Hallo,
Ich komme immer nur auf die -180° in meiner Suche. ^^
hör auf zu suchen und fang an zu denken.
Ich muss bei -135° schauen für PID Regler.
Das ist erst recht Unsinn für Deine Aufgabe, denn das ergibt dann eine Phasenreserve.
Ein Regelkreis keine Dauerschwingung ergeben - der ‚kritische Punkt‘ also nicht erreicht werden. Gleichzeitig soll der Regelkreis aber möglichst schnell regeln - und das ist in der Nähe des kritischen Punktes.
Man möchte also für eine optimale Auslegung des Regelkreises in die Nähe des kritischen Punktes, aber nicht bis ganz ran. Der kritische Punkt liegt bei einer Phasendrehung von 180° und gleichzeitig einer Verstärkung von 1, wie Du sicher weißt.
Und damit kommen wir zur Phasenreserve oder zur Amplitudenreserve. Bei der Amplitudenreserve (eher ungebräuchlich in der Praxis) stellt man den Regler so ein, dass sich bei einer Phasendrehung von 180° eine Verstärkung von kleiner als 1 ergibt. Die Reserve ist der Faktor, mit dem sich eine Verstärkung von 1 ergeben würde. Meist in dB angegeben.
Bei der Phasenreserve schaut man nicht bei 180° ins Diagramm sondern schon bei 180°-Phasenreserve (z.B. 50° hat sich als vernünftiger Wert aus der Praxis ergeben, also bei 180°-50°=130° nachschauen. Du hattest irgendwo eine Reserve von 45° ergoogelt, das ergäbe dann die 135°). Und stellt die Verstärkung jetzt so ein, dass sich bei dieser Phasendrehung eine Verstärkung von 1 ergibt. Wenn man die Phasendrehung näher am kritischen Punkt betrachtet, zeigt sich jetzt, dass die Verstärkung in diese Richtung abnimmt und damit der kritische Punkt nicht erreicht wird. Das klappt aber natürlich nur dann, wenn der Frequenzgang zu höheren Frequenzen hin stetig abwärts geht, sonst muss man ein anderes Verfahren anwenden. Ist aber bei den meisten Regelstrecken in der Praxis der Fall.
Wie Du merkst, wurde hier immer vom Regelkreis gesprochen. Denn das ist ja gerade das, was wir bei der Kontrolle auf Dauerschwingung oder nicht betrachten müssen: die Verstärkung und die Phasendrehung im Kreis. Um also die richtige Einstellung zu finden, nimmt man nicht das Diagramm vom Regler und auch nicht das von der Strecke, sondern das Gesamtdiagramm des Kreises. Man trennt dazu gedanklich den Regelkreis an irgendeiner Stelle auf und betrachtet alle Streckenteile, Regler, Messverstärker etc., die im Kreis herum liegen, bis man wieder an der Trennstelle angekommen ist. In Deinem Fall ist das vermutlich nur die PT3-Strecke und der Regler selber. Die Diagramme kann man relativ einfach berechnen, da sich die (frequenzabhängigen) Verstärkungsfaktoren der einzelnen Gleider zwar multiplizieren, aber in dB angegeben und ins Diagramm gezeichnet werden - dann kann man sie grafisch addieren. Und die (frequenzabhängige) Phasendrehung addiert sich natürlich ebenfalls. Und in diese Gesamtdiagramme für Phasen- und Frequenzgang musst Du nun für Deine Reglerauslegung schauen.
Doch halt - was wird denn nun eigentlich verstellt?
Nun - die Strecke ist normalerweise fest vorgegeben, bleibt nur der Regler. Aber ein PID-Regler (vermutlich sogar ein PIDT1 hat ja nun mehrere Parameter. Sind die in der Aufgabe vorgegeben? Falls nicht, geht das so:
P (also Kr) ist für die Einstellung immer erst mal auf 1 gesetzt - den verstellen wir ja hinterher je nach Anforderungen. Den I-Anteil wählt man - je nach Dozent
- so, dass er gleich der längsten Zeitkonstante der Strecke entspricht oder der Summe der Streckenzeitkonstanten. Dann kürzt sich das in der Gleichung des Regelkreises raus und wenn die längste Zeitkonstante weg ist, wird es mit Sicherheit nicht schlechter.
Der D-Anteil - ganz einfach: Pi-mal-Daumen-Regel, 4…5 mal so schnell wie der I-Anteil, also Td durch 4…5 teilen. Warum? Nunb, wenn Du mal an die Übertragungskurve eines PID-Reglers denkst, die ‚Badewannenkurve‘, dann entsprechen die Knickpunkte der Kurve gerade ungefähr 1/Td und 1/Tv (nein, das ist nicht direkt so, da muss man schon noch etwas rechnen). Und wenn man dafür sorgen will, dass die Kurve ‚hübsch‘ aussieht, also alle drei Bereiche des Reglerverhaltens (links der I-Bereich für die tiefen Frequenzen, in der Mitte der P-Bereich für die mittleren Frequenzen und rechts der D-Bereich für die hohen Frequenzen) was zu tun haben, muss 1/Td links von 1/Tv liegen. Besonders ‚hübsch‘ eben bei einem Faktor von 4…5 zwischen den beiden.
Und, falls vorhanden, was machen wir mit dem T1 ? Nun, der sorgt dafür, dass die Verstärkung des Regler für die ganz hohen Frequenzen nicht ins Unendliche geht, also der rechte, steigende Zweig der Badewannenkurve wieder in die Horizontale abknickt. Da der Knickpunkt ungefähr 1/T1 entspricht nimmt man hier den gleichen Faktor wie eben, teilt also Tv durch 4…5.
Und damit haben wir jetzt alles, was wir brauchen und können das Gesamtdiagramm des Regelkreises zeichen - also alles ‚im Kreis rum beteiligte‘. In DIESES Phasendiagramm schaust Du nun wie in Deinem ersten Posting beschrieben bei 180°, peilst in den Frequenzgang bei der gleichen Frequenz (deshalb zeichnet man sie am besten übereinander) und schaut, wie die Verstärkung jetzt gerade ist. Entweder ist man damit zufrieden (wie in Deiner Aufgabe) oder manb stellt durch Verändern von Kr die Verstärkung so ein, dass man die Verstärkungsreserve einhält.
Wenn man statt der Verstärkungsreserve eine Phasenreserve haben will, schaut man nicht bei 180°, sondern - wie oben beschrieben - bei 180°-Phasenreserve ins Phasendiagramm, peilt bei der gefundenen Frequenz in den Frequenzgang und stellt nun bei der gefundenen Frequenz durch Verstellen von Kr eine Verstärkung von 1 ein.
Für die angehenden Regelungstechniker an einer Schule ist die Aufgabe damit beendet. Für die echten FRegelungstechniker in der Praxis geht die Arbeit damit aber erst los. Denn mit den gefundenen Einstellungen hat man zwar einen Kreis, der nicht schwingt, aber meist keine optimale Einstellung. Zur Optimierung lässt man den Kreis nun arbeiten und fängt jetzt an, an allen möglichen Knöpfen zu drehen, bis es richtig gut läuft wie gewünscht. Welcher Knofp wie zu drehen ist, sagt einem dabei die Erfahrung, aber natürlich auch der Kopf - was passiert, wenn ich Kr größer mache, wenn ich Td kleiner mache etc. Denn das, was man vorher ausgerechnet hat, KANN ja gar nicht optimal für den individuellen Fall sein. Wenn man z.B. einen Brennofen regelt, würde nach einem hübschen Überschwinger nur noch Müll rauskommen - alles zusammengeschmolzen. Wenn aber ein Fräsmotor nach einem Werkzeugwechsel mal zu schnell dreht, ist ziemlich egal - Hautpsache, das Ding reagiert schnell auf Lastwechsel. Wer von den Regelungstheoretikern aber wusste im Unterricht schon, um welche Anforderungen es dann später geht? Niemand. Und deshalb liefert einem die Theorie nur einen Startpunkt, ‚damit mal nichts explodiert‘, aber nicht das Endergebnis.
Wenn noch Fragen sind: nur zu!
Gruß
…