Roman 'Terror' - Darstellung der Charaktere

Hallo zusammen,

ich lese gerade den Roman „Terror“ von Dan Simmons. Nun basiert zumindest die Fahrt ins Polarmeer ja auf wahren Begebenheiten, ebenso wie auch die Namen der handelnden Personen der original Passagierliste entsprechen sollen.
Nun sind einige Charaktere ja nicht die sympathischten (hegen z.B. Mordgedanken) oder geben sich homosexuellen Neigungen hin.

Wie verhält sich das: Ist der Autor verpflichtet, die Nachkommen um Erlaubnis zu bitten, die Namen der Vorfahren in einer fiktiven Handlung verwenden zu dürfen? Besonders, wenn diese als kriminell oder irgendwie anders als von der sogenannten „Norm“ abweichend dargestellt werden (vielleicht ist die streng gläubige Ur-Ur-Enkelin der genannten Person gegen Homosexualität etc.)?

Oder verliert „man“ nach z.B. 100 Jahren das Recht an der eigenen Person und man kann nach belieben literarisch „ausgeschlachtet“ werden?

Das ging mir so durch den Kopf…

Mfg

Cypher

Hallo Cypher,
Deine Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, da hier ein rechtlich sehr schwierig aufzulösender Konfliktfall zwischen Persönlichkeitsrecht einerseits und Freiheit der Kunst andererseits vorliegt. Beide Prinzipien haben Grundrechtsrang; die Rechtsprechung neigt dazu, im Zweifelsfall eher dem (postmortalen) Persönlichkeitsschutz Vorrang einzuräumen - vorausgesetzt, es handelt sich um eine massive Verletzung. Als Präzedenzfall kann man hier die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall Gorski / Nymphenburger Verlagsbuchhandlung bezüglich des Romans ‚Mephisto‘ von Klaus Mann ansehen. Die Entscheidung war allerdings denkbar knapp - im Richtergremium ein Unentschieden, was zur Zurückweisung des Antrags des Verlages führte.

Grundsätzlich ist die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener gemäß §189 StGB mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. Im konkreten Fall läge schon einmal ein Problem darin, ob die Behauptung homosexueller Neigungen nach heutigem Verständnis überhaupt den Straftatbestand der Verunglimpfung erfüllt.

Oder verliert „man“ nach z.B. 100 Jahren das Recht an der
eigenen Person und man kann nach belieben literarisch
„ausgeschlachtet“ werden?

Es gibt hier keine konkrete zeitliche Befristung (wie z.B. beim Urheberrecht). Allerdings ist der Straftatbestand des §189 kein Offizial-, sondern ein Antragsdelikt (mit Ausnahme der Opfer der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft). Es wird also (abgesehen von der genannten Ausnahme) nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag verfolgt. Das Antragsrecht gem. §194 Abs.2 StGB ist auf Angehörige beschränkt. Gem. §77 Abs.2 StGB sind zunächst Ehegatten bzw. Lebenspartner und Kinder antragsberechtigt; wenn diese verstorben sind ggf. die Eltern; in dritter Linie dann Geschwister und Enkel. Weitere Antragsberechtigte (Urenkel, Tante, Cousin, Schwippschwager …) gibt es nicht.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Tychiades,

danke für die umfangreiche Antwort. Jetzt bin ich schlauer! :smile:

Danke und Gruß

Cypher