Sansibar-Helgoland-Vertrag

Hallo zusammen,

vor kurzem hat mich ein Bekannter gefragt, was das wichtigste Ereignis der dt. Geschichte sei. Diese Frage ist Ansichtssache und unmöglich zu beantworten, aber dennoch wollte ich wissen was er meinte. Er sagte, er habe einmal gelesen, daß der Tausch von Helgoland gegen Sansibar das wichtigste Ereignis der dt. Geschichte sei.

Aber welche weitreichenden Folgen hatte dieses Ereignis eigentlich, damit ein Historiker es als das wichtigste Ereignis tituliert?

Vielen Dank im voraus!
Christian

Hallo

vor kurzem hat mich ein Bekannter gefragt, was das wichtigste
Ereignis der dt. Geschichte sei. Diese Frage ist Ansichtssache
und unmöglich zu beantworten, aber dennoch wollte ich wissen
was er meinte. Er sagte, er habe einmal gelesen, daß der
Tausch von Helgoland gegen Sansibar das wichtigste Ereignis
der dt. Geschichte sei.

Aber welche weitreichenden Folgen hatte dieses Ereignis
eigentlich, damit ein Historiker es als das wichtigste
Ereignis tituliert?

Möglicherweise kam der Historiker von der Insel Helgoland. Dann hatte dieser Vertrag zumindest für ihn persönlich die Bedeutung des wichtigsten Ereignisses der deutschen Geschichte, da er sonst Engländer wäre. Andere Erklärungen fallen mir derzeit nicht ein, dafür aber zuhauf Ereignisse, die ich für wichtiger halte.

Gruß
smalbop

Hallo ,

im Besitz der Briten, konnten diese fast die gesamte deusche Küste beschießen. Außerdem die Flußausgänge der Elbe, Weser und Ems.

Die Helgoländer selbst wären sicher lieber Briten geblieben.

Ma.

Hallo

im Besitz der Briten, konnten diese fast die gesamte deusche
Küste beschießen. Außerdem die Flußausgänge der Elbe, Weser
und Ems.

Wäre das so gewesen, hätten die Engländer die Insel sicher behalten und eine Seefestung draufgebaut. Der Versuch, Helgoland mit den Engländern zu tauschen, wäre so erfolgreich gewesen wie der Versuch, den Nord-Ostseekanal gegen den Suezkanal als Zugangsweg zur Kronkolonie Indien zu tauschen.

Helgoland hätten die Engländer im Ernstfall sowieso nicht halten können, darum haben sie es ganz gerne gegen etwas wertvolleres getauscht. Und Deutschland hat anschließend ja ebenfalls keine Seefestung draus gemacht, die verließen sich viel lieber auf ihre Minenfelder und auf Torpedos, um die Royal Navy von der Küste fernzuhalten.

Außerdem ändert der Umstand, dass die Engländer Helgoland im 1. Weltkrieg nicht hatten, nicht das geringste an dessen Ausgang, auch von daher ist das von Dir genannte Argument - die Verhinderung der Beschießung der deutschen Nordseeküste - wohl ganz sicher nicht das entscheidenste Ereignis der deutschen Geschichte. Und wenn man schon in so kurzen Zeiträumen denkt, ist das Ausschlagen eines britischen Bündnisangebots 1902 ganz sicher weit grundsätzlicherer Art - und somit folgenreicher.

Gruß
smalbop

Was wir heute denken und wissen, ist etwas ganz anderes als damals.

Dem deutschen Militär war diese brit. Insel schon immer ein Dorn im Auge. Mit Helgoland als brit. Festung hätten deutsche Kriegsschiffe nur sehr schwer auslaufen können.

Dem deutschen Militär war diese brit. Insel schon immer ein
Dorn im Auge. Mit Helgoland als brit. Festung hätten deutsche
Kriegsschiffe nur sehr schwer auslaufen können.

Möglicherweise wäre England in späteren Zeiten geneigt gewesen, die Insel vorsorglich zu behalten, nämlich als Wilhelm der II. auf den Thron kam und sein Flottenbauprogramm startete. Aber 1890, als der Tauschvertrag geschlossen wurde, gab es noch keine nennenswerte deutsche Flotte und somit keinen deutsch-britischen Gegensatz.

Wäre Helgoland zufällig britisch geblieben und eine Bedrohung der sich entwickelnden deutschen Seemacht geworden, hätte bei Kriegsbeginn entweder die überschwere deutsche Eisenbahnartillerie die Insel vom Festland aus zerschossen oder sie wäre in einer Kommandoaktion besetzt worden, bevor nennenswerte britische Marinekräfte hätten eingreifen können.

Die deutschen Flieger hätten - außerhalb des Aktionsradius der britischen Gegner - die Insel als Feindstützpunkt völlig entwertet.

Wie man es dreht oder wendet, Helgoland ist nicht mit dem entscheidendsten Ereignis der deutschen Geschichte in Verbindung zu bringen, welches auch immer dies sein mag.

Gruß
smalbop

http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_zwischen_Deutsc…

http://www.geschichte-s-h.de/vonabisz/helgolandsansi…

(Link auf Bitte des Autors entfernt -mkl-)

Grüsse

hätte bei

Kriegsbeginn entweder die überschwere deutsche
Eisenbahnartillerie die Insel vom Festland aus zerschossen
oder sie wäre in einer Kommandoaktion besetzt worden, bevor
nennenswerte britische Marinekräfte hätten eingreifen können.

Wie man es dreht oder wendet, Helgoland ist nicht mit dem
entscheidendsten Ereignis der deutschen Geschichte in
Verbindung zu bringen, welches auch immer dies sein mag.

Hallo,
was für eine überschwere deutsche Eisenbahnartillerie gab es denn vor WK I oder zu Beginn desselben? Helgoland ist mindestens 50 Km von der deutschen Küste entfernt.
Gruss
Rainer

Hallo Rainer,

richtiger Einwand; denn:

http://de.wikipedia.org/wiki/Paris-Kanone

Gruß
Andreas

Würden die Engländer Helgoland befestigt haben?
Ich denke nein.

Die französischen Kanalinseln sind vielleicht nicht direkt vergleichbar, aber eine gewisse Parallelität gibt es doch. Und die Engländer haben im am Ende des 19. Jahrhunderts nicht daran gedacht, diese gegen Frankreich zu befestigen, obwohl Geschütze von Jersey oder Guernsey viel wirkungsvoller gewesen wären, als von Helgoland.

Gruß
Hardey

Ich denke nein.

Die französischen Kanalinseln sind vielleicht nicht direkt
vergleichbar, aber eine gewisse Parallelität gibt es doch. Und
die Engländer haben im am Ende des 19. Jahrhunderts nicht
daran gedacht, diese gegen Frankreich zu befestigen, obwohl
Geschütze von Jersey oder Guernsey viel wirkungsvoller gewesen
wären, als von Helgoland.

Man rüstet auch nicht gegen einen Freund bzw Nichtfeind.

Deutschland und UK waren aber niemals Freunde. Unter Kaisers nicht und erst recht nicht unter Hitler.

Ma

Man rüstet auch nicht gegen einen Freund bzw Nichtfeind.

Unsinn. Europäische Politik des 19. Jahrhunderts ist offensichtlich nicht Dein Ding. Gegen Feinde führt man Krieg. Gegen Nichtfeinde rüstet man. Und ein ‚Freund‘ Englands war Frankreich im 19. Jahrhundert definitiv nicht. Die Entente cordiale datiert von 1904. Vor diesem Ausgleich gab es vor allem in der Kolonialpolitik erhebliches Konfliktpotential zwischen beiden Ländern. Außerdem empfehle ich, sich mal etwas mit der Geschichte des Naval Scare von 1884 und des Two-Power-Standard 1889 zu beschäftigen. Da hatte man in erster Linie die Seemacht Frankreichs im Blick, erst in zweiter Linie Preußen - und es wurde deutlich maritim 'nach’gerüstet. Gegen Frankreich, natürlich. Das Reich hatte noch keine nennenswerte Flotte.

Deutschland und UK waren aber niemals Freunde. Unter Kaisers
nicht und erst recht nicht unter Hitler.

Klar, die regierenden Häuser waren rein zufällig miteinander verwandt. Hätte Wilhelm II. 1901 sein Flottenbauprogramm zur Disposition gestellt, wäre das Deutsche Reich und nicht Frankreich Partner einer Entente geworden. Englands Präferenz ging eindeutig in diese Richtung. Und mit der Entente (und erst recht mit Hitler) sind wir im 20. Jahrhundert - es ging hier aber um das 19.

Mit Helgoland als brit. Festung hätten deutsche
Kriegsschiffe nur sehr schwer auslaufen können.

Inwiefern hätte denn eine Festung auf Helgoland das Aus- oder Einlaufen von Schiffen in den Reichskriegshäfen Wilhelmshaven oder Kiel beeinträchtigen können? Bei damaligem Stand der Technik allenfalls als vorgeschobener Flottenstützpunkt - aber dafür fehlte es an einem geeigneten Hafen und an einer Notwendigkeit sowieso. In keinem Fall hätten die erforderlichen Investitionen in einem annehmbaren Verhältnis zum (zweifelhaften) strategischen Nutzen gestanden. Vielmehr hätte man einem potentiellen Gegner ein auf Versorgung von außen angewiesenes unbewegliches Ziel in exponierter Lage vor die Nase gesetzt.

Man rüstet auch nicht gegen einen Freund bzw Nichtfeind.

Unsinn. Europäische Politik des 19. Jahrhunderts ist
offensichtlich nicht Dein Ding.

Wer eine andere Antwort mit „Unsinn“ abtut, sollte lieber den Mund halten!

Gegen Feinde führt man Krieg.
Gegen Nichtfeinde rüstet man. Und ein ‚Freund‘ Englands war
Frankreich im 19. Jahrhundert definitiv nicht. Die Entente
cordiale datiert von 1904.

So eine Entente kommt nicht so plötzlich. Das ist lange gewachsen.

Vor diesem Ausgleich gab es vor allem
in der Kolonialpolitik erhebliches Konfliktpotential zwischen
beiden Ländern.

Über die deutsche Kolonialpolitik wurde im Ausland nur gelacht.

Außerdem empfehle ich, sich mal etwas mit der
Geschichte des Naval Scare von 1884 und des Two-Power-Standard
1889 zu beschäftigen. Da hatte man in erster Linie die Seemacht
Frankreichs im Blick, erst in zweiter Linie Preußen -

Preußen nach 1871? Nicht Deutschland?

und es
wurde deutlich maritim 'nach’gerüstet. Gegen Frankreich,
natürlich. Das Reich hatte noch keine nennenswerte Flotte.

Deutschland und UK waren aber niemals Freunde. Unter Kaisers
nicht und erst recht nicht unter Hitler.

Klar, die regierenden Häuser waren rein zufällig miteinander
verwandt.

Verwandte sind immer die schlimmsten Feinde.

Wer eine andere Antwort mit „Unsinn“ abtut, sollte lieber den
Mund halten!

Der Spruch geht anders. „Wenn man keine Ahnung hat …“. Ansonsten habe ich Deine Antwort nicht einfach abgetan, sondern Dir eingehend erklärt, warum Dein Einwurf Unsinn war.

Ergänzende Hinweise:

So eine Entente kommt nicht so plötzlich. Das ist lange
gewachsen.

Ja, ganze drei Jahre. Nachdem die deutsch-britischen Verhandlungen nach ebenso vielen Jahren (1898-1901) gescheitert waren. Und sie kam nicht zuletzt erst deswegen zustande, weil die deutsch-britischen Verhandlungen scheiterten und England nicht ohne europäischen Verbündeten wegen der Anglo-Japanischen Allianz in einen Konflikt mit Frankreich verwickelt werden wollte. Diese Gefahr bestand ganz konkret wegen des russisch-französischen Bündnisses und dem sich seit Sommer 1903 deutlich abzeichnenden russisch-japanischen Krieg.

Die inoffiziellen Sondierungsgespräche von 1881 zwischen Gambetta und und dem späteren König Edward VII. hingegen waren wegen des Gegensatzes in Afrika folgenlos geblieben - eine eher kuriose Episode.

Nochmals - im 19. Jahrhundert bei England und Frankreich von ‚Freunden‘ zu reden, gegen die man nicht rüstete, geht völlig an den Tatsachen vorbei. Und was die ‚Nichtfeinde‘ angeht, so gab es vor 1900 aus englischer Sicht deutliche Präferenzen für Deutschland im Vergleich zu Frankreich.

Über die deutsche Kolonialpolitik wurde im Ausland nur
gelacht.

Davon abgesehen, dass auch diese Behauptung falsch ist (beschäftige Dich mal etwas mit der Kongokonferenz), war von deutscher Kolonialpolitik gar nicht die Rede, sondern ausdrücklich von französischer und englischer. Stichworte ‚Wettlauf um Afrika‘, Faschodakrise.

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Man rüstet auch nicht gegen einen Freund bzw Nichtfeind.

Unsinn. Europäische Politik des 19. Jahrhunderts ist
offensichtlich nicht Dein Ding.

Wer eine andere Antwort mit „Unsinn“ abtut, sollte lieber den
Mund halten!

Wenn er aber doch recht hat.

Gegen Feinde führt man Krieg.
Gegen Nichtfeinde rüstet man. Und ein ‚Freund‘ Englands war
Frankreich im 19. Jahrhundert definitiv nicht. Die Entente
cordiale datiert von 1904.

So eine Entente kommt nicht so plötzlich. Das ist lange
gewachsen.

Das soll wohl die Überleitung sein zu dem einhundert Jahre alten Einkreisungsgeschwurbel?

Vor diesem Ausgleich gab es vor allem
in der Kolonialpolitik erhebliches Konfliktpotential zwischen
beiden Ländern.
Über die deutsche Kolonialpolitik wurde im Ausland nur
gelacht.

Das haben die Deutschen in dem ihnen eigenen Minderwertigkeitskomplex geglaubt. Bismarck wusste es noch besser. Dessen Karte von Afrika lag in Europa, denn in Europa spielte die machtpolitische Musik. Und in Europa hat auch keiner über Deutschland gelacht.

Außerdem empfehle ich, sich mal etwas mit der
Geschichte des Naval Scare von 1884 und des Two-Power-Standard
1889 zu beschäftigen. Da hatte man in erster Linie die
Seemacht
Frankreichs im Blick, erst in zweiter Linie Preußen -
Preußen nach 1871? Nicht Deutschland?

Möglicherweise ist dir bekannt, dass die deutsche Meeresküste ziemlich deckungsgleich mit der preußischen war. Und dass darum die Reichsmarine in der Tradition der preußischen Marine stand und keiner weiteren.

und es
wurde deutlich maritim 'nach’gerüstet. Gegen Frankreich,
natürlich. Das Reich hatte noch keine nennenswerte Flotte.

Deutschland und UK waren aber niemals Freunde. Unter Kaisers
nicht und erst recht nicht unter Hitler.

Klar, die regierenden Häuser waren rein zufällig miteinander
verwandt.
Verwandte sind immer die schlimmsten Feinde.

So gesehen hätte 1914 jede Monarchie mit jeder Krieg führen müssen. Tatsache ist, dass es bis zum deutschen Flottenrüsten keinerlei strategische Differenzen zwischen GB und DR gab, man war gut Freund, hatte in allen Kriegen Seite an Seite gegen Frankreich gefochten und die jeweiligen politisch-wirtschaftlichen Eliten sahen beide Länder 1. als rasseverwandt und 2. als natürliche Führer der Welt an, Britannien auf dem Meer, Deutschland zu Land. Verdorben wurde das durch die nach Bismarck ungebremst sich verbreitende, aus Minderwertigkeitskomplexen des Zu-spät-gekommenen (vgl. oben „über unser Kolonialreich lachte die Welt“) gespeiste Großmannsucht der rechtskonservativen deutschen Monarchisten.

smalbop

was für eine überschwere deutsche Eisenbahnartillerie gab es
denn vor WK I oder zu Beginn desselben? Helgoland ist
mindestens 50 Km von der deutschen Küste entfernt.

Na schön, das entkräftet dann umgekehrt auch Ma.'s Argument, von Helgoland aus hätte man die deutsche Küste beschießen können.

Wäre es jedoch dazu gekommen, dass Helgoland britische Festung wird, darf man davon ausgehen, dass die zu seiner Bekämpfung erforderlichen schweren Waffen bereits 1914 bereit gestanden hätten. Letztlich war das technische Problem ja überschaubar, die Kaliber lagen 1914 längst bereit, es ging hauptsächlich darum, die Geschützrohre zu verlängern, um 50 km Reichweite zu erzielen. Ein Feature, das für ein Schiffsgeschütz, wo diese Kaliber zumeist verbaut wurden, schon aus geometrischen Gründen nicht in Frage kam, und die ebenso schwere Küstenartillerie war ebenfalls auf bewegliche Ziele ausgelegt und musste daher ebenfalls leicht beweglich sein.

Eine reine Land-Land-Waffe konnte ungleich einfacher in der Reichweite gesteigert werden. Der Artikel über das Parisgeschütz ist ja aufschlussreich genug - wenngleich 7 kg Sprengladung natürlich ein Witz waren. Aber da ging es ja auch nicht um Festungsbekämpfung, sondern ebenso wie bei den (militärisch wertlosen) Zeppelinen um psychologische Kriegführung.

Gruß
smalbop