Richtige Erziehung (Hund)

Hi,
seit rund einem halben Jahr hat die Familie meiner Freundin einen Hund, genauer gesagt einen Bolonka. Er bzw. sie - Lilly ist ein Weibchen - kommt von einer Hundezüchterin, ist ca. 1 1/2 Jahre alt und hat vermutlich eine recht grausame Vergangenheit hinter sich, denn sie war, als sie hier ankam, völlig verstört, wurde höchst wahrscheinlich geschlagen, kannte nicht einmal Straßenverkehr, kam also kaum raus.
Jedesfalls hat sie sich bisher schon überaus gut eingelebt, spielt ein wenig, ist zutraulich - selbst mir gegenüber, obwohl ich nur am Wochenende und ab und zu unter der Woche bei ihr bin.
Mein Problem ist jedoch, dass Menschen ja oftmals dazu neigen, das Verhalten von Tieren misszuverstehen.
Folgendes: Sobald Lillys Bezugspersonen (meine Freundin und ihre Mutter) nicht mehr da sind, wird der Hund völlig depressiv, versteckt sich andauernd und hängt nur noch in der Gegend herum. Meiner Meinung nach schaut sie einen auch mit einem traurigen Hundeblick an, aber das kann auch eine Fehlinterpretation meinerseits sein^^
Ich versuche also, wenn ich mit Lilly alleine bin, ihr das Gefühl von Geborgenheit zu geben, setze sie neben mich, streichle sie viel… Aber immer, wenn sie nicht betüttelt wird, fängt sie an zu wimmern und zu zittern. Schließlich fühlt sie sich allein, weiß nicht, ob die anderen wiederkommen.
Doch nun weiß ich nicht was ich tun soll. Ich denke mir, ich sollte ihr das Wimmern mit einem etwas strengeren Ton abgewöhnen, aber verunsichere ich das Tier dann nicht noch zusätzlich?
Wie kann ich den Hund beruhigen und ihm klar machen, dass alles in Ordnung ist und ihr gleichzeitig beibringen, dass sie nicht zu Jaulen hat?

Ich bedanke mich schon einmal, dass Sie es durch diesen Roman geschafft haben und hoffe Sie können mir weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen

Cyl

Hallo,
Hab Deine Anfrage gelesen und gesehen daß es Hunderaßen gibt die ich noch nicht kenne. Die Bolonka‘s sind offensichtlich eine Rasse die es schon länger gibt, jedoch erst neulich beginnen diese Hunde so langsam als eigene Rasse anerkannt zu werden. Der FCI hat die Bolonka’s jedoch noch nicht anerkannt.
Im Net hab ich ein paar Seiten gefunden, die Dir vielleicht weiterhelfen können.
http://www.bolonka-zwetna-welpen.de/
http://de.wikipedia.org/wiki/Bolonka_Zwetna
http://bolonka.ch/
Darüber hinaus hab ich die Video’s angeschaut und mir Gedanken über das Verhalten und die Physik der Hunde gemacht:

  1. Die Bolonka’s sind eine sehr natürliche Hunderasse.
    Das heißt sie sind sehr ursprünglich und damit Wolfsnahe. Die Größe ist nicht das ausschlaggebende. In der Abstammung auf den Net-Seiten kannst Du lesen daß sie unter anderem von folgenden Rassen abstammen:
    Malteser und Pekingeser (naturnahe Hunderassen), Pudel und Lhasa-Apso (wolfsnahe Hunderassen).
    Daher zum Beispiel die schrägstehenden Augen.
  2. Rudel-orientiert
    Daraus ergibt sich daß die Rasse sehr Rudel-orientiert ist, und damit nicht als Einzelhund geeignet ist. Deine Hündin fühlt sich einsam und mangelt Sozialkontakt zu anderen Hunden, am liebsten anderen Bolonka’s da sie die gleiche Sprache sprechen.
  3. Erziehung
    Die Rasse verlangt ausreichend Auslauf (auf der einen Net-Seite steht bis zu 20 Km am Tag), viel persönlicher Kontakt und Erziehung kann doch auch einige Km ausgleichen.
    Da ist es gut mehrere zu haben die den gesamten Tag mit einander leben und sich gegenseitig in Schwung halten (Sozialkontakt ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Sozialkontakt).
    Beschäftigt Euch viel mit dem Hund (den Hunden, um schon mal einen Blick in Eure Zukunft zu werfen).
    Spielt viel mit dem Hund und erzieht sie zu allem möglichen (Gehorsam, keine Tricks, Aufgaben in Eurem Alltag die der Hund übernehmen kann). Hundeschule ist da gut, da gibt es auch eine Menge Sozialkontakte und die Möglichkeit für Agility, also kontrollierter Hindernislauf für Hunde den lieben die meisten über alles wenn sie sich daran gewöhnt haben. Agility ist sehr gute physische und mentale Beschäftigung.
  4. Erziehungsstil
    Hunde sollen immer mit Liebe erzogen werden. Wenn man die Hunde schimpft verschlimmert man nur bestehende Probleme, so schafft man kein Vertrauen, das jedoch ist das A und O in der Erziehung.
    Auf den Net-Seiten hab ich gesehen daß die Bolonka’s sehr gutherzige, aufmerksame, kontaktsuchende, verspielte und leicht erziehbare Hunde sind. Das ist eine ideale Voraussetzung, wenn man nicht so viel Erfahrung mit Hunden hat.
    Positive Bestärkung ist eine sehr gute Erziehungsmethode. Das heißt daß man sich immer auf das konzentriert was gut ist und man sich an des Hundes Verhalten wünscht.
    Beispiel: wenn der Hund immer zu allen Fremden hin zieht und an denen hoch stehen will (gibt schmutzige Kleider, Leute können Angst oder Allergie haben), so soll man nicht schimpfen und verbieten, sondern vorab schon die kommende Situation voraussehen und in guter Zeit dem Hund das Kommando geben die anderen Leute zu passieren. Das braucht natürlich viel Training und klappt nicht sofort, nur weil man es sich vorgenommen hat. Sobald der Hund das richtig macht und sich nach Wunsch verhält muß der Hund auch erfahren daß das die gewünschte Verhaltensweise ist, und entsprechend gelobt werden (jeder Hund auf seine Weise, Leckerli oder Spiel oder was auch immer).
    Schimpfen und strenger Ton entspricht negativer Bestärkung. Auch an der Leine reißen ist negative Bestärkung (Bestrafung). Dadurch bekommt der Hund nicht viele neue Möglichkeiten für Verhaltensweisen offengelegt, sonder die negative Bestärkung schließt so viele Verhaltensweisen aus, bis nur noch angemessenes Verhalten übrig ist. Das schlechte an der negativen Bestärkung ist, daß der Hund seine Motivation und Lebensfreude einschränkt und schlussendlich keine Spontaneität mehr besitzt – das empfinde ich als langweilig.
    Behandle Deinen Hund nicht als Schoßhund, denn das ist er nicht. Ein King Charles Spaniel zB. ist ein Schoßhund. Deinen Hund sollst Du als erwachsenen Weggefährten behandeln, und auch entsprechend mit ihm reden.
  5. Buchtips

Karen Pryor:
Positiv bestärken - Sanft erziehen
ISBN 3-440-07695-4 Buch anschauen

Eberhard Trumler:
Mit dem Hund auf Du (Band 1)
ISBN 3-492-21135-6 Buch anschauen
Hunde ernst genommen (Band 2)
ISBN 3-492-21044-9 Buch anschauen

Karen Pryor hat in den 70’er Jahren das Klickertraining entwickelt.
Eberhard Trumler war Forscher im Bereich Hundeverhalten.
Beide haben eine ganze Reihe von Büchern geschrieben, und ich kenn auch weitere richtig gute Bücher über das Thema, die 3 oben genannten jedoch sind meiner Meinung „die Bibel“.

Hoffe Euch mit meinem „Roman“ weiterhelfen zu können. Und wünsche Euch viel Erfolg mit der kleinen.
Noch eine kleine Bitte, lasst Euch ruhig etwas Zeit und kontaktet einen Züchter für genauere Informationen die präzise diese Rasse angehen. Und schreibt mir dann bitte zurück, ob Ihr mit meinem Text etwas anfangen konntet und ob das Euch weitergeholfen hat. Das interessiert mich sehr, um auch in Zukunft möglichst zielgerichtet weiterhelfen zu können.
Gruß Christian

Hallo Cylinder,

die Antwort auf diese Frage ist wirklich sehr komplex. Ich kann versuchen das Thema anzureißen, würde aber empfehlen, dass Sie sich einen qualifizierten Hundetrainer ins Haus holen, der Ihnen in ein Paar Trainingseinheiten erklären kann, was Ihr Hund benötigt.

In erster Linie suchen Hunde Führung. Sie benötigen Menschen die ihnen einen Rahmen stecken in dem sie sich entspannt bewegen können. So einen Rahmen steckt man ggf. auch mal durch deutliche Ansagen.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten nicht nur einen Hund sondern mehrere, die sich vom Verhalten der Hündin gestört fühlen würden. Wie würden diese sich verhalten? Sie würden es entweder ignorieren oder sie würden ihr kurz vermitteln, dass jetzt Feierabend mit dem Krach ist. Keiner würde trösten. Trösten kennen Hunde nicht. Trösten ist wie Lob! Mit jedem Trösten verstärken Sie das störende Verhalten. Sie sagen Ihr, wenn Sie sie streicheln, bemitleiden, trösten: „Ja, ich verstehe dich und sehe das genauso wie du. Machst du fein!“

Sie gehen davon aus, dass Lilly geschlagen wurde. Ich würde vielmehr davon ausgehen, dass Lilly nicht viel kennengelernt hat. Keine oder kaum, wenn dann immer die selben „fremden“ Menschen. Sie wird sicher nicht groß am Alltag des „Züchters“ teilgenommen haben. Stellen Sie sich vor, Sie wachsen bis zu Ihrem 10 Lebensjahr in einem kleinen Häuschen im Wald auf. Sie kennen Mama, Papa, vielleicht noch einen Förster. Sie kennen weder Großstadtverkehr, noch Kinderscharen, noch Supermärkte, kein Geschrei, kein Gehupe. Mit 10 Jahren holen sie wildfremde Menschen ab und verbringen Sie in die Frankfurther Innenstadt. Können Sie sich ein bißchen vorstellen, was für einen Stress Lilly hat? Diese Leute, die Sie abholen, nehmen Sie zwar mit, glauben aber, sie täten Ihnen einen Gefallen, wenn sie Sie machen lassen, was Sie möchten. Niemand begleitet Sie durch die Stadt und zeigt Ihnen alles, niemand bringt Ihnen die HZivilisation „bei“, man möchte, dass Sie Ihre Freiheit genießen. Glauben Sie, sie könnten sie genießen? Oder würde sie Ihnen Angst machen, weil es viel zu viel ist? Glauben Sie nicht auch, Sie würden krampfhaft versuchen an den Personen „festzuhalten“ und sie nicht wegzulassen, die sie abgeholt haben? Die einzigen Personen, die Ihnen evtl. etwas Sicherheit vermitteln? So ungefähr gehts Lilly! Schlechte Erfahrungen sind meisten zwar nicht schön, aber man kann sie „überschreiben“, wie einen Film auf der Festplatte. Gar keine Erfahrungen sind viel schlimmer. Denn da herrscht ein Vakuum und niemand kommt da mehr ran.

Sie können nur Sicherheit vermitteln. Und dafür müssten Sie erstmal verstehen lernen. Sie alle!

Lilly braucht einen klaren Rahmen in dem sie sich bewegen darf und der hat nichts mit Vermenschlichung zu tun. Harmonie, Geborgenheit und Vertrauen entstehen ausschließlich wenn man bereit ist, Konflikte, wie auch immer sie geartet sind, anzugehen, klare Grenzen aufzuzeigen und Ruhe zu vermitteln.

Mit jedem Betüddeln, Streicheln etc. verstärken sie Lillys Verhalten und somit wird es jedes Mal ausgeprägter. Sie verstärken ihre Angst!

Sie haben vielleicht schon eine gute Idee, nämlich mit einer klaren Ansage dem Hund vermitteln was er lassen soll!
Wir Menschen tendieren dazu, den Hunden zu sagen, was sie tun sollen: Sitz! Platz! Fuss! Und bekeksen das Ganze dann auch noch.
Hunde untereinander sagen sich nur, was sie lassen sollen. Das ist viel stressfreier! 1. Gibt es insgesamt weniger Dinge, die man nicht darf, als die, die man darf und 2. ist das der benannte klare Rahmen, den sich jeder Hund wünscht.
Allerdings tendieren wir Menschen zu einer weiteren Sache: Wir SAGEN es dem Hund! Der Hund aber ist kein Ohrentier. Er ist ein Nasen- und Augentier. Hunde vermitteln sich, was sie wollen und was sie nicht wollen durch Körperlichkeit - wenn nötig! Sie können nicht reden. Es ist nicht fair, es dem Hund zu SAGEN. So können Fehler passieren, weil der Hund uns nicht versteht und dann sind wir wieder wütend.

Ich kann und möchte Ihnen nicht sagen, wie genau Sie bei Lilly eingreifen sollten. Denn es geht nicht um eine massive Verunsicherung. Es geht nur darum, dem Hund zu sagen LASS DAS, ohne ihn unnötig zu verunsichern. Dafür müsste ich Lilly gesehen haben. Nur so könnte ich abschätzen, was für Lilly angebracht ist und was nicht!

Bitte holen Sie sich einen guten Trainer ins Haus. Tun sie es für Lilly, um ihr ein schönes Leben und vor allem ein hundgerechtes Leben zugestalten.
Ich kann die Trainer von Canis Kynos sehr empfehlen. Sie haben eine sehr fundierte Ausbildung und wissen wovon sie reden. Frei von irgendwelchen Methoden!

Wenn Sie einmal hier: http://www.canis-kynos.de/studium-canis-absolventen… schauen. Dort finden Sie die Trainer eingetragen. Ich hoffe es ist auch einer für Sie dabei!

Sollten Sie aus der Nähe von Osnabrück, Kassel, Berlin, Gevelsberg, Flensburg, Nordstemmen oder Hildesheim kommen, sind dort auch ausgebildete Trainer von uns (Hundeverhaltenszentrum Canisterra) zu finden und können Ihnen selbstverständlich ebenso qualifiziert weiterhelfen.

Wärmstens empfehlen kann ich auch das Buch: Hunde brauchen klaren Grenzen von Michael Grewe.

Sollten Sie noch Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Jennifer Gutmann