Hi,
das Problem habe ich schon im folgenden Brett gespeichert:
http://www.wer-weiss-was.de/app/service/board_navi?A…
ich antworte dir trotzdem hier, weil …
(Denn welcher Philosoph guckt in einem Physikbrett und umgekehrt?)
… wohl eher ein Philosoph ins Physikbrett schaut, als ein Physiker mit Aristoteles vertraut ist (daß das eine Katastrophe ist, soll hier nicht Thema sein).
Es geht mir darum, dass Aristoteles im Statiumaxiom von Zenon,
vermutlich selber einen Denkfehler hatte, indem er davon
ausging, dass man gleich viel Zeit bei einem ruhenden wie
bewegenden Körper gleicher Länge benötigt, um an diesen vorbei zu kommen.
Also da sind gleich mehrere seltsame Fehler drin:
- gibt es kein „Statiumaxiom“ (wo hast du diesen Ausdruck her?). Es gibt aber sehr wohl das " Stadion -Theorem" oder besser " Stadion -Paradoxon" von Zenon. Es ist von Aristoteles überliefert, und zwar findest du es in der „Physik-Vorlesung“ Φ 239b33-240a18 (Buch VI, Kap. 9)
Zwar haben sich selbst meisterhafte Übersetzer wie Ross, Hardie, Gaye (engl.) und Hans Wagner (dt.) an dieser Passage die Zähne ausgebissen, aber dank den antiken Kommentaren von Simplikios und Themistios läßt sich der Gedankengang recht gut rekonstruieren.
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macht Aristoteles doch keinen Denkfehler, indem er den Gedankengang des Zenon, so wie er ihm offenbar vorlag, aufschreibt??? Da mußt du etwas entsetzlich mißverstanden haben. Ganz im Gegenteil liest du bereits in Φ 240a1 „Der Fehler liegt aber darin, daß Zenon annimmt …“
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hat zwar die griechische Philosophie den Ausruck „Relativbewegung“ nicht, aber dennoch weiß man natürlich darum. Das ergibt sich allein schon daraus, daß viele der Zenonschen Theoreme sonst überhaupt keinen Sinn gemacht hätten. Sie sollen ja gerade zeigen, daß Bewegungsphänomene, die der sinnlichen Anschauung zweifellos vorliegen, bei genauerer Untersuchung zu logischen Paradoxien führen und sie sollen daher die Proposition seines Lehrers Parmenides unterstützen, daß es Bewegung empirisch zwar gebe, noetisch (im Sinne der parmenideischen Ontologie) aber eben nicht.
Mir geht es nicht darum, dieses Thema zu diskutieren, sondern
viel mehr zu hinterfragen, ob dieser Denkfehler für damalige Zeiten typisch war.
Es ist, wie gesagt, erstens kein Denkfehler, sondern eine Herausforderung des logischen Denkens. Du magst dich mal kundig machen, wiewiele Generationen von Philosophen sich die Zähne daran ausgebissen haben, die Paradoxien zu widerlegen!
Zweitens setzt die Antike bis hin in die Scholastik im Gegenteil gerade voraus, daß sich Körper immer nur relativ zu anderen bewegen, ebenso, wie sich Ortsbestimmungen nur relativ zu anderen Orten machen lassen lassen. Erst recht Aristoteles: Weite Teile der Physikvorlesung handeln darüber. Seine Widerlegungen der Zenon-Theoreme basieren darauf, daß er ihm einen falschen bzw. gar keinen systematischen Kontinuums begriff nachweist, den Aristoteles zugleich erst entwickelt (und den die Mathematik erst mit Cantor, Brower, Hilbert weiterentwickelt hat).
Was die Antike nicht kannte, war jedoch ein Begriff der (positiven und negativen) Beschleunigung. Der kam erst durch Galilei in den Fokus der physikalischen Überlegungen.
Eine Absolutbewegung wurde im Kontrast zur scholastischen Mathematik erst von Kopernikus und Galilei vermutet.
Denn immerhin hat meines Wissens erst Newton die relative Bewegung niedergeschrieben.
Nein. Bereits Galilei (aber auch zahlreiche andere, auch vorher) hat die Eigenschaften der „gleichmäßigen Bewegung“ studiert, ebenso wie die der „gleichmäßigen Beschleunigung“. Es wurde erkannt, daß der Bewegungszustand eines Objektes von jedem wie auch immer bewegten Beobachtersystem aus gleich exakt bestimmt werden kann. Das ist das sog. " Relativitätsprinzip", das auf ihn zurückgeht.
Mit Hilfe der von Descartes erfundenen Koordinatensysteme führte das dann zu den (soviel ich weiß) erst von Newton formulierten sog. „Galilei-Transformationen“, zum Begriff der „Galilei-Invarianz“ und im Rahmen der Gravitationstheorie zum Begriff des „Inertialsystems“.
(Quellen und Texte wären nett)
Die Überlegungen Galileis findest du in den „Discorsi“, in „de Motu“ und das Relativitätprinzip ist im „Dialogo sopra i due Massimi Sistemi del Mondo …“ expliziert. Texte von Aristoteles habe ich oben benannt.
Gruß
Metapher