

Und Du meinst, daß es bei einer Investition im Ausland mit teilweise jahrelanger Vorbereitung eine Rolle spielt, ob die Kündigung eines Mitarbeiters in Deutschland mit sechs Wochen oder sechs Monaten zum Quartalsende möglich ist?

Eine derartige Sichtweise finde ich schon sehr seltsam.

Gruß,
Christian

Hallo Heinrich,

das sind doch alte Hüte, seit Jahren (oder eher Jahrzehnten) bekannt, nicht zu leugnen und nicht wegzudiskutieren. Die Wirtschaft agiert eben wie sie soll: nämlich global.

Vorgestern waren es die Niedrigkostenstandorte Spanien, Portugal etc. gestern waren es Polen, Tschechien etc. (Meine Meinung: Wer da als Konzern noch nicht ist, kommt zu spät) und heute sind es Rumänien, Slowakei etc.

Nur: Das war noch nie und wird auch nie eine Einbahnstraße sein, denn sobald die Jungs und Mädels da drüben Geld in der Tasche haben, dann gehen sie mit Sicherheit zum Teil bei uns einkaufen…

Was mit hier viel(!) mehr Sorgen bereitet, sind die Rohstoffpreise, die bei einem weiteren Wachstum der Schwellenländer (z.B. China) gigantisch anziehen werden. Ein Beispiel: Der Stahlpreis zieht im Moment wie wild, weil China schlicht Stahl braucht. Und irgendwann stellen wir plötzlich fest, dass die mit viel Geld stillgelegten Stahlwerke im Ruhpott wieder wirtschaftlich wären, wenn wir nur nicht die gesamte Infrastruktur platt gemacht hätten…

Interessant, oder?

Grüße
Jürgen

Hi Jürgen !

das sind doch alte Hüte, seit Jahren (oder eher Jahrzehnten)
bekannt, nicht zu leugnen und nicht wegzudiskutieren. Die
Wirtschaft agiert eben wie sie soll : nämlich global.

Würd ich unterschreiben, wenn Du statt " soll" " will" geschrieben hättest.

Vorgestern waren es die Niedrigkostenstandorte Spanien,
Portugal etc. gestern waren es Polen, Tschechien etc. (Meine
Meinung: Wer da als Konzern noch nicht ist, kommt zu spät) und
heute sind es Rumänien, Slowakei etc.

Morgen in Russland, übermorgen Afrika und wohin dann ?

Nur: Das war noch nie und wird auch nie eine Einbahnstraße
sein, denn sobald die Jungs und Mädels da drüben Geld in der
Tasche haben, dann gehen sie mit Sicherheit zum Teil bei uns
einkaufen…

Bis dorthin steigt unsere Arbeitslosenquote drastisch. Der nächste Hitler wird sich dann über seine günstigen Ausgangspositionen freun.

Ein Beispiel: Der Stahlpreis zieht im Moment wie wild, weil China
schlicht Stahl braucht. Und irgendwann stellen wir plötzlich
fest, dass die mit viel Geld stillgelegten Stahlwerke im
Ruhpott wieder wirtschaftlich wären, wenn wir nur nicht die
gesamte Infrastruktur platt gemacht hätten…
Interessant, oder?

Das Problem dabei ist, dass Du [heute] keine Infrastruktur aufrechterhalten kannst, die Du [morgen] vielleicht brauchen wirst. Relevant sind die gegenwärtigen Kosten und Erträge und nur die !

Grüße

auch Grüße

Jürgen

Wolkenstein

Hallo Jürgen,

Beispiel: Der Stahlpreis zieht im Moment wie wild, weil China
schlicht Stahl braucht. Und irgendwann stellen wir plötzlich
fest, dass die mit viel Geld stillgelegten Stahlwerke im
Ruhpott wieder wirtschaftlich wären, wenn wir nur nicht die
gesamte Infrastruktur platt gemacht hätten…

die sind immer noch wirtschaftlich, aber in Indien und China. Da stehen nämlich die meisten alten Hochöfen & Co. inzwischen rum und produzieren Stahl minderer und mittlerer Qualität, der in Deutschland auch nicht wirtschaftlich zu produzieren wäre, wenn die Tonne Warmband 600 Euro kostet.

Aber auch hier sieht man, daß die „Globalisierung“ in zwei Richtungen abläuft. Die Instandhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen, d.h Kohleeinblassysteme, Entschwefelungsanlagen usw. kommen in nicht unerheblichem Umfang weiterhin aus Deutschland.

Gruß,
Christian

Hi!

Und Du meinst, daß es bei einer Investition im Ausland mit
teilweise jahrelanger Vorbereitung eine Rolle spielt, ob die
Kündigung eines Mitarbeiters in Deutschland mit sechs Wochen
oder sechs Monaten zum Quartalsende möglich ist?

Eine derartige Sichtweise finde ich schon sehr seltsam.

Sag das nicht mir, sondern den Arbeitgebervertretern. Schließlich behaupten doch die andauernd, dass u.a. der deutsche Kündigungsschutz ein Hindernis sei, Leute einzustellen. Hinter so einer Klage steht doch eindeutig der Gedanke, das eigene Personal nach Möglichkeit schnell und unkompliziert wieder loszuwerden.

Grüße
Heinrich

Hallo Heinrich,

Und Du meinst, daß es bei einer Investition im Ausland mit
teilweise jahrelanger Vorbereitung eine Rolle spielt, ob die
Kündigung eines Mitarbeiters in Deutschland mit sechs Wochen
oder sechs Monaten zum Quartalsende möglich ist?

Eine derartige Sichtweise finde ich schon sehr seltsam.

Sag das nicht mir, sondern den Arbeitgebervertretern.
Schließlich behaupten doch die andauernd, dass u.a. der
deutsche Kündigungsschutz ein Hindernis sei, Leute
einzustellen. Hinter so einer Klage steht doch eindeutig der
Gedanke, das eigene Personal nach Möglichkeit schnell und
unkompliziert wieder loszuwerden.

ich bin unsicher, ob Du die Dinge absichtlich mißverstehst oder unfreiwillig. Nehmen wir mal freundlicherweise die letzte Variante an.

Im Deinen Fall geht es um eine Betriebsverlagerung, bei der auch langjährige Mitarbeiter auf der Strecke bleiben. Im anderen Fall geht es um den Ausgleich von mittelfristigen Schwankungen (d.h. 6-24 Monate) der Auftragslage, wo in den guten Zeiten wenigqualifiziertes Personal gebraucht wird. Derartige Schwankungen werden im Augenblick durch teure Überstunden oder (im geringeren Maße) durch Leiharbeitskräfte ausgeglichen.

Der einzige Nachteil im volkswirtschaftlichen Sinne, der durch eine Verringerung des Kündigungsschutzes entsteht, besteht in der Prozyklität der Beschäftigungsentwicklung, d.h. bei Wirtschaftswachstum schnellere Entstehung von Arbeitsplätzen, in schlechten Zeiten schnellerer Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Da in der Vergangenheit die guten Jahre die schlechten Jahre in Anzahl und Ausmaß deutlich übertrafen, hätte sich die Arbeitnehmerschaft insgesamt besser gestellt.

Gruß,
Christian

Hi!

ich bin unsicher, ob Du die Dinge absichtlich mißverstehst
oder unfreiwillig. Nehmen wir mal freundlicherweise die letzte
Variante an.

Im Deinen Fall geht es um eine Betriebsverlagerung, bei der
auch langjährige Mitarbeiter auf der Strecke bleiben. Im
anderen Fall geht es um den Ausgleich von mittelfristigen
Schwankungen (d.h. 6-24 Monate) der Auftragslage, wo in den
guten Zeiten wenigqualifiziertes Personal gebraucht wird.
Derartige Schwankungen werden im Augenblick durch teure
Überstunden oder (im geringeren Maße) durch Leiharbeitskräfte
ausgeglichen.

Der einzige Nachteil im volkswirtschaftlichen Sinne, der durch
eine Verringerung des Kündigungsschutzes entsteht, besteht in
der Prozyklität der Beschäftigungsentwicklung, d.h. bei
Wirtschaftswachstum schnellere Entstehung von Arbeitsplätzen,
in schlechten Zeiten schnellerer Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Ich missverstehe weder bewusst noch unbewusst, ich ziehe einfach meine Erfahrungen aus meiner beruflichen Vergangenheit heran und projiziere sie auf eine Zukunft mit den von Arbeitgeberseite gewünschten Veränderungen.

In knapp fünfzehn Jahren habe ich als Mitarbeiter einer DV-Abteilung eines größeren Unternehmens folgendes miterlebt:

Im Rahmen der Manager-Schlagwortes „Kostentransparenz durch Outsourcing“ wurde eine intakte Abteilung aus dem Mutterunternehmen in ein eigenständiges Unternehmen ausgegliedert. Bedingt durch Kündigungsschutzregeln musste ein Sozialplan für jene Mitarbeiter erstellt werden, die im neu entstandenen Unternehmen unerwünscht waren. Ein Teil ging (mit Abfindungen), ein deutlich größerer Teil wechselte innerhalb des Mutterunternehmens auf andere Stellen (z.T. unter Gehaltseinbußen). Etwa ein Drittel des ursprünglichen Personals wechselte in die neue Firma.

(bei Abbau des Kündigungsschutzes wie derzeit beabsichtigt hätte vermutlich die Hälfte der Leute auf der Straße gestanden)

Nach drei Jahren war Kostentransparenz derart eindeutig, dass einige Entscheider auf Vorstands- und Direktionsebene kalte Füße bekamen - insbesondere weil die neue Tochterfirma der Mutter jetzt Kostensätze berechnen musste, die u.a. Dinge wie Verwaltung, Sekretariat usw. enthielten. Der verantwortliche Vorstand wurde gefeuert, die Tochter wieder in die Muttergesellschaft zurückgeholt.

Es dauerte knappe zwei Jahre, als man die Idee des Outsourcing erneut aufgriff - dieses Mal unter der Überschrifte „quellmarkt bezogene Aufstellung des Unternehmens“. Ältere Mitarbeiter gingen mit Abfindungen in den Vorruhestand, andere wollten die Mutter nicht verlassen, erneut ein Sozialplan, erneut Wechsel der Abteilung, erneut ein Start mit reduziertem Personal.

Auch hier - so schätze ich - wäre die Geschäftsleitung froh darüber gewesen, wenn es diesen „dämlichen Kündigungsschutz“ nicht gegeben hätte.

Mittlerweile ist das Gesamtunternehmen zerlegt in eine Vielzahl von Tochterunternehmen (die Mutter ist nur noch eine Holding mit 40 Mitarbeitern). Um weiter Kosten zu sparen, sollen jetzt große Teile der DV-Entwicklung und -Wartung an indische Unternehmen abgegeben werden (Off-Shoring). Das dürfte etwa ein Drittel bis die Hälfte der Angestellten betreffen.

Für mich stellt sich nicht die Frage, ob hier kurzfristiger Personalbedarf über 6 bis 24 Monate durch einen gelockerten Kündigungsschutz sich abbilden lässt, sondern ob dem Ausleben von Modewellen in den Manageretagen ein lockerer Kündigungsschutz nicht die Hand reicht.

Ich bin seit über 25 Jahren im Berufsleben, davon 18 Jahre in der DV, und etwa alle drei Jahre tauchte ein neuer Begriff in der Managerwelt auf, dem alle als die selig machende Wirtschaftstheorie hinterher hechelten - und stets verbunden war mit Personalabbau. Erst hieß es „Outsourcing“, dann wieder „Insourcing“; da gab es die „Geschäftsfelderweiterung auf alle ertragversprechenden Bereiche“, dann „Rückbesinnung auf die Kernkompetenz“; aus der „eigenverantwortlichen Kostenverwaltung“ wurde das „zentral gesteuerte Kostenmanagement“; die zunächst „selbstständig agierenden Tochterunternehmen in den Quellmärkten“ wurden zu „Satelliten um den Mutterkonzern“. Das Ganze natürlich gekoppelt mit einem permanenten Personalabbau und -austausch, so dass heute an den Schnittstellen zu den Kunden (Call Center, Verkaufsstellen) Mitarbeiter sitzen, die vielleicht nur noch zwei Drittel vom Gehalt des Vorgängers kosten, dafür aber unfähig sind, mit den Computersystemen adäquat umzugehen bzw. die Verkaufsprodukte vernünftig kennen.

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Herumexperimentieren mit Wirtschaftstheorien - respektive Modebegriffen - wird zunehmen, wenn Mitarbeiter leichter gekündigt werden können. Die Unsicherheit in der Belegschaft wird zunehmen, die Identifikation des Mitarbeiters mit „seiner“ Firma sinkt. Ebenso die Produktivität.

Grüße
Heinrich

Hallo nochmal,

Deinem Einzelfall kann ich etliche entgegenhalten, in denen der Kündigungsschutz neue Arbeitsplätze verhindert hat. Ganz besonders gut gefällt mir dabei der eines Automobilzulieferers, der über Jahre nachlassende Nachfrage mit entsprechender Unterbeschäftigung (d.h. Leerkosten) zu verzeichnen hatte. Über natürliche Fluktuation und Streichung einiger Produkte konnte das Familienunternehmen gehalten werden.

Als die Nachfrage wieder anstieg, versuchte man diese zunächst über Überstunden zu befriedigen. Irgendwann entschied man sich, neues Personal einzustellen. Kurz danach ging die Nachfrage wieder zurück und man war diesmal gezwungen, rd. 20 % des Personals abzubauen, was sich dann knapp ein halbes Jahr hinzog und an die 10 Mio. Euro kostete.

Ende 2002 lief es dann wieder besser. Da man aber meinte aus den Erfahrungen gelernt zu haben, stellte man diesmal nicht neu ein, sondern holte sich über Zeitarbeitsunternehmen die notwendigen Mitarbeiter, was witzigerweise teilweise die gleichen war, die man vorher abgefunden hatte. Seit Anfang 2003 beschäftigt man durchgängig mehr als 70% der Zeitarbeitsleute, die man Anfang 2003 an Bord geholt hatte. Bei den restlichen knapp 30% hangelt man sich je nach Bedarf von Monat zu Monat durch.

Ist eine derartige Umgehung des Kündigungsschutzes wirklich besser, als kurzfristigen Personal auf bau durch Lockerung der Regelungen für Personal ab baus zu ermöglichen?

Gruß,
Christian

Hi!

was kotzt du hier eigentlich so zynisch rum? Als Stück Arbeitsmarktware hast du eh nichts zu melden, das legen andere fest: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,297… wie wir das früher schon mal hatten und wo das funktioniert hat: http://archiv14.pds-im-bundestag.de/index.php?main=/…

Gruß
Frank

Kündigungsschutz

Ist eine derartige Umgehung des Kündigungsschutzes wirklich
besser, als kurzfristigen Personal auf bau durch
Lockerung der Regelungen für Personal ab baus zu
ermöglichen?

Hallo Christian,

ich stimme dir in allen Punkten zu und möchte noch was ergänzen.

Es gibt eine eigene Branche, die von der Unsinnigkeit der bestehnden Regelungen lebt. Das sind die vielen Leiharbeitsunternehmen, die es in jeder Stadt git. Unternehmen leihen sich gerne Arbeitskräfte aus und zahlen auch hohe Beträge dafür, weil man sich eben nicht so binden muß. Würde man Kündigungsschutz lockern oder in Teilbereichen abschaffen, brauchte man keine solchen Arbeitsvermittler.

Man kann leichter seinen Job verlieren, findet aber aber auch schneller wieder einen. Unter dem Strich wird es dadurch mehr Beschäftigung geben und das soll doch Sinn und Zweck der Übung sein, oder? (Die Frage ist an Heinrich gerichtet)

Gruß,
Klaus

Hi!

Man kann leichter seinen Job verlieren, findet aber aber auch
schneller wieder einen. Unter dem Strich wird es dadurch mehr
Beschäftigung geben und das soll doch Sinn und Zweck der Übung
sein, oder? (Die Frage ist an Heinrich gerichtet)

Eben genau das wage ich zu bezweifeln. Einstellungen und Entlassungen sind keine soziale Frage, sondern ausschließlich kostenbedingt. Die Relation zwischen geleisteten Arbeitsstunden und erwirtschafteten Bruttosozialprodukt zeigt doch, dass bei konstanter Belegschaft mehr Arbeitsergebnisse erzielt werden. Ein Wirtschaftswachstum von 2% kann allein durch höhere Effektivität erzielt werden.

Einstellungen würden also nur Sinn machen, wenn
a) über das Jahr starke Schwankungen im Arbeitsanfall existieren (Stichwort Saisonarbeitskräfte, etwa im Tourismus)
b) ein außergewöhnlich starke Nachfrage nach eigenen Produkten oder Dienstleistungen auftritt

Egal welcher Grund auftritt, der Lohnkostendruck durch Arbeitnehmer aus Osteuropa wird zunehmen (vor zwei Tagen gab es einen Bericht über das Dreiländereck D - TCH - POL. Dort wird jetzt schon deutschen Arbeitnehmern ganz klar gesagt, dass ihr bisheriges Lohnniveau nicht zu halten ist). Und erleichterte Kündigungen werden es den Unternehmern noch leichter machen, bestehendes Personal abzubauen und Betriebsteile Richtung Osten zu verlagern.

Ich glaube, dass wir uns in einer Spirale nach unten befinden. Da wir in D bisher den höchsten Lebensstandard und (fast) die höchsten Löhne in Europa haben/hatten, sind wir auch die ersten Leidtragenden dieser „Todesspirale“. Sind wir im Niveau erst einmal deutlich gedrückt, wird es andere Länder wie Frankreich, die Niederlande usw. ebenfalls runterreißen. Die wissen derzeit aber wohl noch nichts von diesem Schicksal.

Kurzum: D ist der kranke Mann Europas, und eine Genesung in den nächsten 20 Jahren sehe ich nicht (schließlich stehen mit Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Türkei die nächsten Billig-Arbeitnehmer bereit).

Der primäre Gelderwerb kann also nicht mehr die tägliche Arbeit sein (da sind zu viele billiger als wir), sondern das Kapitalinvestment. Nur: wer jetzt kein Kapital zum Investieren hat, wird sehr bald hinten runterfallen.

Grüße
Heinrich

Hi!

  1. Auslandsverlagerung

Zunächst muß man die diversen Jobs differenzieren. Ich würde
sagen, daß Zweidrittel nicht verlagerbar sind, weil sie zu
qualifiziert oder aus sonstigen Gründen zu sehr vom Standort
abhängig sind. Ein Drittel wäre verlagerbar. Das sind
einfache, erlernbare Jobs im Produktionsbereich. Diese sind
z.B. in Osteuropa billiger.

Gerade in der FAZ gefunden - minderqualifizierte Jobs?

Zitat:
"Tui verlagert Arbeitsplätze

  1. April 2004 Europas größter Touristikkonzern Tui verlagert Teile seiner Buchhaltung in das Niedriglohnland Ungarn. Zugleich solle ein Viertel der bislang 320 Stellen in der Buchhaltung des Geschäftsbereichs Europa Mitte (Deutschland, Österreich, Schweiz) gestrichen werden, teilte Tui am Dienstag mit. Nach Angaben aus Kreisen des Unternehmens sollen in dem Bereich rund sieben Millionen Euro im Jahr gespart werden.

„Wir werden volumenstarke, standardisierte Aufgaben der Buchhaltung für unseren Geschäftsbereich Europa Mitte ab Herbst nach Budapest verlagern", sagte Tui-Sprecher Mario Köpers am Dienstag. In der ungarischen Hauptstadt sollten 70 neue Arbeitsplätze entstehen. Grund seien die deutlich niedrigeren Lohnkosten bei einer zugleich guten Infrastruktur und oft guten Deutsch-Kenntnissen der potentiellen Mitarbeiter. Weitere Verlagerungen seien derzeit nicht geplant.

Köpers bestätigte zudem Angaben der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, wonach die verbleibenden 240 Arbeitsplätze in der Buchhaltung für elf Tui-Gesellschaften in eine neue Tui Dienstleistung GmbH ausgelagert werden soll. Künftig gebe es dafür nur noch zwei Standorte, Hannover und Budapest. Arbeitsplätze aus Österreich und der Schweiz würden zum Teil dorthin verlagert. Die Tui Dienstleistung GmbH hat einen eigenen Tarifvertrag, der zum Teil mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Gehältern bedeutet."

Quelle:
http://www.faz.net/s/RubC8BA5576CDEE4A05AF8DFEC92E28…

Grüße
Heinrich

Das Motivationsmärchen
Moin,

Wenn also die Regelarbeitszeit auf 42 Stunden erhöht wird, dann
werden die Arbeitskosten in Deutschland niedriger,

Das, geschätzter K., kann nur ein monokausalistischer
Chicagoer meinen. Der ist im neoklassischen Wettbewerbsmodell
hängen geblieben und meint durch seine rosarote Brille, dass
er die Realität vor sich hat. Du weisst schon, aus wie vielen
völlig realitätsfremden Annahmen das neoklassische
Gleichgewichtsmodell zusammengeschustert ist ?

Die Arbeitsmotivation, eine wesentliche Größe für die
Arbeitsproduktivität, wird sinken, wenn die durchschnittliche
Arbeitszeit steigt.

Ach, seit wann ist die durchschnittliche Arbeitszeit so ein wichtiger Faktor für die Arbeitsmotivation ? Denkst du jetzt nicht ein wenig arg monokausal werter Wolkenstein ? :smile:
Ich geh mit dir jedenfalls jede Wette ein, dass sich flexiblere Arbeitszeiten mit 2 Stunden Mehrarbeit die Woche wesentlich besser auf die Arbeitsmotivation und Produktivität auswirken werden, als eine Stunde früher Feierabend.

Gruß
Marion

Grenzgänger

Ich geh mit dir jedenfalls jede Wette ein, dass sich
flexiblere Arbeitszeiten mit 2 Stunden Mehrarbeit die Woche
wesentlich besser auf die Arbeitsmotivation und Produktivität
auswirken werden, als eine Stunde früher Feierabend.

Hi Marion,

man kann Arbeitsmotivation akademisch betrachten. Ich erinnere mich noch dunkel an die Hawthorne Studien aus meiner Studienzeit. Das ist das, was Wolkenstein tut und was eben auch nur im akademischen Sinne zu gebrauchen ist.

Das andere ist die (industrielle) Wirtschaft, so wie sie real existiert und die mehr oder weniger motivierten Menschen in ihr. Da gibt es eine Menge Frust und faktische Ängste um den Verlust des Jobs. Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß eine große Mehrheit gerne länger arbeitet, wenn dadurch das Unternehmen gestärkt wird.

Gruß,
Klaus

Hallo Marion, salve Coordinatore !

Ach, seit wann ist die durchschnittliche Arbeitszeit so ein
wichtiger Faktor für die Arbeitsmotivation ? Denkst du jetzt
nicht ein wenig arg monokausal werter Wolkenstein ? :smile:

Und dabei war ich [noch] gar nicht in Chicago. *g*
Ich hab nicht behauptet, dass die Arbeitszeit der bestimmende Faktor der Arbeitsmotivation ist; das täten nur monokausal Denkende. Die Arbeitszeit ist ein Faktor; allerdings einer der wichtigeren.

Anmerkung (Nein, Marion & Coordinatore, nicht für Euch, aber es könnt sein, dass wer nicht weiß, was monokausal heißt): Monokausal heißt, dass 1 Wirkung 1 Ursache hat (und eben nicht mehrere).

Beispiel: Wenn ich mich in die Sonne leg und einen Sonnenbrand bekomm, so meinen monokausal Denkende, allein die Sonne sei schuld. Ja, stimmt schon. Aber ich hab mich auch zu lang hingelegt, hab mich nicht eingecremt, bin vielleicht eingeschlafen, bin vielleicht am Gletscher gelegen, und so weiter.

Ich für meinen Fall verseh das Ganze noch mit Wahrscheinlichkeiten. Ohje, ich hör ihn, den Commendatore: der gute Wolkenstein wird schon wieder akademisch. Aber dazu unten mehr.

Ich geh mit dir jedenfalls jede Wette ein, dass sich
flexiblere Arbeitszeiten mit 2 Stunden Mehrarbeit die Woche
wesentlich besser auf die Arbeitsmotivation und Produktivität
auswirken werden, als eine Stunde früher Feierabend.

Bei dieser Wette wird Dir der Wettpartner abgehn. So in der Form wär ich nicht anderer Meinung. Bei den grundsätzlichen Überlegungen zur Arbeitszeit gehts nicht um +/- 2 Stunden, sondern um eine grundsätzliche Neuorganisation am Arbeitsmarkt. Und die passiert sowieso (die stark steigenden Teilzeitjobs sind ein Anzeichen dafür), die Frage ist nur: Wie und wer verliert dabei was ?

man kann Arbeitsmotivation akademisch betrachten. Ich erinnere
mich noch dunkel an die Hawthorne Studien aus meiner
Studienzeit.

Hey, das is urlang her (20er-Jahre, 20. Jh.). Commendatore, Du zitierst aus dem 1. Abschnitt (das mit den Hawthorne Studien hört jeder Anfänger). Weder Personalwesen noch Betriebspsychologie sind dort stehen geblieben. Außerdem: Wenn der Hans-Werner Sinn was behauptet, ists O.K., wenn ich dann dagegen argumentiere, wirds akademisch. Also das ist mir zu hoch.

Das ist das, was Wolkenstein tut und was eben
auch nur im akademischen Sinne zu gebrauchen ist.

Eben, meine Motivation sei also eine akademische. *jetztdochgrins* Und wie schaut dann bitte Deine nicht-akademische Motivation (so draußen in der Wirtschaft) aus? *jetztinteressiertbin*
Wenn Menschen wirklich gerne unbezahlt 2 Stunden pro Woche mehr arbeiten wollen ohne Angst vor einem Arbeitsplatzverlust haben zu müssen, dann sag mir, warum Vereine zunehmend Probleme kriegen, ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden.

Das andere ist die (industrielle) Wirtschaft, so wie sie real
existiert und die mehr oder weniger motivierten Menschen in
ihr.

Jaja, Du mit Deinem Vorurteil gegenüber Akademikern: die da drinnen (im Elfenbeinturm) und Du Armer da draußen. Und dabei bin ich gar keiner *hehehe*.

Da gibt es eine Menge Frust und faktische Ängste um den
Verlust des Jobs. Ich bin felsenfest davon überzeugt, daß eine
große Mehrheit gerne länger arbeitet, wenn dadurch das
Unternehmen gestärkt wird.

Auch das bestreite ich keineswegs (höchstens das Wort „gerne“). Allerdings hat sie keine Wahl: entweder mehr arbeiten oder gekündigt werden. Ich könnt auch sagen, dass das glatte Erpressung ist (dann verlegen wir unsere Firmen nach Rumänien; Tschechien dürft mittlerweile auch zu teuer sein). Die Wahl bleibt zwischen 2 Übeln: unbezahlt mehr arbeiten oder entlassen werden. Supermotivation, oder ? (warn kleiner Schuss Sarkasamus mit dabei, tschuldige)

Gruß
Marion
Gruß,
Klaus

dem kann ich mich vollinhaltlich anschließen
Wolkenstein