'religiös unmusikalisch'

Hallo,

ich meine, es mal von Habermas irgendwo als Selbstcharakteristik
gelesen zu haben:
„Ich bin religiös unmusikalisch.“
Das kann man als Eingeständnis eines humanen Defizits verstehen.
Der Musikalische ist gewiss reicher ausgestattet als der
Unmusikalische.
Aber man kann auch einen Ton des Stolzes, der Überlegenheit u.ä.
heraushören: dessen, der die Religiosität - als ein
traditionelles Beschwernis - abgeworfen, überwunden hat.
Der Religiöse ist nicht reicher ausgestattet als der Areligiöse,
sondern durch „Altlasten“ intellektuell und emotionell behindert.

Abgesehen vom Fall Habermas - der sein Defizit (?) kooptativ zu
beheben bemüht ist -: wem fallen ein paar rhapsodische Gedanken zu
diesem Thema ein?

Grüsse
Nescio

Hallo Nescio

Abgesehen vom Fall Habermas - der sein Defizit (?) kooptativ
zu
beheben bemüht ist -: wem fallen ein paar rhapsodische
Gedanken zu
diesem Thema ein?

„Rhapsodische Gedanken“ ist hübsch.
Nun, der alte Freud hat sich mal ähnlich ausgedrückt. In seinem Briefwechsel mit Romain Rolland sagte er ja „Es freue sich, wer da atmet im rosigen Licht“ oder so ähnlich und spielte auf das von Rolland erwähnte „ozeanische Gefühl“ an, welches religiöse oder spirituell eingestellte Menschen eher haben.
Ein altes, aber immer noch interessantes Thema, wie ich finde.
Ein wenig erinnert es mich natürlich auch an die ewigen Kleinkriege hier in einigen Brettern, wo einige User anderen immer sio gnadenlos ihre Empfindungen und Erlebnise absprechen wollen. :wink:
Gruß,
Branden

Hallo Nescio,

ich meine, es mal von Habermas irgendwo als
Selbstcharakteristik
gelesen zu haben:
„Ich bin religiös unmusikalisch.“

der Urheber dieser Wendung, wie Du ja weißt, ist Max Weber.

wem fallen ein paar rhapsodische
Gedanken zu
diesem Thema ein?

hier sind noch ein paar interessante Gedanken dazu:
http://www.uni-erfurt.de/theol/studiengaenge/Rheinis…

mir persönlich gibt die Umkehrung der Phrase zu denken:

Ich bin in religiösen Dingen unmusikalisch

Ich bin in musikalischen Dingen a-religiös

Viele Grüße
Franz

mir persönlich gibt die Umkehrung der Phrase zu denken:
Ich bin in musikalischen Dingen a-religiös

Dem möchte ich mich sofort spontan anschließen, lieber Ben. Ich ann z.B. diese Mozart-Verehrung nicht nachvollziehen. Gut, das „Requiem“ ist nicht schlecht, aber die meisten anderen Stücke/Opern usw. von ihm finde ich … manchmal regelrecht… albern.
Hoffend, nicht gesteinigt zu werden:
Branden

Hi,

mir persönlich gibt die Umkehrung der Phrase zu denken:
Ich bin in musikalischen Dingen a-religiös

Dem möchte ich mich sofort spontan anschließen, lieber Ben.
Ich ann z.B. diese Mozart-Verehrung nicht nachvollziehen.

Das musst du doch auch nicht. Nur hat diese Verehrung nichts mit Reilgion zu tun. Die Musik ist halt klasse und die Fans ticken dann schon mal aus. Ist z.B. bei den Stones nicht anders.

Gut,
das „Requiem“ ist nicht schlecht, aber die meisten anderen
Stücke/Opern usw. von ihm finde ich … manchmal regelrecht…
albern.
Hoffend, nicht gesteinigt zu werden:

Hm, nun ja, hier im Brett und weil das Steinigen sich offenbar in allen abrahamitischen Religionen großer Beliebtheit erfreut (hat), war es schon recht leichtsinnig, sich in diesem Sinne zu outen.

Viele Grüße
WoDi

Hi Branden,

mir persönlich gibt die Umkehrung der Phrase zu denken:
Ich bin in musikalischen Dingen a-religiös

Dem möchte ich mich sofort spontan anschließen, lieber Ben.
Ich kann z.B. diese Mozart-Verehrung nicht nachvollziehen. Gut,
das „Requiem“ ist nicht schlecht, aber die meisten anderen
Stücke/Opern usw. von ihm finde ich … manchmal regelrecht…
albern.

Ja, genau;
„muikalisch a-religiös“ sagt hier: der Sch… Ama-Deus geht mir gehörig auf den Sack
während
„religiös unmusikalisch“ sagt: ich hab halt nicht so ein gutes Gehör für unsern Himmelpapa …

… als gäbe es da einen Mangel zu betrauern.

Und damit sind wir schon wieder bei Weber und Habermas, der eine eine Vorgängerfigur Adorno/Horkheimers, der andere ein Sprößling.

Und einer wie Horkheimer schreibt eben von der „metaphysischen Trauer“, davon, dass „die Menschen inmitten einer sinnlosen Natur, von Transzendenz und objektviver Sinnhaftigkeit verlassen, allein auf die schwache Kraft ihrer eigenen zerbrechlichen Sinnstiftungen zurückgeworfen sind“.

G. Schmid Noerr legt Adorno in den Mund:
"Auch hinsichtlich der metaphysischen Katastrophe des Todes Gottes lässt sich prima facie ein ‚Schuldiger‘ angeben, nämlich der desillusionierende und Trost versagende Materialismus"

… und paraphrasiert dies darauf so:

„In dem Maß aber, in dem sich der Materialismus Adornos selbst zugleich noch einmal mit jener messianischen Versöhnungshoffnung identifizierte, musste die ursprüngliche Anklage gegen die Metaphysik und ihre Illusionen zur Selbstanklage des desillusionierenden Denkens werden“

(alle Zitate aus: König (Hrsg.), „Neue Versuche, Becketts Endspiel zu verstehen“)

Wobei man solche Dinge nicht so ohne weiters über Adorno sagen kann, eher noch über Horkheimer oder gar Walter Benjamin, aber ein Zug seines Denkens ist das durchaus, und ganz sicher ein Zug im Denken Max Webers, wenn auch dort viel „unphilosophischer“ angelegt, und wohl auch ein starker Zug bei Habermas, bei dem er gerade in den späteren Schriften immer unphilosophischer=gesellschaftsanalytisch-funktionalistischer daherkommt.

Bin halt grad in Plauderlaune :wink:

Viele Grüße
Franz

Hallo Ben

„In dem Maß aber, in dem sich der Materialismus Adornos
selbst zugleich noch einmal mit jener messianischen
Versöhnungshoffnung identifizierte, musste die ursprüngliche
Anklage gegen die Metaphysik und ihre Illusionen zur
Selbstanklage des desillusionierenden Denkens werden“

Da ist was dran und es ist darüberhinaus unvergleichlich hübsch gesagt. :wink:
Gruß,
Branden

Hallo Franz,

hier sind noch ein paar interessante Gedanken dazu:

http://www.uni-erfurt.de/theol/studiengaenge/Rheinis…
Wilhelms-Universit%E4t.pdf

Danke für den Link.
Hier, aber auch in den sonst noch per Suchmaschine gefundenen Texten,
wird vom theologischen Standpunkt aus geschrieben, in dem mehr oder
weniger klaren Bewusstsein ihres historischen „Sieges“ – oder
zumindest des „katechontischen“ Erfolgs über den einst gefürchteten
Atheismus.

Kennst du vielleicht zufällig Texte zum Thema, die nicht von
Theologen oder von „Renegaten“ des Atheismus stammen.
(Hast du in der SZ vom letzten Wochenende den Artikel „Lob der
Gottlosigkeit“ gelesen ? - Ich fand ihn jämmerlich)

Grüsse
Nescio

Hallo Nescio,

Danke für den Link.
Hier, aber auch in den sonst noch per Suchmaschine gefundenen
Texten,
wird vom theologischen Standpunkt aus geschrieben

das ist richtig, wobei der verlinkte Text auf den ersten zwei, drei Seiten durchaus die Einnahme eines anderen Standpunkts erlaubt.

Wichtig ist der Text freilich nicht, aber interessant fand ich die ersten Seiten durchaus.

Kennst du vielleicht zufällig Texte zum Thema, die nicht von
Theologen oder von „Renegaten“ des Atheismus stammen.

Nein

(Hast du in der SZ vom letzten Wochenende den Artikel „Lob der
Gottlosigkeit“ gelesen ? - Ich fand ihn jämmerlich)

Ich habe ihn eben gelesen.

Ich würde ihn auch jämmerlich finden, wenn ich allzu viel von ihm erwartet hätte (aber ich war ja schon durch Dich vorgewarnt :wink:

Naja, er ist die Mühe der Diskussion kaum wert; der „zeitdiagnostische“ erste Teil oberflächlich, aber wohl nicht ganz unrichtig, der zweite Teil, der Religion und Wissenschaft gegenüberstellt, sehr schwach und nichts Neues.

Falls Du spezielle „Jämmerlichkeiten“ darin siehst, würde mich das aber sehr interessieren. (weniger wegen des Textes, als vielmehr weil mich von je her Dein Blick interessiert)

Viele Grüße
Franz

Hallo Franz,

Kennst du vielleicht zufällig Texte zum Thema, die nicht von
Theologen oder von „Renegaten“ des Atheismus stammen.

Nein

Ich fürchte, es gibt auch keine, jedenfalls keine, die den
theologischen oder kryptotheologischen mindestens „auf
Augenhöhe“ gegenübertreten.
(Das erinnert mich an meine einstige Frage an dich nach Texten,
in denen ‚neuere‘ französische Autoren, die viel über Marx und/mit
Freud nachgedacht haben, sich mit dem Freudomarxismus der 30er Jahre
auseinandergesetzt haben - und nach Sekundärliteratur dazu)

(Hast du in der SZ vom letzten Wochenende den Artikel „Lob der
Gottlosigkeit“ gelesen ? - Ich fand ihn jämmerlich)

Ich würde ihn auch jämmerlich finden, wenn ich allzu viel von
ihm erwartet hätte (aber ich war ja schon durch Dich
vorgewarnt :wink:

Falls Du spezielle „Jämmerlichkeiten“ darin siehst, würde mich
das aber sehr interessieren.

Ach, es ist eher die generelle Jämmerlichkeit, angefangen mit dem
auftrumpfenden Titel, der im Inhalt keinerlei Entsprechung findet.
Im Text, trotziges Auftrumpfen: Religion ist ein Beweis für die
Schwäche des Menschen, kein Argument für die Existenz Gottes
-
aber nichts zum „Lob der Gottlosigkeit“. Aber, wie du sagst, der
Artikel lohnt keine Diskussion. War von mir auch nur erwähnt, weil
ich’s gerade gelesen hatte.

In deinem ersten Beitrag hier vom 23.7., 16:38, ist mir rätselhaft
geblieben, was du meinst oder andeuten willst, wenn du sagst, die
Umkehrung der Phrase gebe dir zu denken.
Gibt dir die Phrase selbst nicht zu denken?
Was gibt dir die Umkehrung zu denken?

Grüsse
Nescio