Ritalin an Kinder ja oder nein

Hallo, unser Enkelkind, Junge 10 J., soll, nach Diagnose ADS, mit Ritalin behandelt werden. Für uns ist er ein ganz normaler Bengel. Hat großes Talent zur Musik, spielt Gitarre und Schlagzeug. Er ist halt in der Schule etwas unaufmerksam, macht alle Jungenstreiche mit. Durch einige Wohnungswechsel und damit verbundene Schulwechsel, hatte er immer Probleme bei der Sache zu sein. Kein richtiger Freundeskreis, die Eltern, sehr stark auf gute Leistungen von ihm fixiert, stellten ihm den Kinderarzt vor und sind unter Betreuung von Zeus. Als Kleinkind hat er auch viel von den Eheproblemen der Eltern mitbekommen. Seine Mutter ist sehr streng und oft jähzornig. Er wurde immer als Beschuldigter hingestellt. Sein Vater, unser Sohn, sehr verhalten. Hat sich immer der Meinung seiner Frau angeschlossen und ihm keinen Rückhalt gegeben. Wir denken, das unser Enkel aus diesen, und anderen Erlebnissen, einiges abbekommen hat. Er äußert uns gegenüber, das er Angst vor der Mama hat. Wir sind etwas hilflos. Nun leben wir seit einem halben Jahr gemeinsam in unserem Einfam.-Haus und es hat sich einiges gebessert. Die Schwiegertochter, seine Mutter, hat sich um einiges zurückgenommen und der Enkel fühlt sich sichtlich wohler. Nun soll er, nur weil die schulischen Leistungen im mittleren Bereich liegen, dieser Medikamentenbehandlung unterzogen werden. Aus Angst, er könnte in der 4. Klasse versagen. Ist er im Unterricht unaufmerksam, bestraft ihn die Lehrerin damit, den nächsten Tag in der 1. Klasse zu verbringen. Für uns vollkommen unverständlich. Was können wir nun daraus schließen ? Ist eine Behandlung mit Ritalin notwendig ? Danke im Voraus für eine Antwort.

Hallo,

ich nehme mal an, dass auch Ihr selbst nicht ganz objektiv seid - wer ist das schon?
Meine, ihr schimpft arg auf die Schwiegertochter, nehmt Euren Sohn nat. in Schutz. Das ist normal. Die Realität könnte etwas anders sein - das mal nur als Nebengedanken dazu. Vielleicht der Fairness halber mal genauer hingucken.

Wie Du das Kind beschreibst, hört sich das nicht nach einem echten Drama an.
Ich habe mal ein ADS-Kind erlebt, im Kleinkindsportkurs meines Sohnes.
Das Kind, ca. 5 Jahre, war pausenlos in Bewegung (über vorhandene Tische drüber und drunter durch, drumrum, an der Tür schwingend usw.), dabei fast pausenlos am Reden und Fragen stellen und selbst in den 10 min. im Umkleideraum enorm anstrengend und verwirrend. Die ältere Schwester meinte, er wäre immer so. Sie war das offenbar gewöhnt und kam damit zurecht.
Die Mutter hatte eine Engelsgeduld - wirkte aber auch sehr erschöpft und gereizt. Kein Wunder.
Ich konnte sie nur bewundern und bedauern gleichzeitig. Kann mir nicht vorstellen, dass ich mit einem solchen Kind hätte lange klarkommen können - Ritalin hätte ich verm. sofort zugestimmt, mit letzten Resten von Nerven.

Ich schätze mal, wenn ein Kind behandlungswürdige Defizite hat, wird die Familie das auch bemerken und darunter leiden. Und auch das Kind leidet. Es eckt überall an, Freundschaften halten nicht, Familie ist unzufrieden usw.

Mittelmäßige schulische Leistungen sind hingegen normal. Normaler als Mittelmaß geht per Definition nicht.

Redet doch auch mal mit dem Jungen. Hat er Freunde, wie fühlt er sich? Was wäre ihm wichtig?

Gruß und alles Gute, Paran

die Eltern,
sind unter Betreuung von Zeus.

Wer ist das denn eigentlich?

Nun soll er, nur weil die schulischen
Leistungen im mittleren Bereich liegen, dieser
Medikamentenbehandlung unterzogen werden. Aus Angst, er könnte
in der 4. Klasse versagen.
Ist eine Behandlung mit
Ritalin notwendig ? Danke im Voraus für eine Antwort.

Mei, was ist schon „notwendig?“

Ich denke mir, euer Enkel ist 3 1/2 Jahre durch die Schule gekommen, so arg pressieren kann es jetzt auch nicht. Entsprechend würde ich empfehlen, als ersten Schritt den Weg zum Kindertherapeuten zu machen und eine Zeit lang zu schauen, ob das in eine gute Richtung geht.

Begründung:

  • nur Medikamentengabe ist eh fragwürdig, weil die Kombination Kinderpsychotherapie + Medikamente normalerweise mit Sicherheit den besseren Erfolg bringt als die medikamentöse Behandlung allein - zumal das eurem Enkel auch ganz gut tun könnte, wenn ich deine Schilderung so lese, z.B. zur Förderung sozialer Fertigkeiten, um Freunde zu finden oder auch zur Selbstwertstärkung.

  • der Kindertherapeut wird es spätestens nach ein paar Behandlungsstunden recht gut einschätzen können, ob eine medikamentöse Behandlung zusätzlich sinnvoll und nötig ist oder nicht. Diese Zeit würde ich mir nehmen bevor ich „eigenmächtig“ (den Kinderarzt kann ich als Entscheidungsinstanz nicht ernst nehmen) mit der Medikamentengabe anfangen würde.

Gruß
F.

aus dem Tagebuch einer Betroffenen
Hallo!

Die Frage, ob ein Medikament gegeben oder nicht gegeben werden soll, liegt in der Verantwortung des diagnostizierenden Arztes UND der direkt Betroffenen.

Also des Kindes (sofern es sich dazu schon äußern kann) und der Eltern. Auch die Lehrer sollte man in die Behandlung - egal ob mit oder ohne Medikation - mit einbeziehen.

(Wobei ich das Verhalten der Lehrerin für inakzeptabel halte und man dringend das Gespräch suchen sollte!)

Einerseits ist es lieb von Dir, als Großmutter, dass Du Dir Gedanken machst. Andererseits hast Du vermutlich - trotz des Wohnens im gleichen Haus - das Kind nicht rund um die Uhr und täglich bei Dir?!

Seit mehr als 20 Jahren beschäftige ich mich, als Selbstbetroffene und Mutter eines mittlerweile erwachsenen ADS-lers, intensiv mit der Thematik.

Ein wichtiger Gesichtspunkt ist, wie hoch der Leidensdruck des Kindes und des direkten Umfeldes ist.

Medikamente zur Therapie des ADS (es gibt wesentlich mehr als nur Ritalin=Methylphenidat) sind nicht immer notwendig, manchmal aber doch.

Das oft störende Verhalten ist eigentlich nur das kleinste Problem, weil die Betroffenen durch ihre extrem hohe Ablenkbarkeit und Reizüberflutung häufig so leiden, dass sie unter permanentem Stress leiden.
Und ihre Kanäle eben nicht einfach zumachen können, sondern alles unaufhörlich auf sie einstürzt.

(Es gibt noch die andere ADS-Variante, das Träumerle, das sich gedanklich aus der Welt katapultiert und sehr lieb ist, aber ebenfalls furchtbar leidet)

Man weiß auch heute, dass bei einer gründlichen Diagnose und Verordnung nur des Medikamentes ein höherer Behandlungserfolg erzielt wird, als „nur“ mit psychotherapeutischer Therapie.

Der optimale Weg ist aus meiner Erfahrung der multimodale, soll heißen, möglicherweise Medikamente plus psychotherapeutischer/psychologischer/heilpädagogischer/psychomotorischer Behandlung.

Ein Trugschluss ist aber, dass man oben eine Pille reinwirft und unten ein braves, schulisch leistungsstarkes Kind herauskommt.

Unser Kind hat einige Jahre Medikamente bekommen PLUS weiterführender Behandlungen. Wir sehen es retrospektiv als „Geh-Hilfe“, die ihn einige Zeit unterstützt hat.

Es ist nämlich auch so, dass sich unter einer Medikation, gerade bei jungen Menschen, die Impulskontrollstörungen und Aufmerksamkeitsdefizite reduzieren lassen, und dass sich daraus ein Lern-Effekt ergibt, der dann in Fleisch und Blut übergeht.

So, nun hast Du viel zu lesen, und wenn Du Dich mit anderen Betroffenen austauschen möchtest oder weitere Informationen haben möchtest, dann hier:

http://tokol.de/forum/index.php

Alles Gute, vor allem für das Kind!

Angelika

Ein Fachmann hat mal in einer guten Radiosendung dazu gesagt, dass eigentlich die ganze Familie solcher Kinder in Behandlung gehört.
Ritalin oder nicht ist da eigentlich der Nebenschauplatz, das wird dabei dann abgewogen, das haben die anderen hier schön dargelegt.

Auch, dass die reine Medikamentengabe nicht die Lösung sein wird, sondern z.b. eine Verhaltenstherapie flankierend sinnvoll sein könnte.
Und da würde ich ergänzen: psychologische Hilfe/Beratung für die Eltern (beide!) hielte ich auch für angebracht.

Krötengrüße

Ergänzung: Medikation oft *die* Basis für Psychotherapie
Nochmal Hallo!

Ergänzend zu meinem obigen posting noch die Info, dass häufig eine Therapie ins Leere läuft, wenn nicht parallel eine Medikation erfolgt.

http://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kin…

Angelika

1 Like

Vom Olymp zur Olympiade
Servus

und sind unter Betreuung von Zeus.

Donnerlettchen! Sind sie wenigstens Griechen?
Aber denen kann Zeus anscheinend auch nicht mehr helfen.
Nein, im Ernst, ich wusste nicht, dass der griechische Obergott noch so viel Einfluss in Deutschland hat…
Halten zu Gnaden,
Branden

Hallo,

in der 4. Klasse versagen. Ist er im Unterricht unaufmerksam,
bestraft ihn die Lehrerin damit, den nächsten Tag in der 1.
Klasse zu verbringen. Für uns vollkommen unverständlich. Was

das ist in einer Leistungsgesellschaft wie der unsrigen schon verständlich.
Wenn wir in Deutschland z.B. versagen und weniger als ca. 80 Hektar pro Tag von unbebautem Boden in bebautem umwidmen, werden wir in der Zukunft auch zurückversetzt in die 1. Klasse der Industrienationen.
Unaufmerksame Kinder können wir uns nicht leisten. Wir benötigen Leute, die aufmerksam möglichst viel Beton- und Asphalt mischen.