Regelbeispiel & Qualifizierung

Hallo,

ich stecke in einer kleinen Lernblockade. Zu meiner Person: Ich studiere Wirtschaftsrecht im dritten Semester. Momentan bearbeite ich das Modulfach Wirtschaftsstrafrecht. Seit einigen Tagen komme ich nicht weiter da ich nicht verstehe was der unterschied zwischen dem Regelbeispiel & der Qualifizierung ist.

Ich habe bereits im Internet recherchiert jedoch nicht etwas gefunden was helfen konnte, mein Prof bezieht sich auf das Skript ( was um ehrlich zu sein ein wenig verwirrend ist), daher komme ich zu keiner verstÀndlichen Erkenntnis.

Vielleicht kann mir das jemand verstÀndlich erklÀren und sich dem annehmen. An meiner Uni fehlt es an verstÀndlichen ErklÀrungen.

Ich bedanke mich schon einmal im voraus.

Das ist eigentlich eine ganz einfache Geschichte. Es gibt einen „Grundtatbestand“ (Regelbeispiel) mit gewissen Tatbestandsmerkmalen, deren Verwirklichung dann zu einem entsprechenden Strafrahmen fĂŒhrt.

ZusĂ€tzlich zu den Tatbestandsmerkmalen des Grundtatbestands gibt es aber weitere Tatbestandsmerkmale, die recht hĂ€ufig hinzutreten, und bei deren zusĂ€tzlicher Verwirklichung dann eine stĂ€rkere Verletzung von RechtsgĂŒtern gegeben ist, als beim bloßen Grundtatbestand. Und daher hat man bei diversen Strafvorschriften zusĂ€tzlich zum Grundtatbestand eine oder mehrere „Qualifizierungen“ normiert, die bei der Verwirklichung entsprechend dort benannter zusĂ€tzlicher Tatbestandsmerkmale dann zu einem erweiterten Strafrahmen fĂŒhren.

Das Gegenteil zur Qualifikation wĂ€re die Privilegierung, bei der zusĂ€tzlich zum Grundtatbestand hinzutretende weitere Dinge dann zu einemreduzierten Strafrahmen fĂŒhren.

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Es gibt mehrere Unterschiede.

Qualifikationen sind „echte“ StraftatbestĂ€nde, welche die (Grund-)TatbestĂ€nde abwandeln. Regelbeispiele sind bloße Strafzumessungsnormen; sie wandeln keine TatbestĂ€nde ab. Man macht sich zum Beispiel nach § 224 StGB, einer Qualifikation, strafbar, wie man sich auch einfach nur nach § 223 StGB, einem Grundtatbestand, strafbar machen könnte. Man kann sich aber nicht nach § 243 StGB strafbar machen, denn § 243 StGB ist keine Qualifikation, also keine eigenstĂ€ndige, sondern eine streng an § 242 StGB gebundene Variante des Diebstahls. Vielmehr macht man sich nach § 242 StGB strafbar, und das Gericht berĂŒcksichtigt bei der Festlegung der Strafe, dass es sich um einen besonders schweren Fall handelt. Bei der Frage, was ein besonders schwerer Fall ist, ist das Gericht an die aufgezĂ€hlten Beispiele aus § 243 StGB nicht gebunden (daher „in der Regel“: Regelbeispiele). Regelbeispiele sind weder zwingend noch abschließend, wenn es um die Frage geht, ob ein besonders schwerer Fall vorliegt. An das, was ein Qualifikationstatbestand verlangt, ist das Gericht sehr wohl streng gebunden (§ 244 StGB: „wird bestraft“).

Unterschiede gibt es auch in den Konsequenzen. So hĂ€ngt ja vom Mindestmaß der Strafe ab, ob eine Straftat ein Vergehen oder ein Verbrechen ist; fĂŒr ein Verbrechen reicht es nicht, dass ein Regelbeispiel greift; siehe § 12 Abs. 3 StGB, wo es um „besonders schwere FĂ€lle“ geht, nur fĂŒr solche gibt es Regelbeispiele, also können Regelbeispiele aus einem Vergehen nie ein Verbrechen machen. FĂŒr Regelbeispiele gelten die § 15 f. StGB im Übrigen nur analog, weil Regelbeispiele ja keine StraftatbestĂ€nde sind. Das Ergebnis ist dann natĂŒrlich dasselbe, aber man spricht vom Quasivorsatz statt vom Vorsatz. Umstritten ist, was bei §§ 22 f. StGB und Regelbeispielen gilt; gibt es den Versuch eines Regelbeispiels? Klar ist hingegen wohl, dass man strafbefreiend zurĂŒcktreten kann, auch wenn ein Regelbeispiel schon vollendet wurde.

Einen wichtigen Unterschied gibt es noch in der PrĂŒfung: Regelbeispiele sind im Anschluss an die Schuld zu prĂŒfen, weil sie ja nur die Höhe der Strafe Ă€ndern können, aber nicht zum Tatbestand gehören. Also:

  1. Objektiver Tatbestand
  2. Subjektiver Tatbestand
  3. Rechtswidrigkeit
  4. Schuld
  5. Strafzumessung/besonders schwerer Fall/Regelbeispiel

Wissen muss man noch: Bei der MittÀterschaft ist eine Zurechnung von Merkmalen eines Regelbeispiels wohl möglich.

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Danke fĂŒr deine hilfreiche Antwort :slight_smile:

Danke fĂŒr deine hilfreiche und ausfĂŒhrliche Antwort. Jetzt kann es endlich weitergehen.

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