Russisch (französische Einflüsse)

Hallo,

Da ich gerade Tolstoi lese und dort den Eindruck gewinne, dass die Oberschicht im 19. Jahrhundert mehr Französisch als Russisch geredet hat, frage ich mich, welche Einflüsse dies auf die russische Sprache gehabt hat.

Weiß das jemand? Oder übertreibt Tolstoi? Oder wurde dieser Einfluss durch die russische Revolution rückgängig gemacht?

Auch Englisch hat bekanntlich viele französische Einflüsse (allerdings aus früheren Jahrhunderten). Weiss jemand, wie dies im Russischen im Vergleich dazu aussieht?

Viele Grüsse, Walkuerax

Hallo Walkuerax,

liest du Tolstoi im Original?
War es nicht ähnlich auch in Preussen?
Französisch war in Russland die Oberschishtsprache und es gibt unzählige Wörter im Russischen, die französischen Ursprungs sind, wie Plage, Taburet oder auch Buffet,Sacvoyage usw, die „jeder“ versteht.
Ich mag selber mit der Sprache spielen: wie viel Französisch ich in einem einfachen russischen Satz entdecken kann.
Manchmal sind es, abgesehen von Präpositionen, Konjunktionen, bis 90(!)%.
Wo Tolstoi, meiner Meinung nach, tatsächlich übertreibt, er füllt ellenlange Passagen auf Französisch nur um die dann unten zu übersetzen. Das einmal zu machen wäre doch ausreichend.
Die Revolution war nicht unbeteiligt,weil sehr viele, die Französisch sprachen entweder umgebracht oder vertrieben wurden.

Ich denke nicht, dass es mit französischen Einflüssen im Englischen vergleichbar ist. Die Franzosen haben die Insel besetzt, in Russland dagegen war es nicht der Fall und Napoleon war viel später und nur kurz.

Gruß

Harry

kleine Korrektur
Hallo harry!

Wo Tolstoi, meiner Meinung nach, tatsächlich übertreibt, er
füllt ellenlange Passagen auf Französisch nur um die dann
unten zu übersetzen.

Das ist eine traditionelle Einmischung der Herausgeber, im Original gibt (gab) es keine Übersetzung.

Gruß

Das ist eine traditionelle Einmischung der Herausgeber, im
Original gibt (gab) es keine Übersetzung.

Was meins du mit „Original“?
Tolstoi hat Romane (i.d.R) auf russisch verfasst, ich habe einige („Krieg und Frieden noch in der Shcule“) im Original gelesen.
Das war, na ja, vor 20 Jahren.

Du hast mich schon richtig verstanden. Nur nicht bis zum Ende mitgedacht: Deine Ausgabe war bestimmt keine vor 1917. Nimm zum Vergleich eine wissenschaftliche Ausgabe und prüf es in den Kommentaren nach, wenn du eine alte nicht findest.

Gruß

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Das ist eine traditionelle Einmischung der Herausgeber, im
Original gibt (gab) es keine Übersetzung.

Was soll solche Einmischungb denn bewirken? Seitenzahl erhöhen?

Nich jeder kann Französisch!
Ich lese auch gerade mir Begeisterung „Krieg und Frieden“ und beherrsche zum Glück einigermaßen Französisch. Doch auch ich würde es begrüßen, wenn in einem Anhang wenigstens schwierige Wörter oder Floskeln übersetzt würden!
In „Krieg und Frieden“ wird übrigens ganz deutlich, dass in Wirklichkeit noch mehr Französisch in der Adelsschicht gesprochen wurde als Tolstoi es nutzt!
Gruß!
Christian

Das ist eine traditionelle Einmischung der Herausgeber, im
Original gibt (gab) es keine Übersetzung.

Was soll solche Einmischungb denn bewirken? Seitenzahl
erhöhen?

Nein, dem Leser die Möglichkeit verschaffen, den französischen Text zu verstehen. Vor 1917 ging man davon aus, dass es jeder kann, danach - dass andersrum keiner kann das.

Alles klar? :smile:

Mit einem traditionellen sich einmischenden Gruß

Hallo,

liest du Tolstoi im Original?

Nein, in der deutschen Ausgabe. (Leider kann ich kein Russisch.) Wie unten beschrieben werden die französischen Passagen als Fussnoten übersetzt. In „Krieg und Frieden“ kommt sehr viel Französisch in der wörtlichen Rede vor, in der „Anna Karenina“ wird auch beschrieben, wie die Kinder zweisprachig, oder fast sogar schon französischsprachig erzogen werden (was Tolstoi übrigens an einer Stelle kritisiert).

War es nicht ähnlich auch in Preussen?

Möglich, da kenne ich mich nicht so aus. Aber laut Tolstoi haben sogar die Soldaten der russischen Armeen untereinander (und dann teilweise auch mit den Napoleonischen Truppen)
fliessend französisch gesprochen und da habe ich bei den Preussen nichts vergleichbares gehört (auch wenn Friedrich der Grosse mit Voltaire kommuniziert haben mag).

Wo Tolstoi, meiner Meinung nach, tatsächlich übertreibt, er
füllt ellenlange Passagen auf Französisch nur um die dann
unten zu übersetzen. Das einmal zu machen wäre doch
ausreichend.

Das wird ein Stilmittel sein, durch das wir auch heute noch nachvollziehen können, wie das Sprachwirrwarr in der täglichen Kommunikation ablief. Mir gefällt das ganz gut. Auch heute gibt es etliche neuere Filme, die das Neben- und Durcheinander verschiedener Sprachen als Stilmittel einsetzen. „Monsoon Wedding“ fällt mir ein und die „Auberge Espanol“ (von der ich gerade die Fortsetzung gesehen habe).

Ich denke nicht, dass es mit französischen Einflüssen im
Englischen vergleichbar ist. Die Franzosen haben die Insel
besetzt, in Russland dagegen war es nicht der Fall und
Napoleon war viel später und nur kurz.

Aber offenbar habe die Russen lange Zeit freiwillig Französisch gesprochen und diese Freiwilligkeit könnte besonders stark wirken.

Mit vielen Grüssen, Walkuerax

Hallo,

Das ist eine traditionelle Einmischung der Herausgeber, im
Original gibt (gab) es keine Übersetzung.

Lässt sich daraus schliessen, dass jeder Russe der damals lesen konnte, auch französisch verstand?

Viele Grüsse, Walkuerax

Hallo!

Das ist eine traditionelle Einmischung der Herausgeber, im
Original gibt (gab) es keine Übersetzung.

Lässt sich daraus schliessen, dass jeder Russe der damals
lesen konnte, auch französisch verstand?

Ich erlaube mir, deine Frage umzuschreiben. Für wen schrieb Tolstoj? Er orientierte sich an seine Leserschaft und sah in ihr - als Graf-Demokrat (*g*) - sich ebenbürtige Vertreter seiner Schicht. Er ging davon aus, dass sie französisch verstehen, und er brauchte es als ein Stilmittel, das bis hin zu Joyce etc. führt.

Viele Grüße