Scheinselbstständig im Nebenberuf?

Hallo,

angenommen Person A ist im Hauptjob Softwareentwickler mit einem Einkommen über den Beitragsbemessungsgrenzen der Sozialversicherungen, er zahlt also schon die Höchstbeträge.

A wird von einem befreundeten Freiberufler B gefragt, ob er bei einem seiner Projekte unterstützen möchte. A stimmt nach Rücksprache mit seinem Arbeitgeber zu und meldet sich als Freiberufler beim Finanzamt an. A unterstützt B seit ca. 2 Jahren unregelmäßig bei dem Projekt, es sind auch mal 2 Monate Pause. A stellt B seine Leistungen auf Stundenbasis in Rechnung. A und B haben einen Dienstleistungsvertrag geschlossen, in dem festgelegt wird, dass A in seiner Entscheidung in welchem Umfang, wo und ob er überhaupt tätig wird frei ist.

  1. Frage: Liegt bei A eine Scheinselbstständigkeit vor, da er nur für B tätig wird?

  2. Frage: Hin und wieder fährt A im Auftrag von B zu dem Projektkunden von B, um vor Ort Details zu besprechen. Angenommen A hat einen Unfall auf dem Weg dorthin, haftet B in irgendeiner Art und Weise?

Danke und Gruß,
Rudolf

Hallo,

  1. Frage: Liegt bei A eine Scheinselbstständigkeit vor, da er
    nur für B tätig wird?

Vielleicht, vielleicht nicht, ob du wirklich richtig bist, sagt dir gleich das Licht. Scherz beseite. Softwareentwickler sind ein heißes Eisen, können echte Selbstständige sein, können es aber auch nicht sein. Ohne umfangreiche Sachverhaltsermittlung kommt man hier nicht weiter. Mein Tipp, wenn man es geklärt haben möchte: Statusfeststellungsverfahren bei der Krankenkasse oder Clearingstelle der Rentenversicherung machen lassen.

Sollte eine echte Selbstständigkeit vorliegen, könnte noch die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung als Selbstständiger mit einem Autraggeber (sog. arbeitnehmerähnliche Selbstständige) zum Tragen kommen. Hier müsste aber der Beitragsausgleich nach § 22 Abs. 2 SGB IV greifen, so dass insgesamt nur Beiträge bis zur Bemessungsgrenze gezahlt werden. Hierlesen für mehr Informationen.

  1. Frage: Hin und wieder fährt A im Auftrag von B zu dem
    Projektkunden von B, um vor Ort Details zu besprechen.
    Angenommen A hat einen Unfall auf dem Weg dorthin, haftet B in
    irgendeiner Art und Weise?

Das muss jemand anderes beantworten, ist nicht mein Kampfgebiet.

LG
S_E

Wenn schon Sozialversicherungsbeiträge bis zur Höchstgrenze gezahlt werden, würden denn überhaupt bei Feststellung der Scheinselbstständigkeit Beiträge gezahlt werden müssen (für den Teil Rentenversicherung wäre das ja wie von Secret_Eyes geschrieben nicht der Fall)? Also besteht überhaupt ein finanzielles Risiko für A und B?

Was die Versicherung angeht, scheint die Frage deswegen interessant, weil B davon ausgeht, dass A selbstständig ist und daher keine Anmeldung bei der Berusgenossenschaft macht. Passiert nun ein Wegeunfall und es wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, was dann?

Wenn schon Sozialversicherungsbeiträge bis zur Höchstgrenze
gezahlt werden, würden denn überhaupt bei Feststellung der
Scheinselbstständigkeit Beiträge gezahlt werden müssen (für
den Teil Rentenversicherung wäre das ja wie von Secret_Eyes
geschrieben nicht der Fall)? Also besteht überhaupt ein
finanzielles Risiko für A und B?

Ja müssten.

Wer mit seinem Gesamteinkünften bei mehreren Arbeitgebern über den Bemessungsgrenzen liegt, dann müssen die Arbeitgeber die Beiträge zunächst jeweils für die eigene Beschäftigung in voller Höhe abführen, man tut quasi erstmal so, als würde es die andere Beschäftigung gar nicht geben.

Am Ende vom Jahr muss man dann einen Beitragsausgleich bei der Krankenkasse beantragen. Grob gesagt setzt diese dann die beiden Verdienste ins Verhältnis und berechnet dann die Beiträge neu. Da beide Arbeitgeber bisher aus voller Höhe des Entgelts gezahlt haben, wurde unterm Strich von beiden zu viel gezahlt, d.h. beide bekommen wieder etwas zurück. Aber diese Verhältnisberechnung kann eben erst am Ende vom Jahr gemacht werden und noch nicht von den Arbeitgebern selber. Bei gleich bleibendem Verdienst könnte man sich auch mal mit der Krankenkasse in Verbindung setzen und fragen, ob man die ganze Geschichte auch vorziehen kann während der laufenden Abrechnung, aber das sollte abgeklärt werden, weil es von Gesetzeswegen erstmal nicht vorgesehen ist.

Daher werden immer beide Arbeitgeber in solchen Fällen „belastet“, es ist nicht der Fall, dass der 1. Arbeitgeber bis zur Bemessungsgrenze zahlt und der 2. muss nichts abführen.

Was die Versicherung angeht, scheint die Frage deswegen
interessant, weil B davon ausgeht, dass A selbstständig ist
und daher keine Anmeldung bei der Berusgenossenschaft macht.
Passiert nun ein Wegeunfall und es wird eine
Scheinselbstständigkeit festgestellt, was dann?

Schlimmstenfalls macht die BG dann eine Statusfeststellung und der Arbeitnehmer wird nachversichert.

Greetz
S_E

Schlimmstenfalls macht die BG dann eine Statusfeststellung und
der Arbeitnehmer wird nachversichert.

D.h. die BG würde sich für die Unfallkosten nicht an B wenden, sondern B müsste nur den „normalen“ BG Beitrag nachzahlen?

D.h. die BG würde sich für die Unfallkosten nicht an B wenden,
sondern B müsste nur den „normalen“ BG Beitrag nachzahlen?

Meines Erachtens nein. Aber kann trotzdem passieren, wenn B an der Unfallverursachung in irgendeiner Art und Weise beteiligt war und in Regress genommen werden kann. Ist gar nicht so selten der Fall, dass so etwas gemacht wird von Sozialleistungsträgern, bekannte Fälle von solchen Geschichten ist z.B. der Concorde Absturz oder die Costa Concordia, wo so etwas geprüft wird.

Greetz
S_E

D.h. die BG würde sich für die Unfallkosten nicht an B wenden,
sondern B müsste nur den „normalen“ BG Beitrag nachzahlen?

Meines Erachtens nein. Aber kann trotzdem passieren, wenn B an
der Unfallverursachung in irgendeiner Art und Weise beteiligt
war und in Regress genommen werden kann. Ist gar nicht so
selten der Fall, dass so etwas gemacht wird von
Sozialleistungsträgern, bekannte Fälle von solchen Geschichten
ist z.B. der Concorde Absturz oder die Costa Concordia, wo so
etwas geprüft wird.

Ok, aber in so einen Fall würde die BG ja sowieso immer prüfen, auch wenn das Unternehmen vorher schon schon eine Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft durchgeführt hätte. Also damit kein besonderes Risiko der Scheinselbständigkeit für den AG.

Ok, aber in so einen Fall würde die BG ja sowieso immer
prüfen, auch wenn das Unternehmen vorher schon schon eine
Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft durchgeführt hätte.
Also damit kein besonderes Risiko der Scheinselbständigkeit
für den AG.

Sicherlich kein besonderes Risiko, ich finde es aber für meinen Geschmack moralisch verwerflich, in einem solch strittigen Fall (Arbeitnehmer oder nicht) einfach her zu gehen und auf Risiko zu spielen. Ob irgendjemand irgendwann mal etwas mitbekommt und den Sachverhalt überprüft.

Hier entzieht sich der „Arbeitgeber“ (ist ja noch unklar obs einen gibt) seinen Verpflichtungen, die ihm sozialversicherungsrechtlich auferlegt sind.

Greetz
S_E

A möchte auf gar keinen Fall weisungsabhängig handeln, ansonsten würde sicherlich auch eine 450 EUR Variante passen. Das wäre sogar für A und B günstiger, A ist durch seinen sozialversicherungspflichtigen Job schon in der höchsten Steuerklasse.
In diesem Fall liegt auch moralisch keine Scheinselbstständigkeit vor, A kann ja völlig frei handeln und jederzeit einen Auftrag ablehnen.

In diesem Fall liegt auch moralisch keine
Scheinselbstständigkeit vor, A kann ja völlig frei handeln und
jederzeit einen Auftrag ablehnen.

Gut, danke für den Hinweis, dann werde ich zukünftig bei der Beurteilung von Bauhelfern, LKW-Fahrern, Telefonistinnen, Honorarärzten und Co nur noch diese zwei Punkte prüfen und die übrigen je nach Fragebogen etwa 15-20 ignorieren.

Maßgeblich bei einer Statusbeurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse. Vertraglich kann erst einmal vereinbart sein was will, wennn die gelebte Realität dem entgegen steht, dann gilt nur das Gelebte. Sowas wie Weisungsgebundenheit oder Eingliederung in die Organisation das Arbeitgebers sind - wenn überhaupt - nur sehr eingeschränkt vertraglich zu regeln. Es sind die Erfordernisse der ausgeübten Tätigkeit, die diese Punkte klar stellen. Lediglich dann, wenn wirklich unter Abwägung aller Kriterien die Waagschale in der Mitte steht, dann kommt der vertragliche Wille der Parteien zum Zuge. Aber hier handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung des BSG, dass in nur sehr sehr begrenzten Umfang angewandt werden kann.

Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Greetz
S_E

Gut, danke für den Hinweis, dann werde ich zukünftig bei der
Beurteilung von Bauhelfern, LKW-Fahrern, Telefonistinnen,
Honorarärzten und Co nur noch diese zwei Punkte prüfen und die
übrigen je nach Fragebogen etwa 15-20 ignorieren.

Maßgeblich bei einer Statusbeurteilung sind die tatsächlichen
Verhältnisse. Vertraglich kann erst einmal vereinbart sein was
will, wennn die gelebte Realität dem entgegen steht, dann gilt
nur das Gelebte. Sowas wie Weisungsgebundenheit oder
Eingliederung in die Organisation das Arbeitgebers sind - wenn
überhaupt - nur sehr eingeschränkt vertraglich zu regeln. Es
sind die Erfordernisse der ausgeübten Tätigkeit, die diese
Punkte klar stellen. Lediglich dann, wenn wirklich unter
Abwägung aller Kriterien die Waagschale in der Mitte steht,
dann kommt der vertragliche Wille der Parteien zum Zuge. Aber
hier handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung des BSG,
dass in nur sehr sehr begrenzten Umfang angewandt werden kann.

Aber jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Spannende Diskussion, erst einmal vielen Dank dafür.

Ich verstehe, dass eine Gesamtabwägung erforderlich ist, schließlich soll Missbrauch ausgeschlossen werden und die Verschleierung an den Sozialkassen vorbei, entsprechend unterbunden. Genau diese Gesamtabwägung kommt aber nicht zum Tragen, wenn nur danach gefragt wird, ob jemand für einen oder für mehrere Auftraggeber arbeitet. A ist in diesem Beispiel nur für einen Kunden tätig und sogar nur in einem Projekt, weil z.B. auch nicht mehr Zeit für den Nebenjob da ist. Ansonsten spricht aber vielleicht nichts für eine Nicht-Selbstständigkeit. Insofern macht es sich vielleicht auch der Gesetzgeber mit einer Pauschalverurteilung zu einfach.

Selbst wenn jemand mehrere Kunden hat, kann zu dem einen oder anderen trotzdem ein Beschäftigungsverhältnis bestehen. Den Zahn ziehe ich jedem, der erst mal damit ankommt und mit seiner Gewerbeanmeldung rumfuchtelt. Man braucht immer das Gesamtbild und ich gebe auch zu, des es sehr grenzwertige Fälle gibt. Bezüglich eines Programmierers war ich selbst schon vor dem Sozialgericht, leider ohne Ergebnis, weil der Beginn der Versicherungspflicht über § 7a Abs. 6 SGB IV soweit hinaus geschoben wurde, dass da das Auftragsverhältnis schon beendet war. Jede Beurteilung wäre für die Katz gewesen, weil es keine Auswirkungen gehabt hätte. Kläger hat daher die Klage zurück genommen und der Richter machte nicht gerade den Eindruck, als wäre er traurig darüber…

Und der Gesetzgeber macht gar nicht pauschal, sonst wäre das ganze ja etwas einfacher zu beurteilen. Als es den alten 7b noch gab, da war das etwas einfacher. Aber gerade wegen einer Pauschalierung wurden dessen Regelungen ja gekippt. Und wie mein Paps zu sagen pflegt: „Gleiches Recht ist Unrecht“.

Greetz
S_E

Bezüglich eines Programmierers war ich selbst
schon vor dem Sozialgericht, leider ohne Ergebnis, weil der
Beginn der Versicherungspflicht über § 7a Abs. 6 SGB IV soweit
hinaus geschoben wurde, dass da das Auftragsverhältnis schon
beendet war.

Du warst der Meinung es läge Scheinselbstständigkeit vor?

Und der Gesetzgeber macht gar nicht pauschal, sonst wäre das
ganze ja etwas einfacher zu beurteilen. Als es den alten 7b
noch gab, da war das etwas einfacher. Aber gerade wegen einer
Pauschalierung wurden dessen Regelungen ja gekippt. Und wie
mein Paps zu sagen pflegt: „Gleiches Recht ist Unrecht“.

Deine Einschätzungen haben mit geholfen zu verstehen, wie schwierig das Thema ist und das wahrscheinlich tatsächlich der Einzelfall entschieden wird und im Zweifel nach Tagesform… Wichtig auch die Info, dass B zwar im Zweifel bei der BG Beiträge im Rahmen einer Statusfeststellung nachzahlen müsste, aber für einen Arbeitsunfall nicht in Regress genommen werden würde (abgesehen von grober Fahrlässigkeit).

Du warst der Meinung es läge Scheinselbstständigkeit vor?

Ich nicht, musste nur die Terminvertretung machen. Aber ich weiß nicht mehr, in welche Richtung es ging, ob die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit beantragt wurde.

Deine Einschätzungen haben mit geholfen zu verstehen, wie
schwierig das Thema ist und das wahrscheinlich tatsächlich der
Einzelfall entschieden wird und im Zweifel nach Tagesform…

Es gibt schon Personengruppen, bei denen es überwiegend in die eine oder andere Richtung geht, aber letztlich entscheidet immer nur der Einzelfall. Am liebsten sind mir die über 50%-beteiligten Gesellschafter, die sind einfach =)

Wichtig auch die Info, dass B zwar im Zweifel bei der BG
Beiträge im Rahmen einer Statusfeststellung nachzahlen müsste,
aber für einen Arbeitsunfall nicht in Regress genommen werden
würde (abgesehen von grober Fahrlässigkeit).

Nein, meines Erachtens nicht. Hab ich auch noch nie erlebt.

In allen Zweigen der Sozialversicherung ist festgelegt, dass der versicherungspflichtig ist, der eine abhängige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausübt. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, so tritt von Gesetzeswegen Versicherungspflicht ein, unabhängig von einer eventuellen Beitragszahlung. Die ist quasi nur das Resultat aus der vorherigen Feststellung, aber ist eben nicht deren Bedingung. Selbst wenn der Arbeitgeber also keine Beiträge bezahlt, ist man trotzdem erstmal versichert.

Greetz
S_E