sängerisches 'r'

Hallo, Sangeskundige!
Bis vor kurzem, genauer bis zu einem auf dem Deutsch-Brett lesbaren Posting, war ich der Meinung, das gerollte (Zungen-)R sei der Normalfall der Aussprache des Deutschen und das Zäpfchen-R. sei, um es mal mit Walser (Tod eines Kritikers) zu sagen, der „Unpäßlichkeit der Sprechwerkzeuge“* geschuldet.
Am o.g. Ort wird man aber belehrt, dass es eher umgekehrt ist und dass das Zungen-R wenn nicht falsch, so doch eine irgendwie schrullige lokale Ausnahmevariante ist.
Meine Frage:
Was ist in der Gesangsausbildung heute der Standard?
Wird für deutsche Opern, Oratorien und Lieder (ich spreche nicht von französischen) wirklich das Zäpfchen-R gelehrt?
* oder so ähnlich (aus den Gedächtnis zitiert)
Schönen Gruß!
Hannes

Lieber Hannes,
natürlich gibt es zu diesem Thema unendlich viele Theorien und dahinterstehende ästhetische Anschauungen. In der traditionellen Stimmbildung, die auch heute noch in vielen Schulen gelehrt wird, sieht das so aus:
Das „r“ im Anlaut sollte man als „Zungen-r“ bilden, da das „Gaumen-r“ den Ton nach hinten bringt, wohin er nicht gehört. Aber das Zungen-r darf nicht lange gerollt werden, weil das dann übertrieben wirkt. Es genügt, wenn man es einmal anschlägt.
Manche Menschen haben Probleme, das Zungen-r zu intonieren. Da hilft ev. die Voranstellung eines - allerdings nur zart angedeuteten - „d“ vor dem eigentlichen „r“. So wird die Zunge in die richtige Ausgangsposition gestellt.
Ein Schluss-r wird durch Anhängung eines stummen „e“ ersetzt (also „wa-e“ statt „war“). Bei einem Schluss-„er“ wird das r durch ein dunkel gefärbtes e (in Richtung ä) ersetzt („unsä“ statt „unser“), - aber auch hier: nur sehr sehr vorsichtig. Jede Übertreibung geht ins Komische, finde ich jedenfalls. Bei allen diesen Tipps sollte die Natürlichkeit, und damit auch der Spaß am Singen nicht verloren gehen.
Gruß,
lynndinn