Risse von Hesse

Liebe/-r Experte/-in,
guten Tag,

könnten Sie mir die Bedeutung des Gedichts „Risse“ von Hesse erklären? Wie ist dies auf die Menschen auch zu verstehen?

Ich hatte eine seltne Violine
Mit wunderbar gebräunten, blanken, starken
Wänden und lichten, Echten, uralten Zargen.
Nur schräg im Boden, sichtbar keinem Laien,
Zog sich ein Riß und gab den edlen Tönen
Ein seltsam hartes, Verwundetes, krankes Stöhnen.
Krähn können auch die Raben.Wer klingen will,
Wer Lieder singen will, Darf keine Risse habe

Könnten Sie mir bitte weiterhelfen?

Vielen herzlichen Dank,
Grüsse,

Thomas Matter

Hallo Herr Matter,

ich würde es mit zwei Sätzen so interpretieren:

Ein schönes und tolles Äußeres reicht nicht. Wer sehr gut sein möchte, darf keinen, wenn auch noch so unscheinbaren Fehler haben - denn: Man wird es bemerken.

Ich kann damit natürlich auch daneben liegen, also „Ohne Gewähr“.

Viele Grüße

Geht es in dieser Aufgabe nicht eher um die eigene Empfindung bzw. Deutung einer Botschaft in diesem Werk?
Was glauben Sie, wollte der Autor damit sagen?
Das ist wohl der Kern der Sache
Möglicherweise vergleicht er die Violine mit Raben
„Krähen können auch die Raben“
Und dann:
"Wer Lieder singen will, darf keine Risse haben.
Die Violine kräht nun wie ein Rabe, ein Rabe ist kein Singvogel, kein Vogel der für seine Laute bekannt ist.
Ist somit diese Violine eine „seltne“ Violine, weil sie nicht so klingt wie andere, weil sie eben den Riss hat? Aber sie ist ja weiterhin eine Violine…

Sie sehen, die Gedanken zu diesem Werk können mannigfaltig sein

Anscheinend eine schulische Aufgabe. Habe die Anfrage im Forum uni-protokolle.de gesehen. Ich bin kein Experte in Interpretation (Kritiker) sondern Autor.

Hermann Hesse vergleicht in seinem Gedicht Risse drei Bilder:
Ein Musikinstrument, Vogelstimmen und menschlichen Gesang.

In den drei Beispielen kommen Gaben und ihre Grenzen zum Ausdruck:

  • Eine Geige wird durch einen verborgenen Schaden unbrauchbar.
  • Das Krächzen von Raben bereitet, anders als Vogelgesang, keinen Genuss.
  • Gravierende Schwächen schließen in gewissen Beziehungen einen Menschen aus.

Das Gedicht fällt ein Urteil mit begrenzter Schärfe:

  • Verletzungen, geistige, mentale wie auch körperliche Beschränkungen, mangelnde Anlagen und Fähigkeiten machen manche Ziele unerreichbar.
  • Es ist unangemessen, von einem Geschädigten oder Unbegabten (Ding oder Menschen) das Falsche zu verlangen.
  • Es ist unangebracht, einem Geschädigten oder Unbegabten daraus einen Vorwurf zu machen. [Copyright: almi]

Tut mir leid, da muß ich passen.

Schöne Grüße, Reni

lieber Thomas,
ich persönlich interpretiere das Gedicht wie folgt:
Hesse nimmt die Violine stellvertretend für seinen Körper bzw. meint er sich selbst. Er beschreibt den Zustand dieser Violine als nahezu perfekt - also auf sich bezogen, als einen gesunden, voller Kraft und Schönheit strahlenden Körper bzw. Mensch. Nur unmerklich wie fast alles auf dieser Welt, nagt der Zahn der Zeit durch Benutzung und Gebrauch, an dem Instrument. Dieses zeigt sich hier als Riss. Wiederum auf den Menschen bezogen, interpretiere ich den Riss als Krankheit oder eher noch als Verletzung an seiner Seele - da von Laien nicht sichtbar. Der Riss in der Violine zerstört nun ihre Vollkommenheit insoweit, welches sie wohl nicht mehr in einem Konzert mitspielen könnte oder nicht mehr tragbar wäre. Auf den Menschen bezogen, verstehe ich den Vergleich dahin, er funktioniert nicht mehr bzw. er kann nicht mehr seine gesellschaftliche Rolle ausfüllen. Mit dem Vergleich:„Krähn (krähen) können auch die Raben“, will uns Hesse sagen - das im Vergleich des Gesanges der Vögel, wohl die Nachtigall den schönsten Klang hervorbringt, wobei der Rabe nur ein Krähen hervorbringt - welches unserem Ohr nicht so sehr schmeichelt. Also nur die Besten und perfektesten haben einen schönen Gesang, ansonsten " singen kann ein Jeder. Mit dem letzen Satz des Gedichtes, will Hesse ein Fazit bzw. Resümee ziehen. Schlussendlich kann nur der großes vollbringen der nicht verletzt oder beschädigt ist. Ich folgere - wer geliebt werden will, muss selber lieben, wer geachtet oder wertgeschätzt werden möchte, sollte selbst ein Vorbild sein. „Wir sollten unsere Psychen gegenseitig in Pflege nehmen“(Hartmut T.Reliwette). Jede Gesellschaft ist nur so stark wie sein schwächstes Mitglied.

Ich hoffe ich konnte Dir ein wenig weiterhelfen. Aber vielleicht meinte Hesse auch etwas ganz anderes !?

Anbei sende ich Dir noch ein Gedicht, das wohl mit anderen Worten das Gleiche auszudrücken sucht.

" Sprung "
Nichts
hält es mehr
was zerbrach,
lässt laut Scherben klirren
in einsamer Seele
war Puzzle
ein schönes Mosaik
zerstreut
zusammengekehrt
neu verlegt
doch es fehlte
ein Teilchen -
Liebe,
die verlor sich
im Ersten
Sprung.

© by d.t.p. 1992

ein danke wäre auch mal nett.

…alle macht geht vom dichter aus…