Oder ist, wie ich fragte, der Respekt aufgehoben, im
speziellen im Internet?
Hallo,
natürlich nicht. Wie auch Claren oben betont und ich bereits schrieb, ist der Respekt zunächst einmal ohne Ansehen der Person, des Alters, des Glaubens oder irgendwelcher anderer Merkmale zu fordern. Mensch sein reicht, auch Tier sein kann reichen und selbst Pflanzen verdienen Respekt.
Wie sehr sich dieser Respekt aber verstärkt oder abschwächt, hängt jedoch weitgehend vom Verhalten des Gegenübers ab. Ich kann Respekt vor der Leistung eines Menschen haben. der wird sich dann zu dem allgemein geschuldeten Repekt addieren. Ebenso wie sich mein Respekt um einen Anteil vermindert, wenn der andere es mir oder anderen gegenüber an Rücksicht und Achtung fehlen lässt.
So wie das „Sie“ in den Foren durch das „Du“ ersetzt wurde?
Das „Sie“ ist eine reine Konvention. Sie sagt nichts über Respekt aus. Ich spreche auch einen mir unbekannten Schnösel mit Sie an, selbst wenn mein Respekt sich ihm gegenüber in sehr engen Grenzen hält.
Genauso ist das „Du“ hier im Internet zu einer Konvention geworden - übrigens auch in vielen Firmen. In unserem Laden spricht mich trotz meines für die Branche biblischen Alters niemand mit „Sie“ an. Mit Respekt oder nicht hat das überhaupt nichts zu tun.
Und wieder meine Frage: was hat sich heute verschoben, bzw ist
aufgehoben , und wie geht man damit um.
Es hat sich lediglich eines verschoben: im Internet trittst du anderen Menschen sozusagen „nackt und bloß“ gegenüber. Niemand kennt und niemanden interessiert dein Alter, Geschlecht, Erfahrung, Wissen, erreichte Diplome. Du wirst rein nach dem beurteilt, was du von dir gibst. Respekt bzw. Achtung erwirbst du dir hier (und das gilt besonders für dieses Forum) lediglich dadurch, dass du vernünftige Beiträge ablieferst.
Und glaube nicht, Rüpeleien und Rempeleien verbaler Art würden hier nicht bemerkt und abgestraft. Es ist wie im richtigen Leben: Das Anfangskapital an Respekt ist schnell verspielt und es dauert sehr lange, sich neuen Respekt zu erwerben.
Gruß
Eckard
PS: Vielleicht wird das alles mit einem Gedicht von Eugen Roth etwas deutlicher:
Der gekränkte Badegast
Ein Mensch, an sich mit Doktorgrad,
geht einsam durchs Familienbad.
Dortselbst beäugt ihn mancher hämisch,
der zweifellos nicht akademisch.
Der Mensch erkennt, hier gelte nur
der nackte Vorzug der Natur,
wogegen sich der schärfste Geist
als stumpf und wirkungslos erweist,
weil, mangels aller Angriffsflächen,
Es ihm nicht möglich, zu bestechen.
Der Mensch, der ohne Anschluß bleibt
an alles, was hier leibt und weibt,
kann leider nur mit einem sauern
Hohnlächeln diese Welt bedauern,
Wirft sich samt Sehnsuchtsweh ins Wasser,
verläßt es kalt, als Weiberhasser,
stelzt quer durchs Fleisch mit strenger Miene
auf spitzem Kies in die Kabine,
zieht wieder, was er abgetan,
die Kleider und den Doktor an
und macht sich, weil er fehl am Ort,
zwar nicht sehr geltend, aber fort.
[Eugen Roth]