Hallo!
Kann jemand die Bedeutung des Familiennamens „Scheichenzuber“ mitteilen, wenn möglich, mit Quelle?
Dank&Gruß!
Hannes
Hallo, Hannes,
Das wäre eine Anfrage an den Lehrstuhl der Onomastik an der Uni Leipzig wert: E-Mail: [email protected]
siehe http://www.mdr.de/kultur/1761131-hintergrund-1911986…
Hier schon mal die räümliche Verteilung http://www.verwandt.de/karten/absolut/scheichenzuber…
Gruß
Eckard
Hallo Hannes,
es handelt sich um einen sogenannten Übernamen.
Kleiner Exkurs:
Alle europäischen Familiennamen (außer aus Island) sind nach den selben Regeln entstanden und nach dem gleichen Muster erklärbar.
Es gibt Familiennamen aus Berufen (Müller, Maier, Meier, Huber, Schulze, Schmidt, Fischer, Schuster und wie sie nicht alle heißen)
Familiennamen aus Rufnamen (Valentin -> Schauspieler Karl Valentin, Markus -> Karl Marx, Kommunist oder auch Angela Merkel, Bundeskanzlerin, Georg -> Udo Jürgens, Sänger, Walter -> Fritz Walter Fußballspieler etc.)
Familiennamen aus Herkunftsbezeichnungen (Ulmer, Dillinger, Adenauer -> aus Adenau, ehem. dt. Bundeskanzler, Schweinsteiger -> aus Schweinsteig, Ramsauer -> aus Ramsau, Politiker, Steinberger -> aus Steinberg, Kabarettist „Emil“, Karlstadt -> aus Karlstadt, Lisl Karlstadt Schauspielerin etc.)
und eben die Übernamen: Das Wort „Sptizname“ trifft es nicht genau, kann aber als Beschreibung gelten: Beschrieben werden Eigentümlichkeiten des ersten Namensträgers, die ihn von seiner Umgebung unterscheiden. Das kann eine körperliche Auffälligkeit sein, eine geistige Besonderheit, ein besonderes Verhalten etc.:
Groß, Klein, Lang, Braun, Schwarz (Haarfarbe), Spät, Baldauf, Humpel etc.
Und eben in diese Gruppe fällt Scheichenzuber. Es handelt sich dabei um einen dreigliedrigen Satznamen. Bei Satznamen handelt es sich immer um unvollständige Sätze, denn das Subjekt muss man sich dazu denken. Also:
„(Er) scheicht + en + zuber“
Da ich nicht weiß, in welcher Ecke Deutschlands kommst, kann ich auch nicht beurteilen, ob Du diesen etwas altertümlich wirkenden Satz schon verstehst oder nicht. ich übersetze es mal vorsichtshalber:
„(Er) scheut +(d)en + Zuber“
Bei der Analyse von Familiennamen muss immer die Sprache des späten Mittelalters / der frühen Neuzeit beachtet werden, da Familiennamen den damaligen Stand sozusagen „eingefroren“ haben. Damals gab es auch noch kein Standarddeutsch so wie wir es heute kennen, weshalb die Namen einen sehr starken Regionalbezug haben.Gleichzeitig ist dies aber auch ein Glück, denn so kann ich heute mit Gewissheit sagen, dass es sich bei diesem Namen um einen süddeutsch/österreichischen (mit Abstrichen noch schweizerischen) Familiennamen handelt. Denn das Wort „Zuber“ ist nur in diesem Bereich bekannt (bis heute, wenngleich heute kaum noch verwendet). Dieses Wort meint „Bottich, Fass, Holzwanne“.
„Er scheut den Bottich“ bezeichnet einen (in aller Regel) Lehrling, der eine Fassbinder/Schäffler/Böttcherlehre begonnen hatte, diese aber aus egal welchen Gründen nicht abgeschlossen hat (mögliche Gründe: Ihm hat der Beruf nicht gefallen = war dafür unbegabt, er kam mit seinem Lehrherrn nicht klar, er hatte ein traumatisches Erlebnis z.B. einen Unfall oder eine Stoffunverträglichkeit/Allergie
-> „Berufsunfähigkeit“) Dieses „Nicht-Abschließen“ steckt in dem „scheuen“ drin. Es meint: fernhalten, fliehen, nicht dabei bleiben.
Dass jemand seine Lehre nicht beendet hat war damals etwas derart Ungewöhnliches, dass die Umgebung ihm diesen „Spitznamen“ verpasste, welcher dann durch Vererbung bis heute erhalten geblieben ist.
Gleichzeitig weist sich der Name als ein typisch städtischer Name aus, da das Schäfflerhandwerk nur in Zünften ausgeübt und erlernt werden durfte. Dies war ausschließlich in den Städten oder größeren Dörfern mit Marktrecht möglich. Gleichzeitig zeigt dies, dass Übernamen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land entstanden sein können: Der ebenfalls vorkommende Name „Scheunpflug“ (oder ähnliche Schreibweisen) resultiert ebenfalls aus „(Er) scheut den - hier aber - Pflug“. Also jemand, der den Bauernberuf aufgegeben hat (weshalb auch immer). Somit handelt es sich hier um einen Familiennamen mit ländlicher Herkunft. Damit möchte ich aber auch zeigen, dass das Wort „scheuen“ nicht unbedingt gleichbedeutend ist mit „faul sein“. Denn ein Süddeutscher kennt den Ausspruch „Dea scheit d’Arwa wia da Deife 's Weiwassa“ (in Schriftdeutsch: „Der scheut die Arbeit wie der Teufel das Weihwasser“ = er ist stinkfaul, arbeitsSCHEU).
Die Form des Namensteils „scheich“ ist mit der sogenannten Entrundung („eu“ wird mit runden Lippen gebildet, „ei“ mit breiten = entrundeten Lippen) weist den Namen überwiegend dem bayerisch-österreichischen Raum zu, das enthaltene „ch“ der Alpenregion, sei es der deutschen oder der österreichischen.
Bleibt noch die Frage nach dem Alter des Namens: Familiennamen mit südlicher Herkunft sind älter als solche aus nördlicheren Regionen, östliche sind jünger als westliche, städtische sind älter als ländliche. Lediglich die Namenslänge ist für die Altersbeurteilung BEI SATZNAMEN (und ausschließlich dort) nicht maßgeblich.
Somit kann unter Berücksichtigung aller Aspekte angenommen werden, dass dieser Name erstmals ca. 1200 bis 1300 n.Chr. als Familienname verwendet wurde.
Thema Fachliteratur: Es gibt etliche gute Werke, aber auch viel Mist über die Entstehung und Bedeutung von (deutschen) Familiennamen. Empfehlenswert ist der dtv-Atlas Namenkunde (ich habe ihn noch zu D-Mark-Zeiten gekauft, damals ca. 25.00 DM, keine Ahnung was der heute kostet), welcher viele Hintergründe und Zusammenhänge aufzeigt, mit exemplarischen Beispielen. Als Namensliste mit Erklärung des einzelnen Namens gibt es ebenfalls zahlreiche Werke. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass jeder seinen eigenen Schwerpunkt hat (der eine erklärt bevorzugt Berufsnamen, der andere bevorzugt Herkunftsnamen und der dritte bevorzugt Familiennamen, die aus Rufnamen entstanden sind). Teilweise sind diese Werke sehr teuer und eigentlich ist eine vernünftige Erklärung eines mehrdeutigen Familiennamens nur dann erarbeitbar, wenn man alle diese Standardwerke hat und somit vergleichen kann.
Die von einem Vorschreiber angesprochene Uni mit ihrem Lehrstuhl Onomastik soll - wie mir zu Ohren gekommen ist - etwas slawisch-lastig arbeiten (also auch wieder so eine Bevorzugung, möglichst viele Namen mit einem Ursprung im Slawisch-sprachigen begründen zu wollen). Ich betone, dass mir das nur erzählt wurde, ich selbst habe mit diesen noch keine eigenen Erfahrungen gemacht.
So, ich denke, wir haben alles:
was? Satzname als Sonderform der Übernamen
Formalia: dreigliedrig, Entrundung, Kehlkopflaut „ch“
Inhalt: Abbrecher einer Fassbinderlehre
von welcher Region? Süddeutschland/Österreich
aus welchem Raum? Städtisch
Alter: 1200-1300
Sonstiges: Scheunpflug
ich denke, damit Deine Frage beantwortet zu haben.
Einen schönen Abend wünscht
Alexander
Hallo!
Kann jemand die Bedeutung des Familiennamens „Scheichenzuber“
mitteilen, wenn möglich, mit Quelle?
Dank&Gruß!
Hannes