Rente mit 67

Guten Morgen!

Derzeit vergeht kein Tag ohne Proteste gegen die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters. Auf der Seite des diesbezüglich besonders rührigen DGB informierte ich mich über Alternativvorschläge. Der DGB schlägt anstelle der Anhebung des Rentenalters die Verbreiterung der Beitragsbasis vor. Beamte und Selbständige sollen auch in die Rentenkasse einzahlen. Der Vorschlag mag aus verschiedenen Gründen vernünftig sein oder auch nicht, eine Lösung des demographisch begründeten Finanzierungsproblems des Umlagesystems kann ich darin nicht erkennen, weil die neuen Beitragszahler genau das gleiche Mißverhältnis aus Zeit der Beitragszahlung und Zeit des Rentenbezugs einbringen. Das werden auch die DGBler wissen oder übersehe etwas?

Gruß
Wolfgang

Guten Morgen Wolfgang,

Der Vorschlag mag aus verschiedenen Gründen
vernünftig sein oder auch nicht, eine Lösung des demographisch
begründeten Finanzierungsproblems des Umlagesystems kann ich
darin nicht erkennen, weil die neuen Beitragszahler genau das
gleiche Mißverhältnis aus Zeit der Beitragszahlung und Zeit
des Rentenbezugs einbringen. Das werden auch die DGBler wissen
oder übersehe etwas?

ich bin kein Beamter, kenne auch keine persönlich, ich kann also nur von dem reden, was ich glaube verstanden zu haben.

Ist es bei Beamten nicht eher so, daß das ‚ein Beruf für’s Leben‘ ist und die eher nicht arbeitslos werden? Bei einem Beamten könnte man dann doch von relativ sicheren 40+ Jahren Beitragszahlung ausgehen, was z.B. am Bau eher die Ausnahme ist.

Das könnte das Plus sein, auf das der DGB da spekuliert, sonst fällt mir da auch nichts weiter ein, wie das der Rentenkasse helfen sollte.

Gruß, Rainer

Hallo,

Ist es bei Beamten nicht eher so, daß das ‚ein Beruf für’s
Leben‘ ist und die eher nicht arbeitslos werden?

genau, deswegen zahlen sie ja auch keinen Beitrag zur ALV. der Beitrag zur RV entfällt, weil sie keine Rente beziehen, sondern eine (steuerfinanzierte) Pension. Von den Beamten Rentenbeiträge zu verlangen, ohne daß sich daraus eine Leistung ergibt, ist undenkbar.

Bei einem
Beamten könnte man dann doch von relativ sicheren 40+ Jahren
Beitragszahlung ausgehen,

Das durchschnittliche Pensionierungsalter liegt bei 60 Jahren, Tendenz sinkend. Für den höheren Dienst (mit entsprechend überdurchschnittlichen Verdienst) ist ein Hochschulstudium Voraussetzung, so daß eine Lebensarbeitszeit von weniger als 30 Jahren nicht abwegig ist. Hinzu kommt, daß sich die Beamtenpension nach dem letzten Gehalt vor der Pensionierung (seltsamerweise wird ein nicht unerheblicher Teil der Beamten kurz vor der Pensionierung noch befördert) und nicht nach dem gewichteten Durchschnittsgehalt (und damit nicht nach den theoretisch zu erhebenden Beiträgen) richtet, wäre das System noch schneller am Ende als nach dem derzeitigen Verfahren.

Gruß,
Christian

Hallo Christian,

Ist es bei Beamten nicht eher so, daß das ‚ein Beruf für’s
Leben‘ ist und die eher nicht arbeitslos werden?

genau, deswegen zahlen sie ja auch keinen Beitrag zur ALV. Der
Beitrag zur RV entfällt, weil sie keine Rente beziehen,
sondern eine (steuerfinanzierte) Pension.

Das ist der Istzustand, den ja gern jemand geändert sehen würde, wenn ich das recht verstehe.

Von den Beamten
Rentenbeiträge zu verlangen, ohne daß sich daraus eine
Leistung ergibt, ist undenkbar.

Natürlich, wenn ein Vorschlag ernst genommen werden soll, kann der natürlich nur lauten, daß die Beamten Rente statt Pension bekommen sollen. Beiträge verlangen, ohne Leistungen dafür erbringen zu wollen, kann Niemand ernsthaft vorschlagen.

Bei einem
Beamten könnte man dann doch von relativ sicheren 40+ Jahren
Beitragszahlung ausgehen,

Das durchschnittliche Pensionierungsalter liegt bei 60 Jahren,
Tendenz sinkend. Für den höheren Dienst (mit entsprechend
überdurchschnittlichen Verdienst) ist ein Hochschulstudium
Voraussetzung, so daß eine Lebensarbeitszeit von weniger als
30 Jahren nicht abwegig ist.

OK. Ist das der Normalfall? Dann ist die Diskussion doch allein schon wieder Unfug, weil die dann über der Beitragsbemessungsgrenze liegen und wieder nicht in die Pflichtversicherung einzahlen. Um die kann es nicht gehen, oder?

Hinzu kommt, daß sich die
Beamtenpension nach dem letzten Gehalt vor der Pensionierung
(seltsamerweise wird ein nicht unerheblicher Teil der Beamten
kurz vor der Pensionierung noch befördert) und nicht nach dem
gewichteten Durchschnittsgehalt

Das könnte einer der Hintergedanken sein, genau das ändern zu wollen. :smile: Würden Beamte Rente statt Pension bekommen, würde das Einkommen nach der ‚Pensionierung‘ gegenüber dem Istzustand halbiert. Das steckt wohl in der Forderung des DGB.

(und damit nicht nach den
theoretisch zu erhebenden Beiträgen) richtet, wäre das System
noch schneller am Ende als nach dem derzeitigen Verfahren.

Das denke ich auch, ich habe ja nicht gemeint, daß ich den Vorschlag des DGB begrüße.

Gruß, Rainer

Hallo Wolfgang,

ich weiß nicht, ob Du eine andere Seite auf der HP des DGB erwischt hast, aber wenn Du diese:

http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abisz_doks/r/ren…

liest, dann lässt sich diese Deine Frage:

Das werden auch die DGBler wissen
oder übersehe ich etwas?

mit einem herzhaftem und doppeltem Ja! beantworten:
der DGB weiß darum, Du hast die Hauptsache übersehen.

Der DGB schlägt die Erhöhung des tatsächlichen Rentenalters auf 65 als Alternative zur Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 vor;

und „außerdem“ schlägt er (wo er doch gerade schon am Vorschlagen ist) das noch vor, worum es Dir hier ging, als eine Art Cetero Censeo also.

Viele Grüße
Franz

Hallo Franz,

http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abisz_doks/r/ren…

Der DGB schlägt die Erhöhung des tatsächlichen
Rentenalters auf 65 als Alternative zur Erhöhung des
gesetzlichen Rentenalters auf 67 vor;

Ich habe mir die Seite angesehen. Die Gewerkschaften schlagen folgendes vor:

  • Lebensarbeitzeitkonten
  • Mehr Teilzeit im Alter
  • Mehr Fortbildung
  • Gesundheitsprävention
  • Regelmäßiges Ranziehen Arbeitgeber zum Ausgleich der Arbeitslosenbeiträge bei Vorruhestand
  • Einbeziehen von mehr Einzahlern in das System

Das ist ja ganz nett, und auch nicht verkehrt. Eine Wasserflasche auf einem Zimmerbrand auszuleeren ist auch nicht verkehrt, aber damit den „giftigen“ Feuerlöscher ersetzen zu wollen, ist nicht angemessen.

Gruß
Carlos

Hi Carlos,

http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abisz_doks/r/ren…

Der DGB schlägt die Erhöhung des tatsächlichen
Rentenalters auf 65 als Alternative zur Erhöhung des
gesetzlichen Rentenalters auf 67 vor;

Ich habe mir die Seite angesehen. Die Gewerkschaften schlagen
folgendes vor:

Das ist ja ganz nett, und auch nicht verkehrt. Eine
Wasserflasche auf einem Zimmerbrand auszuleeren ist auch nicht
verkehrt, aber damit den „giftigen“ Feuerlöscher ersetzen zu
wollen, ist nicht angemessen.

Deinen Vergleich halte ich nicht für treffend.

Ohne Vergleich: Die DGB-Seite listet ja doch einige Zahlen zu den tatsächlichen Renteneintrittsaltern auf; diese an das gesetzliche Rentenalter heranzuführen brächte möglicherweise für die Rentenkasse kurz- und mittelfristig mehr als die bloße Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters.

  1. ob die vom DGB vorgeschlagenen Maßnahmen dafür greifen, ist eine andere Frage, aber dass sie allesamt unwirksam wären, kann ich mir nicht vorstellen.

  2. Der DGB schreibt: „Statt das gesetzliche Rentenalter heraufzusetzen, sollte erst das tatsächliche Rentenalter erhöht werden, das bei 60,2 Jahren liegt.“

Er schließt also eine langfristige Erhöhung des Rentenalters mit dieser Einschränkung „erst“ explizit nicht aus, will aber aus Gerechtigkeitsgründen/Klientellobbypolitik erst mal „tatsächlich“ und „gesetzlich“ angleichen, was an sich nicht unvernünftig ist angesichts der Tatsache, dass sehr anzunehmen ist, dass sich die Arbeitslosenzahlen in dem Maß erhöhen, in dem sich die Zahl der Rentner durch die Erhöhung des Rentenalters verringert :wink:

Viele Grüße
Franz

Hallo Franz,

Ohne Vergleich: Die DGB-Seite listet ja doch einige Zahlen zu
den tatsächlichen Renteneintrittsaltern auf; diese an das
gesetzliche Rentenalter heranzuführen brächte möglicherweise
für die Rentenkasse kurz- und mittelfristig mehr als die bloße
Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters.

Ich halte die Vorschläge des DGB ja nicht für unwirksam. Ich bezweifle aber, dass sie ausreichen.
Du selbst weist auf das frühe durchschnittliche Renteneintrittsalter hin. Woran liegt es?
1.) Vorruhestand
2.) Erwerbsunfähigkeit
3.) Vorzeitige Rente wegen Altersarbeitslosigkeit

zu 1.)
Der größte Anteil dürfte der Vorruhestand sein (ich kann mich hier auch irren). Ausgerechnet der Vorruhestand ist aber ein Privileg, welches von den Gewerkschaften hart verteidigt wird. Hier widersprechen sich die Gewerkschaften massiv. Sollen die Leute vorzeitig in Rente gehen dürfen oder sollen sie bis 65 arbeiten.

zu 2.)
Es gibt eine Unmenge an Ursachen für Erwerbsunfähigkeit (EU). Nur ein kleiner Teil hat sich physisch kaputt gearbeitet. Psychische Erkrankungen haben übrigens den größten Anteil. Ein verändertes Gesundheitsbewußtsein kann die Rate verringern und den Eintritt der EU auf einen späteren Zeitpunkt legen. Aber dramatische Erfolge wird es nicht geben solange Menschen Menschen sind.
Wer mit 55 kaputt ist, der ist unabhängig davon kaputt, ob das Rentenalter bei 65 oder 67 liegt.

zu 3.)
Die Ablehnung älterer Arbeitnehmer nimmt schleichend ab. In den nächsten Jahren nimmt der Anteil junger Arbeitnehmer ab. Die Bereitschaft erfahrene ältere Arbeitnehmer (mit höherer Arbeitsmoral) einzustellen oder weiter zu beschäftigen wird stark zunehmen. Bei den Ingenieuren konnte man beobachten, wie schnell das gehen kann.

Wenn das Renteneintrittsalter bei 65 bleibt, lässt sich mit den vorgeschlagenen Maßnahmen ein durchschnittliches Eintrittsalter von 61 erreichen. Wenn die Renten erzwungenermaßen sinken und die Arbeitnehmer nicht mehr in den Vorruhestand wollen, steigt es vielleicht auf 63.
Nur zur Erinnerung, das Verhältnis von Einzahlern zu Rentnern sinkt dramatisch. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung weiter und ein großer Teil der Rentner ist so fit, wie nie zuvor.
Hier kommen die Gewerkschaften mit dem Motto „Ein paar kleine Reförmschen, und wir können weitermachen, wie bisher“.
Die Mitnahme der Beamten und Selbstständigen in die gesetzlichen Rentenversicherung ändert nichts am prinzipiellen Problem, es sei denn man ersetzt die netten Pensionen durch mäßige Renten.
Die Gewerkschaften haben also nichts gegen Rentenkürzungen,… bei den Anderen.

Die Erhöhung des Renteneintrittalters ist eine logische Folge der gesellschaftlichen Entwicklung. Warum sollte man haufenweise fitte Arbeitnehmer in die Rente schicken? Ein Arbeitnehmer, der mit 67 in Rente geht zahlt zwei Jahre länger Rente und kassiert zwei Jahre weniger Rente. Natürlich ist die Rente mit 67 defacto eine Rentenkürzung. Aber sinken müssen die renten so oder so. Und da ist es besser die zu belohnen, die Einzahlen, statt empfangen.

Gruß
Carlos

Hi Carlos,

einmal noch, weil ich mich zugegebenermaßen in dieser Materie sowieso nicht richtig auskenne, und die Verteidigung des DGB-Konzepts liegt mir auch nicht allzu am Herzen …

Ich halte die Vorschläge des DGB ja nicht für unwirksam. Ich
bezweifle aber, dass sie ausreichen.

Naja:

  1. sie sollen für eine bestimmte Zeit ausreichen (wie lange sagt der DGB auf dieser Page nicht)

  2. Es ist ja doch ein ganz schönes Paket zusammengekommen;
    dazu kommen wohl noch zwei Punkte, die auf der Page geschickt Frau Engelen-Kefer angelastet werden:

  • „… für Ältere öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Ein solcher ehrlicher zweiter Arbeitsmarkt …“
    und
  • „Wir brauchen daher eine Erstattungspflicht der Unternehmen für alle Beschäftigten ab 55 Jahren, die auf Kosten der Sozialkassen entlassen werden“

ersteres eine steuerliche Bezuschussung der Rentenkassen durch die Hintertür, zweiteres -naja- im Endeffekt wahrscheinlich das Gleiche (Absetzbarkeit, etc.) …

da käme schon einiges an Substanz zusammen …

Ich wollte mit meinem Beitrag ja nur darauf hinweisen, dass man nicht sagen kann, der DGB sähe allein oder hauptsächlich die Verbreiterung der Beitragsbasis als Alternative zur Erhöhung des Renteneintrittsalters.
Das wäre freilich naiv, aber das tut er ja auch nicht.

Der größte Anteil dürfte der Vorruhestand sein

vermute ich auch

Ausgerechnet der Vorruhestand ist aber ein
Privileg, welches von den Gewerkschaften hart verteidigt wird.

Ich will die Gewerkschaften nicht verteidigen, aber ich sehe darin keinen Widerspruch;
die Klientelpolitik ist nach wie vor, die Lebensarbeitszeit möglichst gering zu halten; die alte Politik der Forderung des Vorruhestands ist halt heute nicht mehr durchsetzbar geworden, so dass man der Erhaltung der 65-Grenze den Vorruhestand „opfert“.

zu 2.)
Es gibt eine Unmenge an Ursachen für Erwerbsunfähigkeit (EU).
Nur ein kleiner Teil hat sich physisch kaputt gearbeitet.
Psychische Erkrankungen haben übrigens den größten Anteil. Ein
verändertes Gesundheitsbewußtsein kann die Rate verringern und
den Eintritt der EU auf einen späteren Zeitpunkt legen. Aber
dramatische Erfolge wird es nicht geben solange Menschen
Menschen sind.

sicher richtig

zu 3.)
Die Ablehnung älterer Arbeitnehmer nimmt schleichend ab. In
den nächsten Jahren nimmt der Anteil junger Arbeitnehmer ab.
Die Bereitschaft erfahrene ältere Arbeitnehmer (mit höherer
Arbeitsmoral) einzustellen oder weiter zu beschäftigen wird
stark zunehmen. Bei den Ingenieuren konnte man beobachten, wie
schnell das gehen kann.

Das will der DGB ja eben noch zusätzlich fördern

Wenn das Renteneintrittsalter bei 65 bleibt, lässt sich mit
den vorgeschlagenen Maßnahmen ein durchschnittliches
Eintrittsalter von 61 erreichen. Wenn die Renten
erzwungenermaßen sinken und die Arbeitnehmer nicht mehr in den
Vorruhestand wollen, steigt es vielleicht auf 63.

Naja, das sind doch einige tatsächliche Jahre;
die Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters erfolgt ja auch nicht gerade um Jahrzehnte …

Nur zur Erinnerung, das Verhältnis von Einzahlern zu Rentnern
sinkt dramatisch. Gleichzeitig steigt die Lebenserwartung
weiter und ein großer Teil der Rentner ist so fit, wie nie
zuvor.

das hatte ich nie vergessen :wink:

Hier kommen die Gewerkschaften mit dem Motto „Ein paar kleine
Reförmschen, und wir können weitermachen, wie bisher“.

Ich glaube auch, Du hast Recht, und ich glaube auch, dass der DGB schlicht Zeit gewinnen will;
vielleicht 10-15 Jahre bis zu einem grundlegenden Wirtschaftsaufschwung, der dann die Situation vielleicht noch mal 10-15 Jahre konsolidieren kann, bis dahin ist vielleicht alles Mögliche schon etwas anders (gesteuerte Einwanderung, vielleicht, wer weiß).

Die Politik steigt ja im Grunde auch nur aus „Hoffnung“ nicht aus dem Generationenvertrag aus, denn unbegrenzt lässt sich das Renteneintrittsalter ja auch nicht erhöhen :wink:

DGB ist Klientelpolitik - und die Klientel besteht hauptsächlich aus Leuten, die die nächsten 2,3 Jahrzehnte von der Problematik betroffen sind; so empfinde ich sein Vorgehen als legitim, wenn auch sicher nicht als den Wurf für die Zukunft, und auch nicht als „gerecht“ den Jungen gegenüber.

Schönen Abend!
Franz

Stimme dir zu (o.w.T.)