Hallo Laika,
zwar etwas verspätet, aber da sich sonst niemand erbarmt hat …
gibt es da Zusammenhänge? Rom ist zwar schon fast 200 Jahre
vor der Eroberung Nordafrikas durch die Araber/den Islam
gefallen, aber Byzanz gab es ja noch.
Eben, Byzanz gab es ja auch noch. Das Imperium Redivivum Justinians begann zwar schon kurz nach dem Tod Justinians (565) auseinanderzubrechen - Verlust großer Teile Italiens an die Langobarden, avarisch-slawische Einfälle über die Donaugrenze und insbesondere die Auseinandersetzung mit den Sassaniden im Orient (Vorstoß bis Chalzedon und Einnahme Caesaras und Jerusalems 614, Eroberung Ägyptens einschließlich Alexandrias 618). Dazu Berberaufstände in Nordafrika, die die Küstenregion und die Hauptstadt Karthago stark unter Druck setzten.
Trotz dieses Zerbröckelns der terrestrischen Grundlage des oströmischen Reiches blieb jedoch bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts die byzantische Seeherrschaft völlig unangetastet und damit natürlich auch der Mittelmeerhandel fest in byzantinischer Hand. Durch eben diese absolute Überlegenheit zur See gelang es auch, zumindest die Küstensäume weitgehend unter byzantinischer Herrschaft zu halten - in Italien insbesondere Apulien und Otranto sowie Kalabrien und Lukanien, am Nordende der Adria Venetien und daran nach Süden anschließend das Exarchat Ravenna und die Pentapolis, an der Westküste Genua mit einem Streifen Liguriens, Rom, die Campania mit Neapolis. Dazu natürlich Sizilien - die entscheidende strategische Basis für die Beherrschung des westlichen Mittelmeers. Ähnlich in Illyrien Spalato, Ragusa, Cattaro und in Griechenland Patras, Thessalonike und Monemvasia als Festlandshäfen und erst recht die ionischen Inseln und Kykladen. Karthago und Hadrumetum in Nordafrika konnten durch Seeunterstützung ebenfalls problemlos gegen die Berber gehalten werden. Man spricht hier von der byzantinischen Thalassokratie - ein von der Landfläche her zwar weniger beeindruckendes aber doch äußerst wirtschaftsmächtiges, ausgedehntes und stabiles Imperium.
Die Sassaniden hatten zwar Syrien und Ägypten gewonnen, aber nicht die Küste und so gelang hier Kaiser Herakleios die Gegenoffensive (Friedensschluss 629/30 mit Rückgabe aller seit 603 den Byzantinern abgenommenen Provinzen). Es war die durch diesen Krieg verursachte militärische Schwäche und Erschöpfung Persiens und des byzantinischen Reichs, die die frühen militärischen Erfolge der muslimischen Araber erst ermöglichten.
Der entscheidende Wandel bereitete sich dann mit der muslimischen Eroberung der syrischen und der ägyptischen Mittelmeerküste vor (Fall Alexandrias 641, nach kurzfristiger Rückeroberung von See her erneuter Fall, 643/44 Eroberung von Tripoli und der anderen syrischen Häfen). Anders als die Sassaniden scheuten sich die Araber nicht davor, sich mit Byzanz auch zur See zu messen.
Bereits als syrischer Statthalter hatte der spätere erste omayyadische Kalif Mu’awiya 648 die erste islamische Flotte bauen lassen, die 649 mit einem Überfall Zyperns erstmals erprobt wurde. Gleichzeitig wurde auch in Ägypten von einheimischen (koptischen) Schiffszimmerleuten eine Flotte gebaut (Arsenal Clysma). Auch die Mannschaften wurden zum Teil aus zum Islam übergetretenen Kopten rekrutiert. Die nächsten Unternehmungen dieser kombinierten Flotten waren Raubzüge gegen Sizilien (ab 652), das von der byzantischen Flotte nur unzureichend gegen diese Piraterie geschützt werden konnte. Die erste offene Seeschlacht gegen Byzanz („Schlacht der Masten“) war dann 655 - sie endete mit einem (durchaus überraschenden) Sieg der islamischen Flotte. 669 allerdings konnte Byzanz mit einer erneuerten Flotte von Sizilien aus wieder die Initiative im westlichen Mittelmeer übernehmen. In Nordafrika blieb die Lage an der Küste vorerst einigermaßen stabil - dank der Berber, mit denen Byzanz nun verbündet war und gemeinsam die islamischen Aggressoren bekämpfte. Es sollte noch zwanzig Jahre dauern, bis die Emire von Kairouan auch die Küstenstädte erobern konnten(Karthago 689).
Die Auseinandersetzung zwischen byzantinischen und islamischen Flotten zog sich in einer ziemlich wechselvollen Geschichte nahezu 400 Jahre hin, wobei auf muslimischer Seite bald Nordafrika (Ifriqiya) unter den Aghlabiden die führende Rolle spielte. Das mittelmeerische Handelssystem freilich war schon mit dem ersten Einbruch der Araber in das mare romanum nachhaltig gestört und brach in der Folgezeit komplett auseinander. Entscheidend war dabei ein etwa ab 695 parallel geführter Wirtschaftskrieg, der insbesondere die alexandrinische Wirtschaft ruinierte, aber auch Byzanz selbst von den südlichen Handelsrouten abschnitt. Der kombinierte Angriff der Araber zu Land und zu See auf Byzanz 717/18, der die Entscheidung bringen sollte, endete diesmal in einem Fiasko für die Angreifer - aber die Handelswege waren und blieben weitgehend verödet.
Die für die Seeherrschaft im westlichen Mittelmeer entscheidende nächste Phase war dann im 9. Jahrhundert (800-870), wobei der Wendepunkt die dauerhafte Festsetzung der Araber auf Sizilien war (826-831) - im Laufe dieser Jahre fiel den Arabern auch die Waffentechnologie des griechischen Feuers in die Hände, was die taktische Überlegenheit der byzantinischen Dromonen beendete. 870 setze nochmals eine energische Gegenoffensive der Byzantiner ein, die den Verlust des westlichen Mittelmeers als Einflussgebiet jedoch nur verzögern und nicht mehr aufhalten konnte. Einen gewissen Schlusspunkt setzte 964 die „Schlacht der Vernichtung“ nach dem Fall der letzten byzantischen Standpunkte auf Sizilien (Taormina und Ramette). Danach folgten nur noch Epiloge.
Die islamische Überlegenheit im westlichen Mittelmeer war freilich auch nicht dauerhaft. Nachdem die Fatimiden Ägypten erobert und 972 ihr Zentrum nach Kairo verlegt hatten, wurde Nordafrika - die Basis der islamischen Flottenmacht - zum Kampfplatz verfeindeter Diadochen. Das Machtvakuum zur See führte dann zu dem schnellen Aufstieg der italienischen Seerepubliken.
Freundliche Grüße,
Ralf