Schaffensprozess

Hi Künstler und Kunstfreunde,
in einem anderen Zusammenhang hier habe ich über den Schaffensprozess in der Kunst folgendes gesagt:

„Das ist übrigens ein wichtiges Merkmal/Prinzip in der Kunst. Zunächst Aus-sich-heraus-gehen - Abstand nehmen - um dann Zu-sich-zurück-kehren.“

Wie formuliert Ihr für Euch diesen Prozess?

Interessiert:
Anja

Hi Anja,
ich möchte das nicht so pathetisch sehen. Wenn ich ein Bild malen will, dann drücke ich mich so lange vor der Arbeit, bis ich sie im Geist schon gemacht habe. Auch dann ist es noch schwierig, den richtigen Moment zum Beginnen zu finden. Ich überliste mich inzwischen damit, dass ich mir alles, was ich brauche zurechtlege und irgendwo plaziere,wo ich es nicht mehr übersehen kann (Esszimmertisch oder so was). Dann nehme ich mir innerlich zwei Tage frei und lege los - da gibt es dann kaum eine Unterbrechung - Wenn das Werk dann fertig ist, habe ich meinen Termin eingehalten, der Kunde ist zufrieden - und ich sitze imer noch da und frage mich, ob ich es nicht besser gekonnt hätte…
Na, ich glaube nicht so richtig, dass das eine erquickende Antwort auf Deine Frage ist… Ich denke mal, wie das "Schaffen " beschaffen ist, hängt sehr von der Person ab, die „schafft“.
Trotzdem frohes Schaffen
Ricarda

Liebe Ricarda,

ich möchte das nicht so pathetisch sehen.

War auch gar nicht pathetisch gemeint - und schon gar nicht esoterisch oder so. Ich sehe meine Arbeit als Plastiker durchaus auch als schlichtes Handwerk und mich umflutet auch nicht die „Aura des Künstlers“, die vielen meiner Kollegen das Hirn vernebelt…
Was ich mit dem „Hinausgehen“ meinte sollte heißen: Mit der Idee auch in die Distanz zu gehen, um sie von einem anderen Ort, also quasi von Ferne noch einmal zu betrachten und zu überprüfen. Ein paar Leute hier haben sich ja im ALK-Brett über meine Aussage lustig gemacht - das sei ihnen unbenommen. Aber wenn man nicht nur hin und wieder ein nettes Blumen-Aquarellchen malt, um es der Oma zum Geburtstag zu schenken, ist Kunst körperliche, geistige und seelische Schwerstarbeit. Ich habe zum Jahresende ein großes Ausstellungsprojekt und bin im Konzeptionsprozess, weil ich es mir eben nicht leisten kann, aus dem Bauch heraus fröhlich loszukneten…

Wenn ich ein Bild
malen will, dann drücke ich mich so lange vor der Arbeit, bis
ich sie im Geist schon gemacht habe. Auch dann ist es noch
schwierig, den richtigen Moment zum Beginnen zu finden.

Als Plastiker muss ich so viele technische Vorarbeiten leisten, dass ich damit so anfangen kann, als müsse ich einen Zaun aufstellen *g…

Ich überliste mich inzwischen damit, dass ich mir alles, was ich
brauche zurechtlege und irgendwo plaziere,wo ich es nicht mehr
übersehen kann (Esszimmertisch oder so was).

Bei mir steht das ganze Material immer vor meiner Nase, da ich mir z.Zt. kein Atelier leisten kann - das passt mir gar nicht so sehr…

Dann nehme ich
mir innerlich zwei Tage frei und lege los - da gibt es dann
kaum eine Unterbrechung - Wenn das Werk dann fertig ist, habe
ich meinen Termin eingehalten, der Kunde ist zufrieden - und
ich sitze imer noch da und frage mich, ob ich es nicht besser
gekonnt hätte…

Dazu ein Zitat der von mir sehr verehrten Louise Bourgeois:
„Die Kunst ist ein Versuch der Breiung, welche man niemals erreicht. Aus diesem Grund ist die Kunst niemals vollendet.“
(Wobei ich hier das Wort „Befreiung“ auch arg pathetisch finde…)

Na, ich glaube nicht so richtig, dass das eine erquickende
Antwort auf Deine Frage ist…

Ich hab’ mich sehr über Deine Zeilen gefreut… Dachte schon, das wäre von niemandem von Interesse *seufz

Ich denke mal, wie das "Schaffen " beschaffen ist, hängt sehr von der Person ab, die „schafft“.

Genau so isses…

Trotzdem frohes Schaffen

Wünsche ich Dir auch,
Anja

Was ich mit dem „Hinausgehen“ meinte sollte heißen: Mit der
Idee auch in die Distanz zu gehen, um sie von einem anderen
Ort, also quasi von Ferne noch einmal zu betrachten und zu
überprüfen.

Ich denke mal, diesen Prozess mach ich mit meinem „Herantasten“ auch so ähnlich. Ich habe das nur anders genannt.

Aber wenn man nicht nur hin und wieder ein nettes
Blumen-Aquarellchen malt, um es der Oma zum Geburtstag zu
schenken, ist Kunst körperliche, geistige und seelische
Schwerstarbeit.

Ich male fotorealistische Ölportraits, da siehst Du jede Pore.
Aber Du hast Recht. Nach einem Tag an der Staffelei fühle ich mich erschöpfter, als nach einem Tag schwerer Gartenarbeit.
Gruß
Ricarda

Korrektur: ‚Befreiung‘ statt ‚Breiung‘ *g
owT

Hallo, Ihr beiden!

Vorab: Wenn ich vor einem kreativen Schaffensprozess stehe, hat das auch so seine Vorbereitung, ganz individuell, und es nimmt ebenso (viel) Zeit und einen gewissen Augenblick „des Starts“ in Anspruch… auch die Konzentration „Was will ich ausdrücken und/oder nachbilden?“.

Aber wenn man nicht nur hin und wieder ein nettes
Blumen-Aquarellchen malt, um es der Oma zum Geburtstag zu
schenken, ist Kunst körperliche, geistige und seelische
Schwerstarbeit.

Ich male fotorealistische Ölportraits, da siehst Du jede Pore.
Aber Du hast Recht. Nach einem Tag an der Staffelei fühle ich
mich erschöpfter, als nach einem Tag schwerer Gartenarbeit.

Mir fällt dazu spontan ein Gedanke zu, vielleicht nur stützend für Eure Diskussion/Ent-wicklung, muss ihn aber etwas ausführen…

Auf rein gedanklicher Ebene (inneres Bild) ist der Schaffensprozess oft sehr leicht, ja spielerisch, oder sogar einfach wie das Betrachten eines Films. Bei der Umsetzung dann fehlt auf einmal die Idee oder sie stellt sich als schwierig, langwierig umzusetzen heraus, oder, oder…

(Zumindest) Ein Grund, den ich dafür jetzt annähernd ausgemacht habe, ist, sich die eigene (kreative) Energie selbst zu blockieren. Dadurch geschieht „es“ nicht mehr mit Leichtigkeit.

Also, der Weg ist wohl weg von dem Energie erzeugen durch Angst (‚ich schaffe es aus Zeitmangel usw. nicht mehr‘) hin zum Anheben des Energieniveaus konkret vor dem Schaffensprozess (der eine geht in die Natur, der andere macht eine Meditation, ein weiterer macht erst…).

Ich weiss nicht, ob „das“ weiterhilft - aber schön wär’s.

CU DannyFox64

Hi DannyFox,

Auf rein gedanklicher Ebene (inneres Bild) ist der
Schaffensprozess oft sehr leicht, ja spielerisch, oder sogar
einfach wie das Betrachten eines Films. Bei der Umsetzung dann
fehlt auf einmal die Idee

Das „innere Bild“, wie Du es nennst, ist doch die Idee…

oder sie stellt sich als schwierig,

das ist eine Herausforderung, die mir sehr viel Freude macht…

langwierig umzusetzen heraus,

Plastiken zu schaffen ist immer ein langwieriger Prozess…

(Zumindest) Ein Grund, den ich dafür jetzt annähernd
ausgemacht habe, ist, sich die eigene (kreative) Energie
selbst zu blockieren. Dadurch geschieht „es“ nicht mehr mit
Leichtigkeit.

Blockaden kennt wohl jeder Kunstschaffende. Bei mir liegt sie zumeist in zu starker Selbstkontrolle. Edgar Degas hat mal einen schönen Satz gesagt: „Erst wenn er nicht mehr weiß, was er tut, tut der Maler gute Dinge.“

Also, der Weg ist wohl weg von dem Energie erzeugen durch
Angst (‚ich schaffe es aus Zeitmangel usw. nicht mehr‘)

Diese Angst kenne ich glücklicherweise nicht, da ich mich im Falle von Auftragsarbeiten und/oder Termindruck glücklicherweise gut disziplinieren kann.

hin zum Anheben des Energieniveaus konkret vor dem
Schaffensprozess (der eine geht in die Natur, der andere macht
eine Meditation, ein weiterer macht erst…)

Der Idee folgt Begeisterung, ja Euphorie, das Fiebern, die Idee umzusetzen - und das ist meine Energie.

Ich weiss nicht, ob „das“ weiterhilft - aber schön wär’s.

Nach „Hilfe“ hatte ich eigentlich nicht gefragt… Aber dennoch: Danke. Mich interessieren Prozesse - und in der Kunst, weil sie mein Lebensmittelpunkt ist, besonders.
Dir einen schönen Sonntach,
Anja

Hallo,

bin zwar nur Hobby Künstlerin, aber ich denke auch, dass es bei jedem anders ist. Ich hohle mir die inspieration wenn ich mir andere Bilder ansehe. Und dann lege ich los. Ich habe keinen Prinzip. Lege einfach los und kann erst aufhören, wenn es fertig ist. Ich entspanne eher dabei. Wenn ich Streß habe oder so ist der danach wie weggeblasen. Ich merke auch kaum Schmerzen beim Malen selber. Meißtens weiß ich vorher nicht wie und was ich genau male. Ich habe es schon von Anfang an so gemacht. Als Kind fing ich damit an als Beschäftigung und zum Abschalten.
Ich hoffe, dass es Dir weiter hilft.

Mit lieben Grüßen

Sandra Winter

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