Hallo Herbert (und Ann),
Nur mal so nebenher…im Mittelalter wurde die Welt
eigentlich nicht als Scheibe gesehen sondern als Kugel.
Schon in der Antike war das so…
Naja, so ganz stimmt das nicht. Auch nicht dank/trotz Ptolemäus, wie von Ann erwähnt.
Das ptolemäische (oder auch geozentrische) Weltbild wurde (wahrscheinlich) während der griechischen Antike entwickelt und ging zwar nicht explizit von einer scheibenförmigen Erde aus. Es beruhte aber auf der Annahme, die Erde stelle den Mittelpunkt des Universums dar, und Sonne, Planeten, Sterne etc. drehten sich um sie. Diese These wurde auch von anderen Geistesgrößen der damaligen Zeit, z.B. Aristoteles, verfochten. Damit stand diese Anschauung im Gegensatz zum Heliozentrischen Weltbild und war bis zum Ende des Mittelalters „gültig“. Allerdings nicht ganz, denn die kath. Kirche hatte (praktischerweise) zwei Meinungen…
Galileo Galilei (1564 - 1642) war Anhänger des von Kopernikus entwickelten Heliozentrischen Weltbildes, das er u.a. durch diverse astronomische Beobachtungen als schlüssig empfand. Da dies sich aber im Gegensatz zur damals offiziellen Lehrmeinung der Kurie befand, wurde wurde ihm 1632 der Prozeß gemacht, in dem er „widerrufen“ musste. Bekanntester, aber nicht 100%ig belegter Ausspruch: „Und sie dreht sich doch!“
Die Gründe für den Prozeß waren wahrscheinlich trivial. Galilei war ursprünglich ein sehr einflussreicher Theologe, desssen Ideen bis runter zu den einfachen Priestern langten (deren Bildung gewiss nichts mit der eines heutigen Theologen zu tun hatte). Die Kurie hatte einfach ein - wie man es heute sagen würde - Imageproblem hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes ihrer Aussagen. Die Priester hatten seit Ewigkeiten dem einfachen, noch weniger gebildeten Kirchenvolk gepredigt, die Erde sei eine Scheibe. Sie konnten unmöglich plötzlich ankommen und sagen: „Hey Leute, ich habe euch zwanzig Jahre lang Quatsch erzählt. Die Erde ist nämlich rund!“ Galilei weigerte sich aber, dies einzusehen, obwohl ihm einige gutmeinende und einflussreiche Leute zuredeten.
Kurioserweise hatte die Kirche bereits viele Jahre vorher einen gewissen Herrn Gerhard Mercator (1512 - 1594) damit beauftragt, eine (nota bene) verzerrte Projektion der Oberfläche einer Kugel (= Erde) auf eine plane Oberfläche (= Seekarte) zu erstellen. Die Kirche war nämlich an fast allen größeren Seefahrtsprojekten auch finanziell beteiligt und sah es mit Wohlwollen, wenn die Schiffe a) ihren Bestimmungsort erreichten und b) heil zurückkamen. Und das war halt nur mit korrektem Kartenmaterial zu machen.
Mercator erstellte u.a. die „Europae descriptio“ (1554, eine Karte von Europa, bei der die Lage der europäischen Länder zueinander richtig dargestellt wurde) sowie 15 Jahre später die „Nova et aucta orbis terrae descriptio ad usum navigantium emendate accomodata“ (die erste winkeltreue Projektion der Welt). Damit korrigierte Mercator quasi „on the fly“ das Ptolemäische Weltbild und ermöglichte der Seefahrt eine korrekte Navigation.
Herbert, im Mittelalter, zumindest im europäischen, waren zwei Meinungen gültig. Richtig, die Antike wusste von der Kugel, später auch die Araber. Aber dieses Wissen ging, wie so manches anderes, während der „dunklen Jahrhunderte“ verloren und musste neu entdeckt werden. Die gängige Lehrmeinung bevorzugte jedenfalls die Scheibe.
Ann, Ptolemäus und Aristoteles in Ehren, aber ob Scheibe oder Kugel, die beiden gingen ganz gehörig falsch und lagen daneben.
So, genug gequatscht, ich setze mich jetzt auf einen Latte macchiato in die Sonne.
Grüsse,
Tim