Hallo Sammy1973x!
Prinzipiell könnte man auch Traubensaft statt Rotwein verwenden. Den sollte man jedoch erst später beim Abschmecken vorsichtig hinzugeben. Es ist aber dringend zu bedenken, dass man bei Wildgerichten in der Regel trockene Weine (auch) zum Kochen verwendet. Traubensaft ist meistens sehr süß, weil der trockene Wein erst durch die Umwandlung von Zucker zu Alkohol entsteht. Je trockener der Wein (aus der selben Traube) ist, um so länger und mehr wurde durch Gären Zucker in Alkohol umgewandelt. Daher ist Traubensaft immer viel süßer als sein Wein. In der Küche verwendet man für Saucen den Rotwein oder auch Portwein ebenfalls „nur“ aus geschmacklichen Gründen. Der Alkoholgehalt spielt dabei keine große Rolle, nur bekommt man den gewünschten herben Geschmack nur durch das Gären an den Wein. Alkohol ist somit ein Abfallprodukt bei der Herstellung des Weines, wenn man es aus der Sicht der Küche betrachtet. Der Alkohol wird beim Kochen nicht wirklich benötigt. Tatsache ist, dass in allen Fällen, in denen Wein vor dem Aufkochen verwendet werden, der Alkoholgehalt der Sauce gegen Null strebt und damit auch keinen negativen Einfluss auf das Wohl von Kindern hat. Ursache hierfür ist, dass der Siedepunkt von Alkohol viel niedriger als der von Wasser ist, so dass der Alkohol sich bereits verflüchtigt, bevor eine Sauce aufkocht. Man kann, um sicher zu gehen, die Sauce ruhig ein wenig langsamer als nötig aufkochen lassen oder nach dem Aufkochen bei geringer Hitze etwas länger unterhalb der Kochtemperatur belassen.
Wenn Erwachsene keinen Alkohol wünschen, dann hat es oft andere Gründe, als allein das Vorhandensein von Alkohol selbst. Gibt es Bedenken, die sich auf den Geschmack von Alkohol konzentrieren, obwohl eigentlich der Alkoholgehalt gegen Null strebt, dann kommen natürlich auch keine Saucen in Frage, bei denen der Weingeschmack nachgeahmt wird. Hier sollte man komplett von der traditionellen Wildküche Abstand nehmen.
In der traditionellen Wildküche gibt es ein paar Grundregeln, die heute nicht mehr unbedingt umgesetzt werden müssen, sofern man das Wildprodukt
hinsichtlich seiner Herkunft und Qualität kennt. Wild wurde und wird, sofern es sich nicht um Tiere aus Zuchtbetrieben handelt, was bei Hirschfilet aus Damwild sehr häufig der Fall ist, unter anderen hygienischen Bedingungen gewonnen, als das übliche Schlachtvieh. Das ist nun einmal zwangsläufig so, wenn ein Tier nicht geschlachtet, sondern in der freien Wildbahn erlegt wird. Dies beginnt nicht erst mit der Erlegung und hört bei der Bergung des erlegten Tieres auf, sondern es fehlt im Vergleich zum Schlachtvieh auch die veterinärmedizinische Begutachtung vor der Tötung, sowie auch die entsprechende Untersuchung der Innereien durch einen Tierarzt. Bei Wildprodukten, die nicht wie Damwild aus einer Zucht und späteren Schlachtung stammen, obliegt die Bewertung der Genusstauglichkeit der Einschätzung durch den Jäger, der die Fleischgewinnung dazu auch noch unter Umständen vornimmt, die hinsichtlich der Hygienebedingungen nicht der eines Schlachthofes entspricht. Die Nutzung von Wildprodukten ist also Vertrauenssache.
Aber: Besonders in den letzten 10 Jahren wurde auf dem Gebiet der Hygiene sehr viel verändert. Einerseits durch entsprechende Gesetze, andererseits durch Schulung der Jägerschaft. Wildfleisch hat heute, trotz allen widrigen Umständen bei der Gewinnung, einen höheren Qualitätsstand als jemals zuvor. Dennoch sollte man eine Grundregel, wie die Tatsache, dass Wild immer „durch“ serviert werden muss, nie missachten. 85° Kerntemperatur über mindestens 10 Minuten sind die Voraussetzung dafür, die meisten der möglichen Keime abzutöten. Damit ist das Fleisch aber „durch“. Einige andere Regeln in der Wildküche stammen aus Zeiten, in denen man Besonderheiten des Wildfleisches nur durch Missachtung von Hygieneregeln berücksichtigen konnte und man diesem Problem geschmacklich entgegenwirken musste. Alkohol in der Wildküche gehört auch dazu.
Wild wurde früher vor der Erlegung gehetzt und man hatte keine Kühlräume, um die Körpertemperatur des Wildfleisches kontrolliert zu senken. Mangels Fett wurde daher das Fleisch sehr trocken und zäh, so dass es sich kaum zerbeißen ließ. Um diesem Problem entgegen zu wirken, ließ man das Fleich einfach lange abhängen. Ohne Kühlraum kam es zu einem Fäulnisprozess, der das Fleisch wieder zart werden ließ, was sich aber logischerweise auch auf den Geschmack auswirkte. Um den üblen Geschmack zu mindern, wurde das Fleisch eingelegt. Meistens in Buttermilch oder alkoholische Flüssigkeiten, wie beispielsweise Wein oder Portwein. Der kräftige strenge Geschmack durch Fäulnis blieb aber noch immer stark im Vordergrund. Ergänzend dazu wurden also auch Saucen mit extrem starken Eingengeschmack ins Spiel gebracht. Auch hier kamen daher herb trockene Rotweine, Branntweine, etc. ins Spiel. Um dem Widerspruch, die süßliche Fäulnisnote durch herbe Alkoholika zu bekämpfen, etwas Abrundung zu geben, wurden süße Beilagen wie Preiselbeeren und Birnen zum Wildgericht gegeben.
Heute sind derartige Spagate bei der Geschmackdefinition nicht mehr erforderlich, dennoch haben sich in der traditionellen Wildküche sich diese Elemente fest verankert. Ich schätze, dass weit mehr als 80 Prozent der Bevölkerung auch noch der Meinung ist, dass Wild einen strengen Eigengeschmack hat. Wildfleisch hat in bester Qualität eine Geschmacksintensität, die gewöhnlich geringer als die von Rindfleisch anzusehen ist. Nun ja, wohl dem, der schon einmal gutes Wildfleisch gegessen hat!
Wirft man einmal die ganzen altmodischen Vorstellungen von Wildfleisch über Bord und konzentriert sich auf die Eigenschaften von hochwertiger Ware, kommt man zu dem Schluss, dass zu Wild jede dezente Zubereitungsmethode und Sauce passt, wie man sie auch für Rindfleisch benutzen würde. An dieser Stelle könnte als Beispiel auch Pferdefleisch stehen, doch wer kennt sich bezüglich Pferdefleisch besser als in Bezug auf Wild aus?
Eine grundsätzliche Begriffserklärung sei hier noch angemerkt:
Hirschfilets sollen es sein? Was ist denn mit Hirsch gemeint? Hirschartiges Wild gibt es in vielen Varianten. In der Fachsprache kommt der Begriff „Hirsch“ bei der Bezeichnung der Variante (Art) aber nicht vor, weil dieser Begriff schon anders belegt ist. Man redet in der Fachsprache von Rotwild, Damwild, etc., wenn man die Wildart bezeichnet. Spricht man also von Hirschfilets, weil man sie - wie es im Handel üblich ist - als Herkunft von hirschartigem Wild bezeichnet, so ist dagegen noch nichts einzuwenden, doch nun ist es qualitativ sehr entscheidend, von welchem Geschlecht die Rede ist. Das weibliche Wild wird Tier genannt (Rottier, Damtier, etc.) und das männliche Wild ist der „Hirsch“ (Rothirsch, Damhirsch, etc.).
Warum diese Haarspalterei?
Kaufe ich als Fachmann Filets vom Rotwild, definiere ich dazu auch noch, ob ich Filets vom Rottier oder vom Rothirsch haben will. Der Laie kauft im Handel immer Filets vom Rothirsch, ohne zu wissen, ob das Wild von einem weiblichen oder männlichen Lebewesen stammt. Mir als Fachmann käme Fleisch vom männlichen hirschartigen Wild nur in die Küche, wenn ich den Hirsch selbst erlegt hätte und genau weiss, was ich für Qualität habe. In allen anderen Fällen würde ich auf Fleisch von weiblichem Wild oder von Kälbern bestehen. Die Jagdzeit fällt nämlich mit der Brunftzeit zusammen und das bedeutet, dass Fleisch von männlichem Wild während der Brunftzeit durch Hormone stark geschmacklich beeinflusst wird. Das geht bis zu einem Grad der Ungenießbarkeit. Der Laie würde diesen Qualitätsmangel als „typisch strengen“ Wildgeschmack ignorieren - und kommt wieder zu dem Schluss, dass Buttermilch und Rotwein dringend erforderlich sind.
Nochmals zum Abschluss:
Wenn die Qualität des Fleisches ohne Mängel ist, dann eignet sich als Sauce die komplette Palette des Möglichen. Von feinen Sahnesaucen über klassische Gewürzsaucen (z.B. Pfeffersauce) bis hin zu exotischen Saucen. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit tropischem Geschmack, wie beispielsweise einer Mango-Sauce oder einer Thai-Sauce mit grünem Curry und Kokusmilch gemacht, aber auch mit tollen Varianten a la „Sauce Mexico“ (mit Speck, Zwiebeln und Paprika) oder „Sauce Italiana“ (mit Tomate, Basilikum, Salbei, etc.).
Beim echten Filet ist mein absoluter Favorit allerdings das pure Braten in der Pfanne, beim Servieren erst mit Salz und Pfeffer würzen und die Beilagen so einfach wie möglich halten. Ich bevorzuge als Beilage zu einem gebratenen Filet schlicht ein Schwarzbrot (oder alternativ auch Toast) mit Butter. Das Filet, als bestes Stück vom Wild, braucht nichts weiter für den Luxus seines Geschmacks. Aber das ist natürlich Ansichtssache und kommt auf den Anlass und die Feierlichkeit an, zu dem es serviert wird.
Guten Appetit, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr, wünscht
Peter L.