Republik Österreich und Adel

Liebe Österreicher,

wer erklärt mir, warum bei Euch so eine starke Ablehnung gegen den Adel und die Habsburger existiert?

Mich verblüfft das immer wieder. Einmal wir der Herr Hofrat verteidigt (als Titel) und sogar Ingenieure und Magister so angesprochen, zum anderen werden die alten Adelstitel gemieden.

Dazu eben fast ein Hass auf alles habsburgische, obwohl man nicht sagen kann, dass diese Familie das Land besonders geschunden hätte.
(Auch wenn es kein Österreicher war; ein Satz von Th. Masaryk von vor 1938 gibt es treffend wieder: „Lieber Hitler als Habsburg“ - welch Verblendung!)

Deutschland und Österreich sind fast gleichzeitig Republik geworden, und außer ein paar Illustriertenleserinnen und einigen Bayern will niemand zurück zur Monarchie. Warum also diese unterschiedliche Behandlung des Adels/des ehemaligen Herrscherhauses?

Andreas

Servus

Es könnte damit zusammenhängen, daß die Adeligen den Führungsanspruch noch immer nicht aufgegeben haben.
Im übrigen kommt die Ablehnung eher von Politikern. Die meisten Österreicher verklären den Adel eher. Man braucht nur mal in einen Andenkenladen hier in Österreich gehen. Vielfach hört man, wenn es 1938 noch den Kaiser gegeben hätte, hätte Hitler bei uns keine Chance gehabt. Und wer weiß, vielleicht stimmt das auch?

Immerhin haben unsere Kaiser und Kaiserinnen ganz gute Beispiele abgeben, wie Maria Theresia (Einführung der Schulpflicht, Toleranzpaket) und Franz Josef: Gleichstellung von Ungarn (leider ist er nicht weiter gegangen)Gleichstellung der Juden. Demokratisierung usw. Den letzten Schritt zur Demokratie, wie in Groß Britannien haben sie aber nicht geschafft. Und: Österreich war speziell im 19. Jahrhundert ein Überwachungsstaat mit Spitzelwesen.

Da spielen viele Dinge mit, positive wie negative.

Bitte um Kritik
Euer Geschichtsdilettant

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Hi Andreas :o)

wer erklärt mir, warum bei Euch so eine
starke Ablehnung gegen den Adel und die
Habsburger existiert?

DAS kann ich dir nicht erklären, nur daß sich Herr Habsburg Junior in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat °grins°

Mich verblüfft das immer wieder. Einmal
wird der Herr Hofrat verteidigt (als
Titel)

Klar, ist die billigste Möglichkeit (anstelle einer Gehaltserhöhung wird ab einer gewissen Dienstzeit einem Beamten der „Hofrat“ verliehen)

und sogar Ingenieure und Magister

so angesprochen,

War eine gesetzliche Regelung, daß akademische Titel ein Teil des Namens waren. Du MUSSTEST - zumindest im amtlichen Verkehr (wie das klingt °grins°) - deinen akademischen Titel führen. Wurde zwar etwa Mitte der 90er Jahre geändert, hat sich aber noch nicht so rumgesprochen. Standesrechtlich bin ich noch immer dazu verpflichtet meinen Titel zu führen.

zum anderen werden die

alten Adelstitel gemieden.

Nicht nur gemieden, sie wurden gesetzlich abgeschafft.

°wink°

Tiger

Herbert hat vermutlich recht,wenn er sagt, daß in der bevölkerung die Ablehnung eigentlich nicht soo stark ist. Man liebt den Kitsch, die Sissi-Filme, den Kaiser-Bart, etc.
Aber das System hat einfach abgewirtschaftet und die Leute haben sich daran gewöhnt, in einer Republik zu wohnen. Und damit die Republik nicht ganz so fad ist, stehen die meisten derart auf die Hofrats-und sonstigen Titel. Auf den Ämtern hat das hoheitliche Denken ohnehin nie aufgehört.

In Schwung der Republiksgründung wurden die Adelstitel offiziell abgeschafft,die habsburger des Landes verwiesen.
Die Habsburger hatten teilweise ein Einreiseverbot, da man nach dem 1. Weltkrieg befürchtete, daß die Monarchie wieder installiert werden könnte. Ex-Kaiser Karl hat es in Ungarn ja auch versucht.

Bei historischer Betrachtungsweise sollte man nicht vergessen, daß die Monarchie zuletzt ein völlig erstarrtes system war,in dem Reformen zumeist abgewürgt wurden. Im gegensatz zum Deutschen Reich war die Habsburger-Monarchie bekanntlich ein Vielvölkerstaat,in dem aber die Deutschen dominiert haben. Das haben die slawischen Volksgruppen verständlicherweise ziemlich übel genommen.
Nicht vergessen sollte man natürlich auch, daß Österreich es geschafft hatte, den 1.Weltkrieg auszulösen. (Obwohl der vermutlich früher oder später ohnehin ausgebrochen wäre).
Nach dem Krieg war das Land extrem geschrumpft, völlig zerstört und wirtschaftlich beinahe lebensunfähig. Kein gutes Zeugnis für Fähigkeiten der führenden Adeligen.

Na ja, als Nachkomme der damaligen „Leibeigenen“ weine ich diesem System ohnehin nicht nach.
Ruhe in Frieden!

Mike

Liebe Österreicher,

wer erklärt mir, warum bei Euch so eine
starke Ablehnung gegen den Adel und die
Habsburger existiert?

Naja, diese „starke Ablehnung“ hierzulande ist nicht bei „den“ Österreichern zu finden, sondern va bei den Angehörigen der hiesigen linken Reichshälfte (insb SPÖ).
Denn anscheinend trauen die Sozialisten dem österreichischen Volk noch immer nicht genug Demokratiefähigkeit zu, weshalb sie auch heute noch das Habsburgergesetz derart stark verteidigen.
Seltsamerweise eben dieselben Sozialisten, die vor 1938 vehement für einen Anschluß an Deutschland eingetreten sind, weil sie sich davon eine leichtere „Weltrevolution“ erhofft haben, die 1938-1945 aus diesen Gründen gegen (sowieso nur zaghafte) Versuche zur Bildung einer österr Exilregierung intrigiert haben, und die nach 1945 einen servilen Brief an Stalin geschickt haben, womit sie sich von Stalins Gnaden den Bundeskanzler-Sessel gesichert haben.
Es ist schon sehr eigenartig, daß man gem § 2 HabsburgerG als Mitglied der Familie Habsburg (trotz österreichischer Staatsbürgerschaft!!!) nicht nach Österreich einreisen darf, wenn man nicht auf seine Mitgliedschaft zu dieser Familie verzichtet und „sich als getreue[r] Staatsbürger“ bekennt. (Abgesehen davon, daß ein solches Treuebekenntnis von keinem anderen Staatsbürger verlangt wird, scheinen nach dieser Logik die Habsburger eine größere Gefahr für Österreich darzustellen als alte [und junge] Nazis.)
Otto (der jetzt Kaiser wäre) hat um des lieben Friedens willen in den 60er Jahren eine solche Erklärung abgegeben, um wieder nach Ö einreisen zu dürfen. Und trotzdem sind die Sozis prompt mitsamt ihren gewerkschaftlichen Proletariertrupps auf die Straße gegangen, um seine Einreise zu verhindern.
(Aber daß Otto 1938-1945 im Exil wesentlich dazu beigetragen hat, daß Ö wieder als Staat entstehen konnte, das hat man natürlich vergessen.)

Und daß hierzulande insb ein Habsburger auf gar keinen Fall Bundespräsident werden kann (vgl Art 60 Abs 3 letzter Satz B-VG), spricht doch auch schon sehr für diese Paranoia… (Sippenhaftung als republikanisches Prinzip???)

Mich verblüfft das immer wieder. Einmal
wir der Herr Hofrat verteidigt (als
Titel)

Naja, es wurde ja schon gesagt: Ein „Hofrat“ kommt billiger als eine Gehaltserhöhung… :wink:
Aber da tut sich ja auch schon was. In Kärnten zB gibts keine (neuen) Hofräte mehr.
Dafür gibts va auf Bundesebene noch jede Menge von Echten / Wirklichen / Geheimen Hofräten, Amtsräten, Forsträten h.c., Kommerzialräten, Bergräten h.c. usw usw… *g*

und sogar Ingenieure und Magister
so angesprochen, zum anderen werden die
alten Adelstitel gemieden.

Das hat eher was damit zu tun, daß die akademischen und Berufstitel als Kompensation für die (bei Strafe verbotenen!) Adelstitel herhalten müssen.

Dazu eben fast ein Hass auf alles
habsburgische, obwohl man nicht sagen
kann, dass diese Familie das Land
besonders geschunden hätte.

Wie ich oben schon gesagt habe: Den Haß gibts nur in der linken Reichshälfte, bzw wurde (wird?) diese Ablehnung bewußt herbeigeführt, weil eine sozialistische Revolution in Ö 1918 nicht geglückt ist. (Da hat man sich halt als „Revolutionsersatz“ damit begnügt, sich auf die Adligen einzuschießen…)

(Auch wenn es kein Österreicher war; ein
Satz von Th. Masaryk von vor 1938 gibt es
treffend wieder: „Lieber Hitler als
Habsburg“ - welch Verblendung!)

Eben.

Deutschland und Österreich sind fast
gleichzeitig Republik geworden, und außer
ein paar Illustriertenleserinnen und
einigen Bayern will niemand zurück zur
Monarchie.

Ist doch hier genauso. Ich fühle mich in der Republik ganz wohl (va, wenn ich bedenke, daß sonst der Karl Habsburg Thronfolger wäre - brrrr), aber diese paranoide Gesetzgebung gegen Adel und Habsburger ist doch nicht mehr zeitgemäß. Aber solange die SPÖ die Verfassungs-Sperrminorität hat, wird sich da nicht viel ändern.

Patrick
(der weder Monarchist noch Adeliger noch Illustriertenleser etc ist…)

Hallo Patrick!

Das hast Du alles sehr gut aufgelistet und erklärt. Bin ganz Deiner Meinung.

Nur ein Aspekt ist mir abgegangen, der aber vielleicht auch wesentlich sein könnte.

Hat man nicht den Habsburgern ein beträchtliches Vermögen abgenommen und „verstaatlicht“ ?

Müßte man das nicht wieder zurückgeben?
Das können wir uns gar nicht leisten.

Vielleicht kannst Du da noch etwas in Erfahrung bringen.

Gruß Harald

Hallo Patrick!

Das hast Du alles sehr gut aufgelistet
und erklärt. Bin ganz Deiner Meinung.

Freut mich. :wink:


Hat man nicht den Habsburgern ein
beträchtliches Vermögen abgenommen und
„verstaatlicht“ ?

Ja, gem § 5 HabsburgerG handelt es sich um das gesamte in Österreich „befindlich[e] beweglich[e] und unbeweglich[e] hofärarisch[e] sowie [das] für [die Habsburger] gebundene[e] Vermögen.“
Darunter fällt aber gem § 6 Abs 1 HabsburgerG ausdrücklich nicht „nachweisbar freies persönliches Privatvermögen“.

Was da alles darunter gefallen ist, bzw was da enteignet wurde, kann ich nicht so genau sagen. Ich geh aber mal davon aus, daß es sich doch um ein erkleckliches Sümmchen gehandelt hat, va wenn man bedenkt, daß es ja auch viele Familienfonds und Fideikommisse etc zugunsten der Habsburger gegeben hat. Ganz zu schweigen von Schönbrunn und den ganzen anderen Immobilien…

Müßte man das nicht wieder zurückgeben?
Das können wir uns gar nicht leisten.

Nö, wieso?
Zurückgeben müßte man es erst wieder, wenn man die Enteignung rückgängig machen würde. Aber dazu sehe selbst ich keine Veranlassung. Rückblickend hat die Enteignung vielleicht einen schlechten Beigeschmack, aber zumindest hat man es zu einem guten Zweck gemacht (Kriegsopferfürsorge - § 7 HabsburgerG).

Und die Enteignungen sind schon so lang her, während die Sache mit der entwürdigenden Erklärung, daß man aus seiner Familie „austritt“, ja noch immer von Relevanz ist.

Gruß
P.