Reichsbürgerrechte

Hallo,

ich habe gerade eine Abschrift aus dem Personenstandsregister, eine Eheschließung, von 1950 in Händen. In der kleinen Ortschaft gab es wohl noch keine neuen Formulare der BRD, weshalb man noch die Formulare aus der Nazizeit benutzte. Unpassende Formulierung wurden einfach durchgestrichen, und z.B. wurde die Formel geändert:
Der Standesbeamte sprach im Namen des Reiches aus, daß sie nunmehr rechtmäßig verbundene Eheleute seien. [zwischen nunmehr und rechtmäßig ist „kraft Gesetzes“ eingefügt.
In Teil 2, mit den Angaben zu den Ehegatten, wurde nichts ausgefüllt.
Es gibt die Rubrik Staatsangehörigkeit, das hat man stehenlassen (ohne etwas zu schreiben), aber auch
Reichsbürgerrecht
und
rassische Einordnung.
Beides ist durchgestrichen.

Ich habe mich ein bisschen informiert über diese „Reichsbürgerrechte“ (z.B. bei wiki: https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsbürgergesetz), aber verstehe nicht ganz den Unterschied zur rassischen Einordnung.

„Juden und Angehöriger artfremder Völker“ konnten keine Reichsbürgerrechte erhalten, und auch nur deutsche Staatsangehörige konnten Reichsbürgerrechte erhalten (letzteres ist nachvollziehbar, denn dazu gehörte z.B. Wahlrecht), aber wenn angedacht war, nur einer Elite diese Reichsbürgerrechte zuzugestehen (dazu ist es nicht gekommen), wie hätte man diese definiert, wie unterschieden sich diese vom normalen Staatsangehörigen (der aber „weder Jude war noch einem artfremden Volk“ angehörte)? Ging das in Richtung der SS-Qualifikationen von wegen „arischem Stammbaum“ zwei oder drei Generationen zurück?

Bitte entschuldigt die Verwendung dieser schrecklichen Vokabeln, es ist schwierig über dieses Thema differenziert zu schreiben, weil man notgedrungen die Wörter von damals übernehmen muss. Bei Wikipedia steht, dass durch das Reichsbürgergesetz eine Zweiklassengesellschaft geschaffen wurde - ich sehe aber eine wesentlich differenzierter Gesellschaft (und das wiederum erinnert mich an das südafrikanische Apartheidregime, dass eben nicht pauschal schwarz-weiß unterschied, sondern verschiedene Abstufungen und Differenzierungen kannte).

Grüße
Siboniwe

Hi,

es wurde eine Dreiklassengesellschaft vorbereitet. Der §2 RBG lautete

(1) Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, daß er gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich zu dienen.
(2) Das Reichsbürgerrecht wird durch Verleihung des Reichsbürgerbriefes erworben.
(3) Der Reichsbürger ist der alleinige Träger der vollen politischen Rechte nach Maßgabe der Gesetze.

Es wurde also vorbereitet, in freier Auslegung oder durch noch zu erlassende Verordnungen nicht erwünschtes Verhalten zu sanktionieren.
Wen es hätte treffen können:

  • Personen mit abweichenden politischen Ansichten
  • Personen mit unerwünschtem Sozialverhalten („Warn se in der HaJott?“)
  • „schlecht Beleumundete“
  • etc.