Reisen mit dem Frachtschiff

Kann mir denn bitte jemand seine Erfahrungen von seiner Reise mit einem Frachtschiff machen?
Wir haben eine vor, 8 Wochen von Hamburg bis Argentinien und wieder zurück, sagt mit Eure Erfahrungen.
Danke…Angelika

Ich würde mal unter „Reisen“ fragen, da hast du vermutlich mehr Glück…

Reinhard

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Kann mir denn bitte jemand seine
Erfahrungen von seiner Reise mit einem
Frachtschiff machen?
Wir haben eine vor, 8 Wochen von Hamburg
bis Argentinien und wieder zurück, sagt
mit Eure Erfahrungen.

8 Wochen - solange waren wir nicht unterwegs, bei uns waren’s ganze 10 Tage auf der Route: Hamburg - Rotterdam - Bremen - Nordostseekanal - Helsinki - Kotka - Hamburg. Es war ein Container-Frachter von ca. 130m Länge.

Die Reisen sind also kaum vergleichbar - vielleicht interessieren Dich aber unsere Erfahrungen trotzdem.

Voraus schicken möchte ich, daß ich mich schon immer sehr für die Seefahrt interessierte und ein begeisterter Hobby-Segler bin. Für mich war es daher interessant die See mal aus der Sicht der „dicken Pötte“ zu erleben.

Für mich neu und faszinierend:

  • das Verhalten eines solchen Schiffes bei Windstärke 10 in der Nordsee (stampft fast genauso wie unsere kleinen Segelyachten)
  • die Bedienung des Radars, Interpretation des Radarbildes (am 1. Tag erkennt man rein gar nichts, nach einer Woche kann man schon ganz gut einschätzen, was um einem rum so alles los ist)
  • die An- und Ablegemanöver in den Häfen
  • das Be- und Entladen (Hafenliegezeiten von kaum mehr als ein - zwei Stunden - hunderte von Container ent- und beladen)
  • der Verkehr in der meistbefahrenen Seestraße der Welt (Elbe)
  • der Nordostseekanal

Im Schnitt verbrachte ich pro Tag 5 - 6 Stunden auf der Brücke, davon ein nicht unwesentlicher Teil nachts - besonders faszinierend.

Trotzdem hatte noch viel Zeit, die ich mit meiner Freundin verbrachte (die zum Glück mein Interesse an der Seefahrt teilt).

Außerdem habe ich viel gelesen - 8 Bücher (ganz normaler Durchschnitt, weder dünne Heftchen noch überdruchschnittlich dick, so die üblichen 300 - 600 Seiten pro Buch halt)an 9 Tagen, am 10. Tag war der Lesestoff leider alle.

Dann: viel geschlafen - so ausgeschlafen war ich sonst noch nie.

Insgesamt sehr erholsam - allerdings für Leute die sich nicht zu beschäftigen wissen besteht die Gefahr, daß es langweilig wird.
Ist mir während der 10 Tage nicht passiert, aber bei 8 Wochen - und dann immer nur der offene Ozean?

Ansonsten:
Seekrankheit: hab ich noch nie gehaubt, meiner Freundin war mal ein Tag ein bißchen flau im Magen (10 Windstaärken in der Nordsee).
Kontakt zur Crew: Eigentlich nur zu den Offizieren - die waren sehr nett und freuten sich offensichtlich über die Abwechslung mal Gäste an Bord zu haben.
Beim Rest der Crew scheiterte der intensivere Kontakt schon an Sprachproblemen. Außerdem sind Mannschaft und Offziere auch sonst streng getrennt, verschiedene Messen usw.

Darf ich noch eine kurze Gegenfrage stellen: Wie kommt man auf die Idee 8 Wochen mit einem Frachtschiff unterwegs zusein und woher nimmt man die Zeit dafür?

Gruß
Werner

Hallo Angelika,

1994 habe ich eine Reise auf einem Frachtschiff gebucht, weil ich die Berufsschiffahrt einmal kennenlernen wollte, und war davon so begeistert, daß ich im Prinzip „nicht mehr ausgestiegen“ bin. Heute bin ich Berufsseemann, (bzw. Berufsseefrau).
Eine Reise auf einem Frachtschiff kann also sehr spannend werden…
Einige Tips, damit die 8 Wochen auch wirklich interessant werden:
-Grundsätzlich gibt es auf einem Frachtschiff keine Passagierbetreuung in dem Sinne, daß dem Passagier die Zeit vertrieben würde. Bücher, Spiele, Laptop mitzunehmen ist sicher sinnvoll. Oft gibt es eine (winzige)Bordbibliothek, aber darauf kann man sich nicht verlassen und die Videothek ist auch meistens nicht sehr gut sortiert.
-Verpflegung gibt es an Bord. Getränke müssen meistens selber im Store gekauft werden.(Der 2.Offi oder der Dritte wird vermutlich den Store verwalten).Da können auch Zahncreme, Duschgel und weitere Dinge des täglichen Bedarfes gekauft werden.Aber allzugut sortiert ist der Store nicht, es gibt meistens nur das wirlich nötigste (ist ja auch keine Drogerie).
-Waschmaschinen sind an Bord, und meistens existiert auch ein „Messman“, der gleichzeitig auch die Wäsche der Passagiere macht. (Das kann sein, muß aber nicht so sein.)Wenn es so ist, möglichst das Trinkgeld für den Knaben nicht vergessen. Die Arbeit für die Passgiere ist für den Messman Extraarbeit, die ihm nicht vergütet wird.
-Praktische/sportliche Kleidung mitnehmen, die auch schmutzig werden kann. An Deck ist meistens Fett,Ruß,Rost,Farbe anzutreffen, und je besser die Kleidung desto wahrscheinlicher der Treffer.
-An rutschfeste Schuhe denken!!Am besten sind tatsächlich Arbeitsschuhe, die es in Fachgeschäften auch schon relativ günstig gibt.Die sind wirklich rutschfest und haben Knöchelschutz (bei Seegang angenehm)
-Wichtig sind Windjacke, Sonnenschutz und Sonnenbrille, und vielleicht soetwas wie ein Palästinensertuch. Das kann man sich in den Tropen gut um den Kopf wickeln: Am besten bei der Deckscrew abgucken.
-an Arbeitsklamotten denken (alter Overall?).Malen an Deck, bei gutem Wetter, gehört mit zu den schönen Dingen der Seefahrt (solange man es nicht jeden Tag machen muß). Chief Mate fragen und mitmachen.

  • Englisch ist die internationale Sprache der Seefahrt und wird von den meisten Offizieren auch gesprochen und eigentlich auch von der Mannschaft - mit mehr oder weniger großem Erfolg.Vielleicht kannst Du herausfinden, von welcher Nationalität die Mannschaft auf „Deinem“ Schiff sein wird.(Phillipinos, Kiribatis, Kabverden?). Es gibt sehr günstig kleine Sprachführer in allen Sprachen der Welt, und wenn Du Interesse daran hast, mit der Mannschaft ins Gespräch zu kommen, bietet sich die jeweilige muttersprache als „Eisbrecher“ immer an, und wenn es nur ein „Gutten-Tak, vie gät es Ehnen?“ ist.
  • Daran denken, für die Mannschaft einen Kasten Bier oder ähnliches springen zu lassen oder einmal eine Party zu spendieren. Das ist allgemein üblich.Solltest Du aber vorher mit dem Alten oder dem Chief Mate besprechen, manchmal wird solcherart Party aus gegebenem Anlaß ohne Alkohol gewünscht…

Noch was zur Sicherheit:
(Damit will ich Dir keine Angst machen. Im Grunde sind Schiffe sicher, aber WENN etwas passiert, ist das richtige Verhalten absolut entscheidend!!!)
-Bei Schlechtwetter (Wasser kommt über)niemals ohne zu fragen an Deck herumstolpern.
Immer ein Auge auf die Deckscrew haben und sich ähnlich verhalten.
-Die Sicherheitsbelehrung bei Beginn der Reise mit Interesse verfolgen!Seht euch die Fluchtwege von eurer Kammer zum Bootsdeck GANZ GENAU an. Falls ihr gerade nichts zu tun habt, dann versucht, den Weg mit geschlossenen Augen zu ertasten.
Wenn etwas passiert, dann passiert es schnell, und dann solltet ihr nicht mehr überlegen müssen, ob das jetzt links oder rechtsherum richtig ist!
-Taschenlampe nicht vergessen.So was wie eine Minimag kann man immer bei sich haben.

Allgemeines zum Bordleben:
Jedes Besatzungsmitglied hat einen straff organisierten Arbeitstag(die nautischen Offiziere arbeiten logischerweise auch nachts)und damit begrenzte Freizeit.
Wollt ihr mit jemandem sprechen und die Tür ist geschlossen, dann nur in dringenden Fällen klopfen. „Gesprächsbereitschaft“ wird an Bord mit offener oder halb geöffneter Tür signalisiert.
Brückenbesuch ist meistens möglich, sollte aber am Anfang immer erfragt werden.Das ist einfach höflicher, als auf die Brücke zu steppen und sich breitzumachen.
Besuch des Maschinenraumes ist meistens nur als Führung möglich. Unbedingt vorher den Chief fragen, sonst kann das „unangenehm“ werden.
Im Hafen IMMER die Tür zur eigenen Kammer abschließen - falls Du nachher nicht alles doppelt haben willst.
Ansonsten (auf See) sollte die Kammer nachts eigentlich nicht abgeschlossen werden (Sicherheit!!), das kann aber nur in der jeweiligen Situation richtig beantwortet werden. Manchmal kann abschließen sicherer sein :smile:
Auch hier gilt: Chief Mate fragen, der weiß immer alles.

Noch waszum Schluß:
Donnerstags ist Seemannssonntag (immer gutes Essen mit Nachtisch!!!). Es lohnt sich, pünktlich zum Essen zu erscheinen, sonst ist das Eis „aufgefressen“

So, ich hoffe, Daß Dir das erstmal weiterhilft und einigermaßen informativ für Dich ist.
Wenn Du noch mehr Fragen hast, kannst Du Dich auch gerne direkt an mich wenden.
Email: [email protected]

Sonst wünsche ich Dir (oder Euch) jedenfalls eine schöne Reise „und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel“

Josefa

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Als Antwort zu den bis jetzt aufgeführten Antworten oder Bemerkungen:
Ich bin vor jetzt etwa dreissig Jahren als Decksmann auf einem Kombifrachter gefahren. Wie richtig erwähnt hatte die Decksbesatzung quasi keinen Kontakt mit den zahlenden Passagieren. Mir war das damals sowieso total egal, da diese Leute in jedem Hafen uns mit dem lauten Geschrei an den Nerv gingen. Dazu kamen noch etliche dämliche Fragen, über die wir noch nicht einmal nachgedacht hatten. So z. B.: Warum wird diese Festmacherleine so um die Poller gelegt und nicht umgekehrt. Damals habe ich manchmal sehr unbeherrscht auf die auf Englisch gestellten Fragen reagiert. Wir waren damals über die doch recht kenntnislosen Zeitgenossen sehr überrascht.
Trotzdem, die Zeit hat mir gefallen und geholfen andere sehr schwere Zeiten in meinem Leben zu überwinde,.

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Zwar ist der Thread schon steinalt, aber ich möchte doch noch gern etwas anfügen.

Ich bin 12 Jahre lang als Funkoffizier auf deutschen Frachtschiffen gefahren und zumindest auf den großen Erzschiffen hatten wir recht häufig Passagiere an Bord.

Die beiden Beiträge der Passagiere, die über ihre Reisen berichteten treffen eigentlich den Kern und sprechen die wichtigen Dinge an.
Der Passagier sollte sich im Klaren sein, dass er eine SEEreise gebucht hat. Wer auf viel Landgang Wert legt sollte lieber auf einer Kreuzfahrt buchen.
Die Besatzung lebt und arbeitet an Bord. Der Passagier bedeutet Mehrarbeit. Je einfühlsamer er sich in den komplizierten Organismus „Crew“ einfügt, desto angenehmer für alle Beteiligten.
Allerdings findet sich durch den 24-Stunden-Betrieb auf einem Frachter natürlich immer jemand, der gerade Freizeit hat.
Übrigens habe ich meine Frau auf einer Nordamerikareise kennengelernt, die sie als Passagier mitfuhr. Das gibts also auch :smile:

Frachtschiffreisen sind in der Tat etwas für Leute, die sich entspannen können und möchten, die sich auch mal mit sich selbst beschäftigen können, die keine Animation brauchen und die sich in eine Gemeinschaft gut einfügen können.
Ob der gestreßte, termingejagte Manager so ohne weiteres von „Voll voraus“ auf „Maschine stop“ umschalten kann, wage ich zu bezweifeln.
Wer sich von den Beiträgen in diesem Thread angesprochen fühlt, sollte es unbedingt mal mit einer kürzeren Reise versuchen, es müssen ja nicht unbedingt gleich 2-Monats Törns sein! Es gibt meines Wissens zwei Spezialagenturen im norddeutschen Raum, die sich mit der Vermittlung von Frachtschiffsreisen befassen.

Gute Fahrt!
Eckard.