Ruf nach Weltpolizei

Was macht man, wenn man einen Mord beobachtet? Und was macht man, wenn man einen Völkermord beobachtet?

Wohin gehen zwei Menschen, die sich nicht einigen können? Und wohin können Völker gehen, die sich nicht einigen können?

Wie regeln wir inzwischen unser friedliches Zusammenleben? Und wie könnte man das friedliche Zusammenleben der Staaten regeln?

Die Idee, die Verhältnisse und unsere guten Erfahrungen der innerstaatlichen Ebene auf die höhere zwischenstaatliche Ebene zu übertragen, liegt auf der Hand. Es ist eine schöne Vision, eine Weltpolizei am Werke zu sehen, die genauen Gesetzen verpflichtet ist, welche von unabhängigen Gerichten ausgelegt und von einer demokratisch legitimierten Regierung aufgestellt werden.

Warum ist der Ruf danach so leise?

P.S.: Es ist leicht den Despoten zu kritisieren, der seine Macht als gottgegeben ansieht, und der versuchen muss ohne eine Kontrolle und ohne die Vorgabe von klaren Handlungsrichtlinien ein ganzes Volk zu regieren. Wie soll er nicht der Macht verfallen, dem Eigennutz frönen, und immer neue Maßnahmen erdenken, um seine Position zu verteidigen? Eine Position, die er berechtigterweise von Schurken, die hinter jeder Ecke lauern können, bedroht sieht. Nicht er ist Schuld am Mißstand, sondern das System, oder?

P.S.2: Es ist Zeit zu rufen. Die nukleare Gefahr wächst, und auch globale ökologische und ökonomische Lösungsansätze drohen im Hickhack eines babelschen Stimmengewirrs unterzugehen.

Hallo Martin,

es scheint mit Herrn Bush und seinen Beratern Leute zu geben, die sich machtbesoffen zur Weltpolizei berufen fühlen. Nur leider schnitzt sich diese Polizei ihr Recht selbst und ist auch weit davon entfernt, schlichtend einzugreifen, geschweige denn, jemanden zu schützen. Dieser „Weltpolizei“ fehlt zudem der Intellekt für Analysen und Argumente. Einziges Argument ist das Schießeisen.

Bis dahin wäre der selbst ernannte, etwas flachköpfige Schupo mit begrenztem Horizont, der seine Umgebung nach Gut und Böse einteilt, nur ein Ärgernis, das es in die Schranken zu weisen gilt. Das Schlimme aber ist, es wird überall nur leise gegrummelt, aber niemand haut diesen Leuten spürbar und schmerzhaft auf die gierigen Finger. Im Gegenteil, in letzter Konsequenz machen die Europäer mit der in den USA herrschenden Clique gemeinsame Sache und lassen sich vor den weinerlichen Karren der Leute spannen, die das Verbrechen des 11. September für eigene Machtpolitik und eigene Verbrechen mißbrauchen.

Die Menschen dieser Erde brauchen keine neuen Nuklearwaffen und brauchen keine neuen Waffengänge. An keiner einzigen Stelle werden Leute gebraucht, die immer noch Probleme zwischen Völkern mit Gewalt lösen wollen.

Was können wir tun? Wir brauchen insbesondere keine Politiker, die ihre Solidarität mit solcher Art Weltpolizei bezeugen und deren Tun auch noch militärisch unterstützen. Dafür dürfen wir aber auch nicht nach Amerikanern schreien, wenn wild gewordene europäische Politiker und Volksgruppen aus dem Ruder laufen, siehe Jugoslawien. Ganz dringend ist eine gemeinsame EU-Außenpolitik erforderlich, die europäische Interessen vertritt und das können ganz andere als die Interessen der USA sein. Kein europäischer Politiker kann auf die dusselige Idee kommen, Rußland als das Reich des Bösen zu bezeichnen. Im Gegenteil, das kann unser bedeutendster Handelspartner, unser größter Markt und Rohstofflieferant werden und bald ist es ein unmittelbarer EU-Nachbar. In Rußland steht mit Putin ein aufgeklärter Mann an der Spitze, ein erstklassiger Deutschland-Kenner, der lange in Berlin lebte. Dieses Ende vieler Jahrzehnte blöder Ideologie und solche Chance dauerhafter Annäherung dürfen wir uns nicht von gefährlichen Dummköpfen in Washington kaputt machen lassen.

Niemand käme auf die Idee, einen waffenstarrenden und irrational handelnden Amokläufer als stark zu bezeichnen. Der fühlt sich nur durch den Zuspruch und das Ducken des Publikums stark. Das Fehlen gemeinsamer europäischer Konzepte ermöglicht es Bush und seiner Abenteurertruppe, nach Belieben zu verfahren. Die untertänige Schleimspur, die ein Herr Blair, aber auch Kanzler Schröder (wie alle seine Vorgänger) über den großen Teich ziehen, ermöglicht es amerikanischen Polit-Amateuren, langfristig angelegte Außenpolitik durch Militäreinsätze zu ersetzen.

Wir haben unsere Welt so klein gemacht und mit so viel Selbstzerstörungspotential ausgestattet, daß kein Platz mehr ist für Leute, die noch mehr davon haben wollen. Wir sitzen tatsächlich alle in einem Boot, haben andere Sorgen, als neue Waffensysteme produzieren zu müssen und müssen jeden, der in diesem gemeinsamen Boot zu sehr schaukelt, zur Ordnung rufen. Auch so ein kleines Dummerchen, wie es offenkundig Herr Bush ist, muß kapieren, daß man mit allen Bombern der Welt nichts gegen ein paar religiös motivierte Idioten ausrichten kann, die ihr eigenes Leben hergeben wollen. Herr Sharon muß das auch einsehen, wenn er nicht schon vom Altersstarrsinn daran gehindert wird.

Gruß
Wolfgang

nicht durchführbar…
hallo Martin,
stell Dir vor, die USA (als zur Zeit stärkste militärische Macht) begeht Verstöße gegen die Menschenrechte - nur ein Gedankenspiel: so etwas würden die nieeee machen.
Stell Dir vor, die BRD (nur ein Gedankenspiel, da… ach, so, sagte ich ja schon) bringt das vor dieses unabhängige Gericht.
Stell Dir vor, das Gericht gibt D Recht und verklagt die USA zur Unterlassung und Schadenersatz.
Frage: wer zwingt die USA, das Urteil anzunehmen? Deutschland? Da bekommt Baby-Bush einen Hustenanfall! Da verschluckt der sich an der nächsten Brezel (na, hoffentlich…)
Grüße
Raimund

Es ist richtig. Der Ruf nach einer „Weltpolizei“ ist relativ leise. Dass erstaunt, da wir sehen oder in den letzten Jahren sahen (in Israel/Palästina, Jugoslawien, Burundi - leider nur unter anderem), dass eine solche Polizei benötigt wird. Man stelle sich Deutschland ohne Polizei vor: würde auch nicht funktionieren.

Nur gerade dies ist der Grund: die Welt ist kein Staat. Jemand muß entscheiden, wo die Polizei eingesetzt werden soll. Jemand muß entscheiden, welche Polizisten eingesetzt werden sollen (aus welchen Staaten). Jemand muß entscheiden, wie stark die Polizeipräsenz (in Personenstärke aber auch in der Einsatzbereitschaft) ausfallen soll.

Dieser jemand kann nur die UNO sein. Aber wer ist bereit, der UNO ein solches Oberkommando zu geben. Die USA müsste sich der UNO unterordnen. Danach sieht es gegenwärtig nun wirklich nicht aus. Deutschland würde sich der UNO wohl unterordnen. Aber sind wir wirklich bereit, deutsche Polizisten unter UNO-Kommando zu stellen?

Hinzukommen zwei wichtige Punkte:

  1. In Deutschland ist klar, wann die Polizei eingesetzt wird und wann nicht. Es gelten überall die gleichen Gesetze. Weltweit ist das nicht der Fall. Es müßte also klare Kriterien gesetzt werden, wann die Weltpolizei eingesetzt wird. In Jugoslawien war der NATO-Einsatz zwar richtig (meiner Meinung nach), aber doch willkürlich. Eindeutige Regeln gab es nicht.

  2. In Deutschland ist klar, dass allenfalls ein Verdächtiger auf die Polizei schiesst. Das wars dann aber auch. Die Polizei ist - neben der Armee - die bestausgerüstete Gewalt in Deutschland. Und einen bewaffneten Konflikt Bundeswehr gegen Polizei wird es in Deutschland schon nicht geben, weil beide einer Regierung unterstehen. International ist das anders. Was, wenn die Weltpolizei gegen den Willen Israels und der Palästinenser in Jerusalem eingesetzt werden würde (national ist das so. Die Polizei kann auch eingesetzt werden, wenn dies die beteiigten Bürger nicht wünschen)? Dann stünde vielleicht die gutausgebildete israelische Armee gegen die Weltpolizei.

Fazit: Weltpolizei funktioniert nur unter einer Weltregierung. Das heißt, zuerst brauchen wir eine Weltregierung, dann die Weltpolizei. Wobei die Weltregierung natürlich nicht mit der deutschen Regierung vergleichbar sein kann. Die Weltregierung kann allenfalls die weltweite Einhaltung der Menschenrechte überprüfen. Wenn nicht eingehalten, muß es - nach Klage z.B. vor einem Weltgericht - Strafen für den Staat geben. Aber eben ohne Weltpolizei. Das ist der zweite (oder dritte, vierte,…) Schritt vor dem ersten.

Gewaltenteilung
Hallo Martin,

jeder halbwegs funktionierende, d.h. seine Macht nicht übermäßig mißbrauchende Staat, hat eine klare Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative vollzogen. Theoretisch sind zwei der drei Gewalten vorhanden:

Legislative (gesetzgebend): UNO und
Judikative (rechtsprechend): Internationaler Gerichtshof

Die Exekutive (ausführende Gewalt) wird nach eigenen, amerikanischen Interessen von den USA übernommen, wobei die eine oder andere Rechtsbeugung nicht wirklich interessiert.

Das ist zwar nicht fair und es gibt alle Gründe der Welt, dieses Machtungleichgewicht anzuprangern, aber es ist halt auch normal, weil menschlich. Kein Staat der Welt würde freiwillig etwas von seiner Macht abgeben.

Gruß Dirk

Die Exekutive (ausführende Gewalt) wird nach eigenen,
amerikanischen Interessen von den USA übernommen

Leider übernimmt die USA gleichzeitig auch die Legislative und Judikative. Selbst wenn sie in der Lage wäre ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen wäre sie deshalb keine Weltpolizei sondern eine Hegemonialmacht.

Warum ist der Ruf danach so leise?

Hallo Martin,

vielleicht tragen diese beiden Links etwas zur Antwort bei:

http://…

http://www.swr.de/report/archiv/sendungen/051101/wel…
(JavaScript ausschalten, sonst wird man zur Homepage „umgelinkt“.)

Marco

Team: URL entsprechend der AGB gelöscht

Hallo Marco,

danke für die Hinweise auf die interessanten Links. Insgesamt habe ich durch die Antworten den Eindruck gewonnen, dass die Vision selbst doch nicht so unverbreitet ist, wie ich dachte.

Deine Links gehen beide in die Richtung, dass die USA sich einem Voranschreiten in Richtung eines solchen funktionierenden weltpolitischen Systems widersetzen, weil sie Macht abgeben müssten.

Insoweit ist die Analogie zum Despoten weiterhin erschreckend treffend. Man kann mit Sicherheit nicht erwarten, dass die Regierung der USA, denn diese würde ja Macht abgeben, von sich aus einsischtig die Entwicklung unterstützt. Auch für die anderen Regierungen wird es eine Abwägung zwischen der dazugewonnenen Sicherheit und dem Machtverlust geben.

Vielleicht muss der Anstoss von der Bevölkerung direkt kommen, auch vom Amerikanischen Volk.

Jedenfalls wäre ein erster Schritt, dass diese Vision in der öffentlichen Diskussion präsenter ist. Natürlich ist sie nur über einen langen Zeitraum durchsetz- und gestaltbar. Aber warum kommen solche wichtigen Fragen kaum im Bundestagswahlkampf vor?

Hallo Dirk,

es stimmt, Ansätze in die richtige Richtung sind vorhanden. Aber natürlich müssen die Staaten für ein funktionierendes übergeordnetes System Macht abgeben. Wenn man einsieht, dass solch ein System wünschenswert ist, dann müssten die Staaten durch die Bürger dazu gebracht werden.

Die UN z.B. streubt sich dagegen, überhaupt den Eindruck einer Weltregierung zu erwecken und stemmt sich gegen diese Idee, wie ich bei einer Führung in New York mit Erstaunen gehört habe. Sie scheinen fast stolz darauf zu sein, nur einen Debattierclub darzustellen. Würde man die UN in der Analogie wieder auf die Verhältnisse in einem Staat übertragen, so hätte man als Regierung des Staates eine Vollversammlung aller Bürger, wobei einige Bürger noch ein Veto-Recht haben. Natürlich kann so ein Staat nicht funktionieren.

Damit die Reslutionen der UN einem Gesetzesstatus näher kämen, müssten sich daraus für jeden Fall direkte Handlungsdirektiven ableiten. Es dürfte keinen Spielraum geben, ob, wann oder wie welche Streitkräfte eingreifen.

Hallo Wolfgang,

mit Deiner Analyse der jetzigen Situation bin ich in Großteilen einverstanden. Er macht deutlich, dass der Ist-Zustand von der Vision weit entfernt ist, und dass es für einen Aufbau von solchen weltpolitiscehn Strukturen viele Hindernisse gibt.

Ich finde, als erstes müsste man mal schauen, wer sich denn auch für diese Richtung einsetzt. Eine grosse Koalition dafür wäre nötig.

Wahrscheinlich sitmmt es, dass, wenn wir Europäer einmal selbst die Initiative ergreifen würden, viele folgen würden.

Durchführbarkeit ist zweiter Schritt
Hallo Ralf,

danke für Deine Antwort, die sich wie die meisten anderen Antworten hauptsächlich mit der Durchführbarkeit dieser Vision beschäftigt. Wenn denn die Idee tatsächlich weiter verbreitet ist, als ich dachte, und es genügend Leute gibt, die ien solches System prinzipiell unterstützen würden, dann wäre die Diskussion der vorzunehmenden Schritte wirklich der nächste Schritt.

Mit Deiner Analyse, dass es einer klaren eindeutigen Weltgesetzen bedarf, und dazu einer Weltregierung, stimme ich überein. Vermutlich sollte der Aufbau einer unabhängigen weltpolizei-mäßigen Armee wirklich erst einer der letzten Schritte sein. Vielleicht ist er auch nicht notwendig, und die Armeen der Teilnehmerstaaten können die Aufgabe übernehmen.

Mir ging es eher um die Vision, die Verhältnisse innerhalb eines demokratischen staates auf die Welt zu übertragen. Der Begriff „Weltpolizei“ war da nur ein Aufhänger, weil er schon stark eingeführt und (negativ) besetzt ist.

so schnell wirklich nicht durchführbar
Hallo Raimund,

natürlich hast Du damit Recht.

Der in der Antwort von Marco Müller gegebene Link
http://…
beschreibt übrigens fast so einen Fall, wie Du ihn in
Deiner Antwort postulierst.

Aber kann man nicht gegen die amerikanische Regierung Schritte in die richtige Richtung unternehmen, zumindest Druck aufbauen?

Ich denke, es wäre schon ein guter Schritt, die Idee weit genug zu verbreiten und auch öffentlich zu vertreten. Selbst oder gerade unter den Amerikanern gibt es doch auch viele intelligente Leute.

Team: URL entsprechend der AGB gelöscht

hallo Martin:

Aber kann man nicht gegen die amerikanische Regierung Schritte
in die richtige Richtung unternehmen, zumindest Druck
aufbauen?

Nicht, so lange man wirtschaftlich von den USA abhängig ist. Es ist nun mal der größte Verbrauchermarkt der Welt. Militärisch habe ich da keine Bedenken. Die USA werden kaum Europa angreifen. Einmal, weil sie sonst ganz heftig eine auf die Mütze bekommen und zweitens werden sie ja nicht ihr investiertes Kapital gefährden wollen, oder?

Ich denke, es wäre schon ein guter Schritt, die Idee weit
genug zu verbreiten und auch öffentlich zu vertreten. Selbst
oder gerade unter den Amerikanern gibt es doch auch viele
intelligente Leute.

Klar gibt´s viele intelligente Amis. Nicht alle machen Cowboykarriere. Es muss auch einige geben, die denken. Obwohl man z.Zt. in den USA sich fragen kann, wo der Realismus hingekommen ist.
Grüße
Raimund

Hallo Martin,

Aber
warum kommen solche wichtigen Fragen kaum im
Bundestagswahlkampf vor?

Das war eine rhetorische Frage, oder? Weil mit diesem Thema keine Wählerstimmen zu gewinnen sind und es an Menschen fehlt, die in der Lage sind, über den eigenen Tellerrand zu blicken und den eigenen kurzfristigen Vorteil zugunsten einer langfristigen Vision hintenanzustellen.

Gruß Dirk

Tag Dirk,

Das war eine rhetorische Frage, oder?

Nicht nur.

Weil mit diesem Thema
keine Wählerstimmen zu gewinnen sind und es an Menschen fehlt,
die in der Lage sind, über den eigenen Tellerrand zu blicken
und den eigenen kurzfristigen Vorteil zugunsten einer
langfristigen Vision hintenanzustellen.

Ich glaube, die Wähler werden sehr unterschätzt. Wenn man sich die Zeitungen ansieht, dann nimmt Außenpolitik einen grossen Platz ein. Und auch die Benutzungszahlen dieses Forums sprechen für ein grosses Interesse.

Übrigens glaube ich auch, dass man die Wähler unterschätzt, wenn man die Debatte über ein Zuwanderungsgesetz aus dem Wahlkampf heraus halten will, weil sonst ausländerfeindliche Strömungen zutage treten könnten. Ein solcher Versuch ist ja demokratie-feindlich. Man möchte Regelungen durchsetzen möglichst ohne dass öffentlich zu stark darüber diskutiert wird. So ein Vorgehen kann nicht gut sein, selbst wenn das dabei entstehende Gesetz perfekt wäre. Aber Entschuldigung, das gehört nicht in dieses Forum.