Steckrüben, Stielmus, Navets und Konsorten
Servus,
(brauchst nicht alles nochmal zu lesen, ich hab bloß den völlig verknoteten „Wintervorrat“-Satz nochmal bissel aufgebügelt) -
Die Information über die späte Einwanderung von Skandinavien her bezieht sich wohl nur auf die große, runde, gelbfleischige Form der Steckrüben.
Die Brassica rapa - Linie von Rüben, zu der Steckrüben, Herbstrüben, Teltower usw. gehören, auch die schmalen, zarteren Schwestern der Steckrübe „Navets“, die in Frankreich und England noch mehr verbreitet sind als bei uns, ist eine frühe Kulturpflanze (ca. 2 000 vuZ im vorderen Orient kultiviert), die im Mittelalter in ganz Mitteleuropa verbreitet war und viel angebaut wurde:
In nicht zu frostigen Klimaten (in der mittelalterlichen Warmzeit bis ca. 1300 wohl in großen Teilen des heutigen Deutschland, in Frankreich, Benelux und großen Teilen der britischen Inseln auch) kann sie den Winter über draußen bleiben. Das Problem Wintervorrat ist ja eigentlich erst später mit der Kartoffel gelöst worden, vorher hatte man halt neben dem eher raren Getreide sonst Ackerbohnen, Buchweizen, Kastanien und eben auch (Brassica-)Rüben.
Die roten und weißen Rüben Beta vulgaris, aus denen viel später auch die Zuckerrüben entwickelt wurden, sind zwar auch ein altes europäisches Lagergemüse, aber sie spielten keine so große Rolle. Die botanisch ebenfalls zur Beta vulgaris gehörenden Runkelrüben waren meines Erachtens seit je eher Viehfutter. Es gab als bekömmlichere, ebenfalls überwinternde und früh austreibende Form der Beta Vulgaris ja den Mangold, der keine so ausgeprägten Wurzeln macht.
Damit spiele ich den Ball zurück, weil mir keine ordentliche Lösung dafür einfällt, mit welchem deutschen Wort man die wahrscheinlich gemeinte Steckrübenform beschreiben könnte, weil man von Deutschland aus gelesen bei Steckrüben unmittelbar an die Gelben Wilhelmsburger denkt. Möglich wäre vielleicht, von „Rübstiel“ oder „Stielmus“ zu schreiben: Damit merkt der Leser immerhin unmittelbar, daß es sich um etwas handelt, was er nicht 1:1 bei Rewe im Regal findet. Stielmus wurde angebaut, indem man Mairüben und Herbstrüben ziemlich eng säte, so daß sie zwar fleischige Blattstiele, aber keine dicken Wurzeln entwickelten, und von Hand so erntete, daß man beim Vereinzeln den Rübstiel sofort verbrauchen konnte, und in geeignetem Abstand stärkere Pflanzen zum Ausbilden von Rüben stehen ließ.
In der italienischen bäuerlichen Küche, wo ja, wenn man mal die Speisen mit Migrationshintergrund Tomaten und Polenta weglässt, allerhand Mittelalterliches überlebt hat, ist eher Brassica rapa als „Cime di Rapa“ vertreten. Ich glaube aber, daß sich in der ganzen Brassica-Kante die Botaniker keineswegs einig sind, wo die Grenzen zwischen den verschiedenen Arten liegen und in wieweit es sich überhaupt um verschiedene Arten handelt - wenn Botanici mit „ssp.“ = Subspecies anfangen, zeigt sich eine gewisse Weglosigkeit…
Schöne Grüße
MM