Relative Bewegung in der Antike?

Hallo,
das Problem habe ich schon im folgenden Brett gespeichert:
http://www.wer-weiss-was.de/app/service/board_navi?A…

Da jedoch hier zwei verschiedene Bereiche angesprochen werden,
hoffe ich auf Verständnis.

Es geht mir darum, dass Aristoteles im Statiumaxiom von Zenon, vermutlich selber einen Denkfehler hatte, indem er davon ausging, dass man gleich viel Zeit bei einem ruhenden wie bewegenden Körper gleicher Länge benötigt, um an diesen vorbei zu kommen.

Mir geht es nicht darum, dieses Thema zu diskutieren, sondern viel mehr zu hinterfragen, ob dieser Denkfehler für damalige Zeiten typisch war. Denn immerhin hat meines Wissens erst Newton die relative Bewegung niedergeschrieben. Oder täusche ich mich und hat ein Philosoph schon vorher darüber geredet? (Quellen und Texte wären nett)

Ich bitte euch, mögliche Antworten im folgenden Brett zu posten, damit nicht doppelt Diskutiert wird:
http://www.wer-weiss-was.de/app/service/board_navi?A…

Weiterhin bitte ich um Verzeihung, dass ich dieses Thema doppelt eingestellt habe. Aber da das Thema diese beiden Gebiete überschneitet, empfand ich das als nützlich / wichtig. (Denn welcher Philosoph guckt in einem Physikbrett und umgekehrt?)

Danke für eure Hilfe.

Hi,

das Problem habe ich schon im folgenden Brett gespeichert:
http://www.wer-weiss-was.de/app/service/board_navi?A…

ich antworte dir trotzdem hier, weil …

(Denn welcher Philosoph guckt in einem Physikbrett und umgekehrt?)

… wohl eher ein Philosoph ins Physikbrett schaut, als ein Physiker mit Aristoteles vertraut ist (daß das eine Katastrophe ist, soll hier nicht Thema sein).

Es geht mir darum, dass Aristoteles im Statiumaxiom von Zenon,
vermutlich selber einen Denkfehler hatte, indem er davon
ausging, dass man gleich viel Zeit bei einem ruhenden wie
bewegenden Körper gleicher Länge benötigt, um an diesen vorbei zu kommen.

Also da sind gleich mehrere seltsame Fehler drin:

  1. gibt es kein „Statiumaxiom“ (wo hast du diesen Ausdruck her?). Es gibt aber sehr wohl das " Stadion -Theorem" oder besser " Stadion -Paradoxon" von Zenon. Es ist von Aristoteles überliefert, und zwar findest du es in der „Physik-Vorlesung“ Φ 239b33-240a18 (Buch VI, Kap. 9)

Zwar haben sich selbst meisterhafte Übersetzer wie Ross, Hardie, Gaye (engl.) und Hans Wagner (dt.) an dieser Passage die Zähne ausgebissen, aber dank den antiken Kommentaren von Simplikios und Themistios läßt sich der Gedankengang recht gut rekonstruieren.

  1. macht Aristoteles doch keinen Denkfehler, indem er den Gedankengang des Zenon, so wie er ihm offenbar vorlag, aufschreibt??? Da mußt du etwas entsetzlich mißverstanden haben. Ganz im Gegenteil liest du bereits in Φ 240a1 „Der Fehler liegt aber darin, daß Zenon annimmt …“

  2. hat zwar die griechische Philosophie den Ausruck „Relativbewegung“ nicht, aber dennoch weiß man natürlich darum. Das ergibt sich allein schon daraus, daß viele der Zenonschen Theoreme sonst überhaupt keinen Sinn gemacht hätten. Sie sollen ja gerade zeigen, daß Bewegungsphänomene, die der sinnlichen Anschauung zweifellos vorliegen, bei genauerer Untersuchung zu logischen Paradoxien führen und sie sollen daher die Proposition seines Lehrers Parmenides unterstützen, daß es Bewegung empirisch zwar gebe, noetisch (im Sinne der parmenideischen Ontologie) aber eben nicht.

Mir geht es nicht darum, dieses Thema zu diskutieren, sondern
viel mehr zu hinterfragen, ob dieser Denkfehler für damalige Zeiten typisch war.

Es ist, wie gesagt, erstens kein Denkfehler, sondern eine Herausforderung des logischen Denkens. Du magst dich mal kundig machen, wiewiele Generationen von Philosophen sich die Zähne daran ausgebissen haben, die Paradoxien zu widerlegen!

Zweitens setzt die Antike bis hin in die Scholastik im Gegenteil gerade voraus, daß sich Körper immer nur relativ zu anderen bewegen, ebenso, wie sich Ortsbestimmungen nur relativ zu anderen Orten machen lassen lassen. Erst recht Aristoteles: Weite Teile der Physikvorlesung handeln darüber. Seine Widerlegungen der Zenon-Theoreme basieren darauf, daß er ihm einen falschen bzw. gar keinen systematischen Kontinuums begriff nachweist, den Aristoteles zugleich erst entwickelt (und den die Mathematik erst mit Cantor, Brower, Hilbert weiterentwickelt hat).

Was die Antike nicht kannte, war jedoch ein Begriff der (positiven und negativen) Beschleunigung. Der kam erst durch Galilei in den Fokus der physikalischen Überlegungen.

Eine Absolutbewegung wurde im Kontrast zur scholastischen Mathematik erst von Kopernikus und Galilei vermutet.

Denn immerhin hat meines Wissens erst Newton die relative Bewegung niedergeschrieben.

Nein. Bereits Galilei (aber auch zahlreiche andere, auch vorher) hat die Eigenschaften der „gleichmäßigen Bewegung“ studiert, ebenso wie die der „gleichmäßigen Beschleunigung“. Es wurde erkannt, daß der Bewegungszustand eines Objektes von jedem wie auch immer bewegten Beobachtersystem aus gleich exakt bestimmt werden kann. Das ist das sog. " Relativitätsprinzip", das auf ihn zurückgeht.

Mit Hilfe der von Descartes erfundenen Koordinatensysteme führte das dann zu den (soviel ich weiß) erst von Newton formulierten sog. „Galilei-Transformationen“, zum Begriff der „Galilei-Invarianz“ und im Rahmen der Gravitationstheorie zum Begriff des „Inertialsystems“.

(Quellen und Texte wären nett)

Die Überlegungen Galileis findest du in den „Discorsi“, in „de Motu“ und das Relativitätprinzip ist im „Dialogo sopra i due Massimi Sistemi del Mondo …“ expliziert. Texte von Aristoteles habe ich oben benannt.

Gruß

Metapher

Hi,
also da gibt es wohl unterschiedliche Ansichten. Ich habe ein Reclam und ein Ferber Buch, dort gehen die beide davon aus, dass Aristoteles einiges falsch verstanden hat, was Zenon eigentlich sagen wollte. So geht man nur von zwei Massen und nicht von drei Massen etc. aus. Denn so wie Aristoteles schreibt, ist dort schon selbst ein logischer Widerspruch eingebunden.
Auch soll der textliche Aufbau deutlich dafür sprechen. Es ist das einzigste Paradox (sorry dass ich im Poast Axiom schrieb) das so lang ist - was nur typisch Aristoteles ist. Auch die Art der Sprachweise soll tpisch für Aristoteles sein. Leider habe ich jetzt keine Lust über 10 Seiten abzutippen, worin das belegt wird. Aber mal ein paar Zeilen:

„Inhaltlich gesehen, weist dieser Abshcnitt weder eine Verwandschaft mit den anderen Paradoxien der BEwegung noch mit denen der Vielheit auf. Denn der im Text selbst belegte Gedankengang hat weder etwas mit der Kontinuität von Raum und Zeitstrecke noch etwas mit der Unteilbarkeit und AUsdehnungslosigkeit von Raum- und Zeitpunkt zu tun. Alle anderen Paradoxien der Bewegung und der Vielheit aber befassen sich in irgendeiner Form mit diesen Problem. Zudem kann der belegte Gedankengang nicht sinnvoll als Paradox bezeichnet werden, basiert er doch auf einem wohl auch für die Begriffe der damaligen Zeit trivialen Trugschluß. Daß aber der Erfinder so ingeniöser Paradoxien, wie es die bereits analysierten drei sind, einem so trivialen Trugschluß vorlegt, ist eine methodisch unfruchtbare Annahme. Viel wahrscheinlicher ist, daß Aristotlees das Stadium gründlich mißverstanden hat. Denn es ist ja bekannt, wie sehr Aristoteles seine Vorgänger gegebenenfalls mußverstehen konnte. …
Formal gesehen, aber ist der Abschnitt c (Einteilung des Autors zum besseren Verständnis) unverhältnis lang. Keine der anderen Paradoxien der BEwegung und der Vielheit ist so lang wie diese. Vielmehr sind sie erstaunlich kurz, Auch das deutet darauf hin, dass c von Aristoteles stammt. Ferner leitet Aristoteles c mit einem „Es seien z.B. …“ ein, was eine typisch aristotelische Redensweise ist. Zudem gebrauct Aristoteles zum Zweck der leichteren Exemplifikation Buchstaben zur Bezeichnung der Massen. Die abgekürzende Verwendung von Buchstaben ist aber ebenfalls typisch aristotelisch und bei den Eleaten noch nicht nachweisbar. Schließlich sind auch das sich dreimal wiederholende sumbaiuei (griechisch) und die Substantivierung eines ganzen Nebensatzes Merkmale aristotelischen Stils.
Diese inhaltlichen und formalen Gründe machen die Vermutung plausibel, dass c nicht ein Zenonisches Argument ist, sondern ein aristotelischer Versuch, aus dem Zenonischen Argument Sinn zu machen. Als am ehesten noch Zenonishcen Ursprungs bleibt somit nur Abschnitt a, wenn auch a ebenfalls aristotelisch gefärbt sein mag…“

Mit 3. hast du einen interessanten Aspekt geliefert. Zenon selbst muss quasi schon dies gewusst haben…
Danke schon mal für die Hilfe.

Hi,

also da gibt es wohl unterschiedliche Ansichten.

hm, zu WAS denn? Es gab und gibt wohl keinen Aristotelesinterpreten, der das herausliest, wovon du ausgingst, nämlich daß A. selbst die Relativgeschwindigkeiten mißverstanden habe :smile:

Vielmehr geht es A. doch darum, die Widersinnigkeiten der Theoreme (die die Absicht haben, zu beweisen, daß es keine Bewegung gebe) aufzuzeigen und ihre Behauptungen zu widerlegen. Und dies tut er mit Hilfe seiner fundamentalen und erstmaligen Analyse des Kontinuumsbegriffs und mit dem Beweis, daß die Präsupposition von gequantelten Raum-, Zeit- und Bewegungsbegriffen zu Widersprüchen führt. Also wirklich, kein Interpret hat das je anders gelesen.

Nun ist es aber so, daß man von Zenons Gedankengängen allein durch Platon (besonders der „Parmenides“-Dialog) und durch die Widerlegungsansätze des Aristoteles überhaupt weiß. Man vermutet, daß keinem von beiden noch die Schriften des Zenon vorgelegen haben. Einige Forscher vermuten, daß allerdings dem Simplikios noch eine originale Schrift zur Verfügung gestanden haben könnte, obwohl der erst ca. 1000 Jahre später kam.

Daß die Abhandlung in Phys. 239b33-240a19 geringfügig länger ausfällt, ist problemlos durch die etwas kompliziertere sprachliche Wiedergabe des Szenariums begründet. Daß die Abhandlung nicht den Wortlaut Zenons wiedergibt, hat indes nie jemand vorausgesetzt. Spätere Autoren stellen das Beispiel auch nicht mit 2er Gruppen von „ογκοι“ (was alles mögliche heißen kann: Massen, Volumina, Körper usw.) dar, sondern mit 4er-Gruppen.

Allein die Konklusion
„ισον ειναι χρονον τω διπλασιω τον ημισυν“
daß gleich sei die halbe Zeitspanne der doppelten
ist das Zenonsche Argument.
Und dies setzt A. nun an, mit seiner eigenen Analyse zu widerlegen:
„εστι δ’ο παραλογισμος εν τω …“
"der Fehlschluß [sc. des Zenon] nun liegt darin, daß …

Da ist keine Rede davon, daß A. das Ding für bare Münze genommen hätte :smile:

Auch die Art der Sprachweise soll tpisch für Aristoteles sein.

Ja. Ist sie. Logisch. Siehe oben.

Deine Zitate (wäre nett, wenn du die Quelle angäbest. Von Ferber gibt es viele Publikationen zu A. und zu Zenon bzw A’a Kritiken dazu gibt es ganze Bibliotheken) behandeln jedenfalls nicht das von dir vermutete Problem,daß A. die Relativbewegung nicht präsent gewesen wäre.

Gruß

Metapher

2 Like

Nun ja, ich habe wohl mich da etwas verhaspelt.

Aristoteles hat diesen Paralogismus aufgedeckt. Aber dennoch wird im Text behauptet, dass Aristoteles Zenon Missverstanden hat und somit erst auf diese Annahme gekommen ist. Aristoteles geht von drei Massen aus, obwohl im ersten Teil nicht zwingend davon die Rede ist.
Wenn es nur zwei Massen wären, würde sich die von Aristoteles erkannte Problematik gar nicht erst entstehen und ein richtiges Paradoxon entstehen.

‚‚Es ist ein Fehler aufgetreten‘‘
wenn ich Dein link anklicke kommt ‚‚Fehler aufgetreten‘‘

Statiumaxiom von Zenon?
weder ‚‘‚Statiumaxiom von Zenon‘’ noch ‚‚Zenon‘‘ liefert Aufschluß über … erhhh … was gemeint ist. (google und wikipedia)
Kannst Du das ein bißchen erläutern /erhellen?

Aber soviel vorweg: es gibt altertümliche Ansichten über das Phänomen ‚‚Bewegung‘‘, die es so verstehen, daß ein bewegtes Objekt sich während der Bewegung im Raum ‚neu materialisiert‘ oder so ähnlich … das heißt … das Ding bewegt sich nicht sleber, sondern nimmt während der Bewegung im Raum jeweils neu seine Form an (zB millimeterweise bzw infinitesimeterweise).
Wie eine Amöbe? … oder so …
Das war jedenfalls damals die Vorstellung.
Also nicht: ‚‚Der Golfball fliegt durch die Luft.‘‘, sondern ‚‚Das Ding: Golfball - während es durch die Luft zu fliegen scheint -, materialisiert sich durch die Luft hindurch‘‘ oder so ähnlich … (???)
Meinst Du das?

[…]

dass man gleich viel Zeit bei einem ruhenden wie
bewegenden …

wahrscheinlich: ‚‚bewegten‘‘?

… Körper gleicher Länge

wieso ‚solcher Länge‘’? … is’ das nich’ egal, wie lang der Körper is’?

benötigt, um an diesen vorbei
zu kommen.

Womit? Einer Rakete?
Fliegen da lichtjahrlange Teile aneinander entlang?
Ein Wettrennen?
Kannst Du Dein Problem bissel präzisieren?